ADB:Farina
Johann Maria F. und Johann Anton F. Die Kölner Industrie hat in der eau de Cologne eine Specialität aufzuweisen, welche sich einer Verbreitung und Berühmtheit erfreut, wie wol kein anderes Erzeugniß irgend einer innerhalb oder außerhalb der deutschen Grenzen gelegenen Stadt. Der Name F., der mit dem „kölnischen Wasser“ aufs engste verwachsen ist, hat durch diese in den mittleren und höheren Ständen in keinem Haushalt und auf keinem Toilettentisch fehlende wohlriechende Essenz einen solchen Weltruf erlangt, daß wir ihm hier seinen Platz nicht versagen dürfen. – Der reiche rheinische Handelsplatz reizte seit Jahrhunderten eine Menge erwerbslustiger Italiener, welche außerhalb der italienischen Grenzen ein gutes Fortkommen suchten, zur Auswanderung. Von nicht zu unterschätzendem Einfluß auf solchen Zug nach dem Rheine hin war der lebhafte Verkehr deutscher Handelshäuser mit den Insassen des Fontego dei Tedeschi in Venedig. Die aus Italien eingewanderten Anzöglinge waren ein rühriges Element im Kölner Handelsleben. Theilweise waren sie Wanderhändler, die nach einer Reihe von Jahren glücklichen Hausirens oder nach einigen gelungenen größeren kaufmännischen Operationen mit vollen Taschen nach Italien zurückkehrten, theils waren es solche, die in Köln eine neue Heimath suchten und hier gutentheils renommirte Handelsfirmen gründeten. Die meisten solcher Italiener wohnten in Köln nicht als vollberechtigte Bürger. sondern blos als Beigeschworene; sie handelten durchgehends mit sog. italienischen und französischen Waaren, mit Spezereien, Südfrüchten, Gewürz und Galanteriewaaren. Viele davon traten als „gekaufte und qualificirte“ Bürger in den Gemeindeverband ein, während andere sich nur vorübergehend in Köln aufhielten und den Lohn ihres Fleißes in die Heimath an ihre Familien abschickten. Unter solchen Italienern, welche dem nach dem reichen Handelsplatze Köln gerichteten Zuge ihrer Landsleute folgten, finden wir im Anfang des 18. Jahrhunderts vier Brüder aus Crana bei Santa Maria Maggiore im Thale Vigezza: es waren dies Johann Maria, Johann Baptist, Karl Hieronymus und Julius F. Um so eher hatten sich diese rührigen jungen Männer zu der Reise nach dem Rheine entschließen können, als sie wußten, daß ihnen in Köln der Rath und der Beistand eines Anverwandten ihrer Familie nicht fehlen werde. Es war dies Johann Paul de Feminis aus Domo d’Ossola, der sich am Ende des 17. Jahrhunderts [570] in Köln niedergelassen, eine Rheinländerin, die Anna Sophie Reffartz, zur Gattin genommen und ein blühendes Geschäft in Zucker, Lemonen, Citronen, Orangen, Rosinen, Feigen, Pflaumen und anderen Südfrüchten gegründet hatte. Seine Wohnung war unter Güldenwagen Nr. 2139, jetzt Hohestraße 146. Seine enge Beziehung zu der Familie F. in Domo d’Ossola ergibt sich aus dem Testament des Paul Feminis vom 9. Novbr. 1736, als dessen Vollstrecker Karl Hieronymus F. eingesetzt und welches von Johann Maria F. als Zeugen unterschrieben wurde, dann aus der Verheirathung der beiden Nichten des Paul Feminis und zwar der Maria Francisca Jacobe Barbieri mit Johann Anton F. und der Francisca Maria Barbieri mit Karl Maria F., endlich aus dem Umstande, daß bei einer am 13. März 1698 getauften Tochter des Johann Paulus de Feminis Johann Maria F. mit der Dominica Borgnis Pathenstelle versah. F. war persönlich nicht anwesend, sondern wurde durch Jacob Johannis vertreten. Die Namen Borgnis und F. waren durch Heirath mit einander in engere Beziehung gekommen. Man wird schwerlich irren, wenn man annimmt, dieser Pathe, Johann Maria F., sei der schon oben genannte Vater der nach dem Rhein übergesiedelten vier Brüder gewesen. Den ältesten derselben, den 1686 geborenen Johann Maria F., treffen wir zuerst in Köln am 25. Juni 1708 als Taufpathen eines Sohnes der Eheleute Anton B. de Lavallé und der Maria Margaretha Wollschläger. Ein Jahr später, 1709, finden wir ihn als selbständigen Kaufmann mit einer guten auswärtigen Kundschaft. Wenige Jahre darauf nahm er seinen Bruder Johann Baptist als Compagnon in sein Geschäft auf und der Handel wurde von jetzt ab unter der Firma „Gebrüder F.“ betrieben. Der dritte der Brüder, Karl Hieronymus, wandte sich nach Düsseldorf, wo der vierte Bruder Julius bereits etablirt war, und gründete ein eigenes Geschäft im Hause zum Schwert. Nachweisbar seit dem J. 1714, nach der Angabe des Johann Maria F. junior schon im J. 1710, versandten die Brüder F. neben den Artikeln ihres Hauptgeschäftes eine aus feinen gewürzhaften, ätherisch-aromatischen, heilsamen Pflanzenstoffen gezogene wohlriechende, erquickende Essenz. Ein ähnliches Präparat fabricirte auch Paul de Feminis, später in gleicher Weise Karl Hieronymus F. in Düsseldorf. Es ist unzweifelhaft, daß diese Recepte mit aus Italien gebracht worden und auf eine gemeinschaftliche Quelle zurückgeführt werden müssen. Eine Familientradition will wissen, daß Paul de Feminis dieses Recept von einem orientalischen Mönch erhalten, als kostbares Geheimniß bewahrt und lange vor seinem Tode der Familie Farina mitgetheilt habe. Es wird hierdurch nicht ausgeschlossen, daß einzelne Familienglieder, welche in das Geheimniß eingeweiht wurden, kleine Aenderungen in der Composition vorgenommen haben. In der Zeit, in welcher Feminis und die Brüder F. nach Köln kamen, wurde von Italienern vielfach Handel mit wohlriechenden Essenzen und Lebenselixiren getrieben. Im J. 1608 finden wir schon einen Italiener in Köln, der sich mit Parfümerien befaßte; später begegnen uns der italienischen Händler mit wohlriechenden und heilsamen Essenzen noch mehrere: sie gehörten aber zu denjenigen Italienern, welche „ihre Weiber und Kinder in Italien zurückgelassen hatten und jährlich die dafür verdienten Gelder zu deren Subsistenz und Unterhaltung nicht ohne merklichen Nachtheil des darunter leidenden publici interesse per Wechsel übermachten“. F. nannte die von ihm fabricirte Essenz zuerst acqua de regina, seit 1716 eau admirable, Feminis nannte es ausschließlich eau admirable, Karl Hieronymus F. eau médecinale. Johann Maria F. und Johann Baptist F. wohnten zusammen im Hause Morian ober Marspforten, jetzt Nr. 23, und führten hier ihr Geschäft gemeinschaftlich, bis Johann Baptist F. am 24. April 1732 starb. Wir finden zwar noch im J. 1739 einen Johann Baptist F. in Köln, der am 27. Januar des genannten [571] Jahres ein Bällchen mit Leinen und Leinen-Cambe-Tuch und Pergamentbildern nach Frankfurt schickte. Aber dieser Johann Baptist gehört nicht zu der Familie der vier Brüder; er hatte sich am 15. Juli 1711 zur großen Bürgerschaft qualificirt, wohnte in der Budengasse und handelte ebenfalls mit französischen und italienischen Waaren. 1726 gerieth er mit den Sattlern in Streit, weil er unter seinen Waaren auch englische Peitschen führte, auf deren Verkauf die Sattler ausschließliches Recht zu haben behaupteten. In dieser Streitsache entschied der Rath, daß F. diejenigen Peitschen, deren Griffe nur aus Horn, Leder oder anderem schlechten Zeug beständen, nicht verkaufen dürfe, dagegen ohne Widerspruch mit solchen Peitschen handeln könne, deren Griffe von Katzendarm geflochten, mit Schildpatt, Perlmutter, Silber, Gold oder Edelsteinen besetzt seien.
Farina:Der mit Johann Maria F. associirte Johann Baptist F. hatte zwei Söhne, von denen der eine Johann Maria F. in holländische, der andere Joseph Anton F. in österreichische Kriegsdienste getreten war. Nach dem Tode seines Vaters verließ ersterer auf den Wunsch seines Oheims und Taufpathen Johann Maria F. den Dienst, kehrte nach Köln zurück und trat in die Stelle seines Vaters ein. Am 10. Decbr. 1735 qualificirte er sich zu „französischem Kram“. Joseph Anton F. starb am 2. Febr. 1737 in Belgrad als Feldscheerer des kaiserlichen Goldischen Regiments. Seinem Oheim Johann Maria F. vermachte er ein Legat von 80 Florin. Johann Maria F. der Aeltere blieb unverheirathet; sein Neffe aber heirathete am 24. Novbr. 1756 die Maria Magdalena Brewers. Aus dieser Ehe entsprossen neun Kinder, von denen vier in jugendlichem Alter starben; die übrigen, Johann Baptist, Maria Clara, Johann Maria, Anna Johanna Christine Walburga, Karl Anton Hieronymus, wurden am 6. Novbr. 1771 in das Bürgerbuch eingetragen. Johann Maria F. der Aeltere machte sich am Ende des J. 1765 mit dem Gedanken vertraut, daß seine Tage gezählt seien; darum entschloß er sich, am 27. Novbr. sein Testament zu machen, welches er zwei Monate später, am 29. Jan. 1766, durch ein anderes ersetzte. Hierdurch vermachte er seinem Neffen Johann Maria F., den er am 22. Decbr. 1762 mit der Jacobe Maria Francisca F., geborenen Barbieri, aus der Taufe gehoben hatte, „all seine Handlung und Handlungsbücher, fort alle seine Briefschaften, wie auch alle seine annoch von Andern zu fordern habende Schulden sammt dem ganzen Winkel und allen Waaren sowohl unten wie oben im Hause, also und dergestalt, daß dieses alles vorab seinem Taufpathen zukommen, eigenthümlich sein und bleiben solle“. Zu Erben des übrigen Nachlasses setzte er neben dem genannten Taufpathen einen anderen Neffen, den Sohn seines Bruders Karl Hieronymus, Johann Anton F., ein, „so daß beide unter sich alles Gereide fried- und freundlich theilen und jeder die Hälfte davon eigenthümlich haben und behalten solle“. Johann Maria F. setzte nun das Geschäft seines Onkels bis zu seinem Tode fort. Er starb am 31. Juni 1792 in einem Alter von 79 Jahren und wurde im Familiengrab in der Kirche St. Lorenz beigesetzt. Das Geschäft unter der Firma Johann Maria F. gegenüber dem Jülichsplatz vererbte sich nun auf seine Söhne Johann Baptist, Johann Maria und Karl Anton Hieronymus. Als der unverehelichte Johann Maria F. am 26. März 1806 starb, blieben die überlebenden Brüder in alleinigem Besitz des zu immer höherer Blüthe sich aufschwingenden Geschäftes. Der Firma drohte eine nicht unbedenkliche Gefahr, als im J. 1812 die alten Straßennamen ins Französische übersetzt wurden. Für den Jülichsplatz wurde auf Wallraf’s Vorschlag die Bezeichnung „Place Jules César“ beliebt. Diese Aenderung konnte große Störung in dem Geschäfte „Johann Maria F. gegenüber dem Gülichsplatz“ veranlassen. F. ersuchte den Professor Wallraf, bei dem Gülichsplatz eine Ausnahme zu [572] machen, „weil bei keiner anderen Straße wol der Nahrungszweig eines Individuums so nachtheilig ins Spiel kommen möge wie hier“. Es blieb aber bei der vorgeschlagenen Aenderung; doch nicht volle zwei Jahre nachher, gleich nach dem Abzug der Franzosen, verschwand die französische Bezeichnung „Place Jules César“ und F. konnte wieder die alte Signatur „gegenüber dem Jülichsplatz“ seinen Etiketten aufdrucken. Im J. 1830 trat Johann Baptist F. seinen Antheil seinem 1796 geborenen Sohne Johann Maria F. ab, welchem 1833 seine Wittwe als Theilhaberin folgte. Karl Anton Hieronymus F., welcher 1850 starb, übertrug seinen Geschäftsantheil 1841 seinem im J. 1809 geborenen Sohne Johann Maria F., dem jetzigen Chef des Hauses.
Johann Paul de Feminis, der bald zu Wohlstand gelangt war, hatte zwei Kinder, Karl Joseph Matthias und Johanna Katharina. Beide starben vor ihrer Großjährigkeit. Je älter Feminis wurde, desto lebhafter regte sich in ihm der Wunsch, seine Tage in seiner Heimath zu beschließen. Nach Santa Maria zurückgekehrt, setzte er seinen Stolz darein, einen Theil seines ansehnlichen Vermögens zum Besten seines Heimathortes, namentlich zur Erbauung der Pfarrkirche und des Gemeindehauses zu verwenden. Dieser Zuwendung geschieht auf dem jetzt noch in der Kirche von Santa Maria hangenden, von de Borgnis gemalten Porträt des Paul Feminis Erwähnung. Es heißt hier: „Paolo Feminis da Crana mercante e fabbricatore d'acqua ammirabile in Colonia benefattore principale della nostra chiesa parrochiale di santa Maria maggiore, del nostro Oratorio e casa comunale de Grana“. Noch jetzt steht Feminis bei den Einwohnern von Santa Maria in gutem Andenken und unter denselben lebt die Tradition fort, daß dieser Wohlthäter ihrer Gemeinde sein Vermögen dem Geheimniß der Fabrikation des kölnischen Wassers zu verdanken gehabt habe. In dieses Geheimniß hatte er den Sohn des Karl Hieronymus F., Johann Anton F., eingeweiht. Dieser heirathete 1746 eine Nichte des Feminis, die Maria Jacobe Francisca Barbieri in Santa Maria Maggiore und siedelte nach Köln über. Er qualificirte sich am 23. Octbr. 1750 als Ausstädtischer zur Bürgerschaft mit 20 Rthlrn. Am 3. Decbr. 1760 kaufte er die große Bürgerschaft mit 406 Rthlrn. 6 Stüber „als Gläser- und Krüchenkrämer“; er wohnte damals unter Wappensticker. In demselben Jahre noch gab er diesen Handel auf, zog in die Straße ober Marspforten und fing ein Geschäft in Gold- und Silberwaaren und Pretiosen an. Zu diesem Geschäft übernahm er am 27. Jan. 1762 auch noch das seines Vaters, Karl Hieronymus, in Düsseldorf, welches er jedoch durch seinen Vetter und Associé Karl Maria F., Sohn seines Oheims Julius, verwalten ließ. Dieser Karl Maria F. hatte ebenfalls, wie bereits bemerkt, eine Nichte des Paul Feminis, die Francisca Maria Barbieri aus Crana bei Santa Maria Maggiore, geheirathet. Im J. 1768 erwarb sich Johann Anton F. käuflich das unter Güldenwagen Nr. 4506, jetzt Hohestraße Nr. 129, gelegene Haus Mulenark, bezog dasselbe und gab ihm den Namen „Zur Stadt Mailand“; der Ankauf dieses Hauses, welches annoch das Geschäftshaus der Firma Johann Anton F. ist, wurde ihm erleichtert durch die ihm 1766 zugefallene Erbschaft seines Oheims Johann Maria F. In seinem neuen Geschäft und Wohnhause setzte er außer seinem Handel in eau admirable seinen italienischen Kram in Morcheln, Trüffeln, Thee, Kaffee, Chokolade, Provencer Oel, Schweizerkäse, sowie in allerhand modischen seidenen und sonstigen Damen- und Herren-Galanteriewaaren, Gold- und Silbersachen und anderen Bijouteriewaaren fort. An dem Geschäft in Düsseldorf unter der Firma seines Vaters blieb er betheiligt. Dieses nahm durch die Kundschaft, welche es unter dem Adel und in Hofkreisen hatte, einen glänzenden Aufschwung. Karl Maria F. sah sich genöthigt, sich seinen Sohn Julius Cäsar zur Beihülfe zuzugesellen; zur Ausgleichung schickte [573] Johann Anton F. seine Tochter Maria Theresia als Gehülfin dahin. Bald entspann sich ein intimes Verhältniß zwischen Julius Cäsar F. und seiner Base Maria Theresia und 2. Aug. 1782 fand die Copulation in Köln in der Pfarrkirche St. Columba statt. Julius Cäsar F. trat nun mit seinem Vater aus dem alten Geschäfte Karl Hieronymus F. aus und gründete ein neues unter seiner eigenen Firma. Zur Fortführung des alten Stammgeschäftes Karl Hieronymus F. sandte nun Johann Anton F. einen anderen Sohn, Johann Maria F., nach Düsseldorf, der auch das Geschäft Jahre lang bis zum Tode seines Vaters leitete, dann aber nach Köln zurückkehrte und sich hier unter seinem eigenen Namen, Johann Maria F. „Zur Stadt Turin“ etablirte. Bei der Theilung des Nachlasses des Johann Anton F. ging das Düsseldorfer Stammhaus mit der Firma an den Joseph F. über. Zur Fortführung des Geschäftes associirte er sich 1787 mit seinem Schwager Julius Cäsar F. Im März 1789 ging dieses ganze Geschäft mit Inventar und Firma an den letztgenannten Associé über. Dieser übertrug es, da er bereits ein ausgedehntes Bankgeschäft hatte, zuerst an den Vater, Karl Maria F., dann an zwei andere Söhne desselben. Diese ließen die Firma Karl Hieronymus F. eingehen und führten das Geschäft unter der Firma ihres Vaters, Karl Maria F., weiter, während der eine derselben, Johann Jacob F., mit seinem Vater unter der Firma Johann Maria Jacob F. allein associirt blieb. Die Fabrikation von eau de Cologne blieb allein in der Hand von Johann Maria Jacob F. Es war dies der Großvater des Johann Maria F., welcher Inhaber der Kölnisch-Wasser-Fabrik Johann Maria F., Jülichsplatz Nr. 4, ist.
Nach dem am 21. April 1787 erfolgten Tode des Johann Anton F. erwarb bei der Regulirung des Nachlasses der jüngste Sohn, Joseph Anton F., von seinen Geschwistern das elterliche Haus für die Summe von 8000 Rthlrn. Joseph Anton F., der die Maria Helena Theresia Leven geheirathet hatte, starb am 10. Octbr. 1791. Dieser Ehe entsproß die einzige Tochter Maria Agnes Dominica Walburgis, die aber schon in einem Alter von 9 Jahren am 18. Mai 1798 starb. Die Wittwe übertrug nun das Geschäft ihrem Bruder, Alois Leven, nach dessen Tode, am 2. Febr. 1820, es an seinen Sohn Peter Leven überging. Nachdem nach Peter Leven’s Tode die Wittwe das Geschäft noch einige Zeit für eigene Rechnung geführt hatte, übertrug sie es ihrem Schwager, Johann Joseph Neuman, nach dessen Tode es auf die ihn überlebende Wittwe überging.
Lange Zeit wurde von F. sowol wie von Feminis die Bereitung der acqua de regina, darauf eau médecinale, dann eau admirable, später eau de Cologne genannt, als Nebengeschäft betrieben. Das Fabrikat von Feminis stieg an Ansehen, als dasselbe mit der Approbation der medicinischen Facultät der Kölner Universität versehen verschickt werden konnte. In dieser Approbation war gesagt, daß die eau de Cologne des Destillateurs Feminis die unten noch anzuführenden Wirkungen habe und namentlich bei phlegmatischem Temperament und bei Erkältungen heilsam wirke. Für den Ruf und die Verbreitung der eau de Cologne waren die traurigen Wirren des siebenjährigen Krieges äußerst günstig. Im J. 1760 war die Stadt Köln das Stelldichein der genußsüchtigen französischen Officiere, welche den Winter hindurch bei der niederrheinischen Armee blieben und nicht in den Gelüsten und Genüssen der französischen Hauptstadt Ersatz für die Strapazen des Sommerfeldzuges suchten. Diese gezierten Herren, welche an Hofluft und den feinen Parfüm der Pariser Salons gewohnt waren, mußten sich freuen, in der eau admirable ein Gegenmittel gegen die bösen Kölner Straßendünste gefunden zu haben: sie gewöhnten sich an den Gebrauch dieser kostbaren Essenz und bereiteten derselben so den Eingang in die vornehmsten Kreise der französischen Gesellschaft. Johann Anton F. errichtete [574] um diese Zeit eine Niederlage seines kölnischen Wassers in Paris und betraute das Haus Onfroi, destillateur du roi, mit dem Vertrieb.
Es lag in der Natur der damaligen Verhältnisse, daß die eau admirable nur durch die pomphaftesten Anpreisungen Eingang beim Volk gewinnen konnte. Dieses Wasser mußte durch Charlatanerie eingereiht werden unter die vielen Universalmedicinen, Wundersalben, Hauptpillen, Lebenselixire, aromatischen Quintessenzen, Lebensbalsame, Heilöle und andere Medicamente, welche von phantastisch aufgeputzten Charlatanen von Haus zu Haus getragen oder auf den Märkten und in mit fratzenhaften Abbildungen und verlockenden Inschriften überklebten Buden feil geboten wurden. „Wenn eine Beschreibung von allen Uebeln“, sagt eine bezügliche Anpreisung, „wofür dieses Wasser unvergleichlich gut ist, sollte gemacht werden, so könnte man es schier allen Krank- und Schwachheiten, denen der menschliche Körper unterworfen ist, zueignen, ja man könnte es wol eine allgemeine Arznei heißen. Allein es wird schon genug sein, deren einige hier beizubringen, woraus man dann von denjenigen wird urtheilen können, so mit Stillschweigen sind übergangen worden.“ Und nun wird angegeben, daß es unfehlbare Heilkraft besitze gegen Fallsucht, Schlaganfälle, Gicht, Herzklopfen, Kopfschmerz, Leberleiden, Gelbsucht, Kolik, Brustkrankheiten, Geschwulst, Brandwunden, Zahnschmerzen, Scorbut, Gries, Stein, Podagra, Ohrensausen, Augenentzündung und viele andere Uebel. Je höher der Ruf des kölnischen Wassers stieg und je lohnender die Bereitung desselben für die Zukunft zu werden versprach, desto größeres Gewicht legte jeder der beiden Fabrikanten in Köln darauf, für sein Recept den Ruf des höheren Alters geltend zu machen. Solche Rivalität im Geschäft störte aber keineswegs die freundschaftlichen Beziehungen der beiden Familien zu einander. So stand Johann Anton F. zwei Mal und seine Frau ein Mal zur Taufe bei einem Kinde des Johann Maria F. In seinen Gebrauchszetteln erklärte Johann Anton F., „es sei unwidersprechlich, daß Herr Paul Feminis, Erfinder und Urheber dieses wunderbaren kölnischen Wassers, sein Geheimniß und Verfertigung desselben, ehe er gestorben, einzig ihm übertragen habe“. Dasselbe behauptet Johann Maria Jacob F., der in notariellen Acten als Nachfolger „der berühmten Destillateure“ Paul Feminis und Karl Maria F. figurirt. Dagegen erklärte Johann Maria F., daß sein verstorbener Oheim als der Erfinder des kölnischen Wassers angesehen werden müsse; geradeso sprach sich der frühere Ladendiener Farina’s, Karl Anton Zanoli, aus, welcher die im Farina’schen Geschäft erlangte Kenntniß benutzte, eine eigene Fabrik zu gründen. Johann Anton F. „übertrug und schenkte durch Urkunde vom 13. April 1787 seinem Sohn Joseph Anton F. das von Paul Feminis herkommende arcanum unter des Vaters Firma Johann Anton F. alleinig zu führen“. Nach des Vaters Tode verpflichtete sich Joseph Anton F., für die alleinige Ausnutzung des Geheimnisses der Kölnisch-Wasser-Fabrikation seinen Brüdern Karl Hieronymus F. und Johann Maria F. 20 Jahre lang alljährlich 100 und seinem dritten Bruder Julius Cäsar F., der in den Karthäuserorden getreten war, 50 Rthlr. zu bezahlen. Am 12. Octbr. 1787 ließ er in die Ober-Post-Amts-Zeitung und mehrere andere Blätter einrücken, daß sein Vater ihm einzig und allein und keinem aus der Familie, noch einem Fremden, das Geheimniß der so weltberühmten eau de Cologne, so er allein von dem Erfinder Herrn Paul Feminis hätte, vor seinem Absterben entdeckt habe. Johann Maria F. gegenüber dem Jülichsplatz glaubte das Interesse seines Geschäftes zu verletzen, wenn er dieser Anzeige gegenüber Schweigen beobachte. Darum ließ er unter dem 22. October eine ausführliche Erwiderung in die Zeitung einrücken, worin er sich verwahrt gegen die Annahme, „daß seine eau de Cologne der von Johann Anton F. nachstehe oder gar als ein ohne Recht und Fug in den Handel gebrachtes [575] und ein gefälschtes Fabrikat angesehen werden müsse; sein Vater und Oheim seien schon 1710 im Besitz des Geheimnisses gewesen, im J. 1749 habe er selbst in Compagnie des Karl Hieronymus F. in Düsseldorf, des Großvaters des Joseph Anton F., eine gemeinschaftliche Fabrik dieses Wassers eingerichtet; im J. 1766 habe ihm sein Oheim Johann Maria F. als seinem eingestellten Universalerben nebst seiner Handlung auch seine so viele Jahre hindurch mit so vielem Ruhm bestandene Fabrik der eau de Cologne hinterlassen“. Ein halbes Jahr später mußte er Angesichts der neu errichteten Kölnisch-Wasser-Fabrik des Johann Maria F. zur Stadt Turin seinen Geschäftsfreunden erklären, daß er mit diesem Johann Maria F. nichts zu schaffen habe, sondern seine Fabrik in dem alten Hause unter der bekannten Firma unverändert fortgeführt werde. Er hatte um so mehr Grund, sich gegen eine bedrohliche Concurrenz zu schützen, als die Bereitung der eau de Cologne den Charakter eines Nebengeschäftes verloren hatte und ein lohnender selbständiger Industriezweig geworden war. Farina’s Kundschaft erstreckte sich durch Deutschland, Frankreich, Italien, England, Holland, ja bis Ostindien und Nordamerika.
Mit dem Abkommen, welches Joseph Anton F. mit seinem Bruder Karl Hieronymus F. und Julius Cäsar F. getroffen hatte, war der zweitälteste Sohn Johann Anton Farina’s, Johann Maria F., nicht einverstanden. Er gründete im Anfang des J. 1788, wie schon angegeben, die selbständige Fabrik Johann Maria F. zur Stadt Turin und hob einen Rechtsstreit an, der erst am 1. Oct. 1789 durch einen gütlichen Vergleich beigelegt wurde. Hierin wurde bestimmt, daß es dem Johann Maria F. freistehen sollte, eau de Cologne zu verfertigen und zu verkaufen, dagegen gab er gegen eine Abfindungssumme von 500 Rthlr. die ausdrückliche Erklärung ab, daß sein Bruder Joseph Anton F. der alleinige wahre Besitzer des von Paul Feminis herkommenden Geheimnisses sei, daß demselben allein das Recht zustehe, dieses Wasser unter der Firma Johann Anton F. zu verkaufen und daß weder er noch irgend einer seiner Erben es je wagen werde, die Firma Johann Anton F. zu führen. Sein Geschäft unter der Firma Johann Maria F. zur Stadt Turin hielt er im Hause unter Güldenwagen, jetzt Hochstraße Nr. 111, bei. In jüngster Zeit ist diese Firma durch Erbschaft in den Besitz von W. J. Bürgers gekommen.
Nach dem Tode von Joseph Anton F. wurde der Wittwe desselben durch ihren Schwager Karl Hieronymus F. die alleinige Ausnutzung des arcanum streitig gemacht. Am 14. April 1792 kam ein Vergleich zu Stande, wonach dieser gegen die Summe von 1600 Kronenthalern auf Firma und arcanum für sich und seine Erben zu Gunsten der Wittwe zu „einzigem und ausschließlichem Gebrauch“ verzichtete. Sollte sein Sohn, Johann Anton F., jemals auf eigene Rechnung kölnisches Wasser fabriciren, so dürfe er dies nur unter dem Namen Karl Johann Anton F. thun. Am 18. Mai 1798 übertrug die Wittwe F. „das arcanum eau de Cologne zu verfertigen“ von Paul Feminis, sowie es ihr Schwiegervater, ihr Mann und sie selbst fortgeführt hatte, nebst der Firma einzig und allein an ihren Bruder Alois Leven, nach dessen Tod es an einen seiner Söhne, der am fleißigsten in der Handlung sein werde, übergehen sollte.
Die glänzenden geschäftlichen Erfolge, deren sich die Kölnisch-Wasser-Fabriken der Firmen F. erfreuten, rief schon im vorigen Jahrhundert vielfache Concurrenz hervor. Von diesen Concurrenten nennen wir nur Jacob Laforest, Leonards, Nikolaus Neuman, Karl Anton Zanoli. Bessere Aussichten schienen sich für solche Concurrenten zu bieten, welche sich der Firma F. bedienen konnten. Seit dem Ende des vorigen Jahrhunderts wurde der Name F. ein sehr gesuchter Handelsartikel, und die Zahl der F.-Firmen vermehrte sich so, daß im Regierungs-Amtsblatt von 1819 mehr als 50 Kölnisch-Wasser-Fabriken aufgeführt [576] wurden, welche den Namen F. führten. Die meisten dieser Häuser hatten ihre Firmen dadurch erworben, daß sie mit irgend einem der in Oberitalien in großer Zahl sich findenden F. einen Schein-Gesellschafts-Vertrag abschlossen.
- Familienpapiere und Acten des Kölner Stadtarchivs.