ADB:Eugen de Beauharnais
[476] die Hand der vielumworbenen Creolin. Mit einer an dem rücksichtslosen Egoisten überraschenden Pietät trug er fortan für das Wohl seiner Stiefkinder Sorge. Eugen wurde trotz seiner Jugend mit wichtigen diplomatischen und militärischen Aufgaben betraut und rechtfertigte durch glückliche Erfolge das auf ihn gesetzte Vertrauen. Zur egyptischen Expedition zugelassen, war er einer der Ersten, die auf Malta unter heftigem Feuer der feindlichen Festungswerke landeten; auch in den Schlachten in Egypten bewies er wiederholt persönlichen Muth und militärisches Geschick. Nach der Heimkehr zum Kapitän der berittenen Jäger ernannt, widmete er sich eifrig den bisher vernachlässigten kriegswissenschaftlichen Studien. „Damals war Eugen fast noch ein Junge“, erzählt die Herzogin von Abrantes, „aber schon ein allerliebster und liebenswürdiger, der Alles zu werden versprach, was er späterhin wurde. Seine Gestalt bot ein vollkommenes Ensemble von Eleganz dar, noch anziehender dadurch, daß sich etwas sehr Seltenes damit vereinigte, Freimuth und Fröhlichkeit. Er konnte lachen wie ein Kind, äußerte jedoch seine Heiterkeit nie auf übermäßige Weise und niemals über Dinge von schlechtem Geschmack. Er war höflich, ohne unterwürfig zu sein, und liebte den Spott, ohne allzu keck zu werden. Er sang entzückend, tanzte, wie sein Vater, der nur „Beauharnais, der schöne Tänzer“ hieß, spielte vortrefflich Komödie, kurz, er war ein angenehmer, trefflicher Jüngling.“ Auch auf dem italienischen Feldzug begleitete Eugen seinen Stiefvater; nach der Schlacht bei Marengo schrieb dieser an Josephine: „Dein Sohn hat sich in allen Kämpfen mit Ruhm bedeckt; er wird einer der größten Feldherren werden“. In den nächsten Friedensjahren rückte Eugen zum Brigadegeneral vor. Noch höhere Auszeichnung brachte das J. 1805. Der neue Kaiser der Franzosen gab seinem Liebling den Titel eines französischen Prinzen und erkor nach der Krönung in Mailand den Vierundzwanzigjährigen zum Vicekönig von Italien. „Ich lasse euch“, sprach Napoleon beim Abschied zur gesetzgebenden Versammlung, „als Vertreter meines Ansehens diesen jungen Prinzen zurück, den ich von Kindheit an erzogen habe; er wird von meinem Geist beseelt sein und sich meiner würdig zeigen; überdieß habe ich Vorkehrungen getroffen, daß die Leitung der wichtigsten Angelegenheiten des Staates mir selbst verbleibe“. Dies war denn auch thatsächlich der Fall; Eugen mußte sich darauf beschränken, die oft sehr willkürlichen Verfügungen Napoleons in möglichst milde Formen zu kleiden und dem Nationalstolz der Italiener nach Möglichkeit Rechnung zu tragen. Wie unzufrieden denn auch die Italiener mit dem eigenmächtigen Regiment Napoleons waren, so ließen sie doch den guten Absichten des Statthalters Gerechtigkeit widerfahren. Speciell Mailand hat Ursache, jener Verwaltungsperiode dankbar zu gedenken. Für glänzende Bauwerke, für Pflege der schönen Künste wurden auch die beträchtlichsten Ausgaben nicht gescheut. Eugen ließ den Dom ausbauen, errichtete das große Amphitheater, stiftete das Museo der Brera, sowie ein Musikconservatorium, aus welchem die berühmtesten Sänger Italiens hervorgingen, und viele andere gemeinnützige Anstalten. Durch Eugens liebenswürdige Vermittlung blieb zwischen Napoleon und der römischen Kurie wenigstens noch ein paar Jahre ein leidliches Einvernehmen aufrecht erhalten. Nur bei einigen nicht gerade wichtigen Vorfällen ließ sich Eugen, wenn er sich persönlich gekränkt glaubte, zu unvorsichtigen Handlungen hinreißen, die seiner Popularität Eintrag thaten. In den zahlreichen Briefen an Napoleon zeigt er den guten Willen eines jungen Mannes, sich nach den Lehren des erfahrenen Meisters zu bilden und Beweise seiner aufrichtigen Dankbarkeit zu geben. Nach dem Feldzug von 1805 vermittelte Napoleon in München eine Verbindung, die den Sohn des Vicomte Beauharnais zum ebenbürtigen Mitglied einer der ältesten europäischen Herrscherfamilien erhob; eine Tochter des [477] Königs Max Josef von Baiern, Amalia Augusta, wurde am 13. Januar 1806 die Gemahlin des „Bayard de l’empire“, und da sich die Ehe zu einer in jeder Beziehung glücklichen gestaltete, schwanden bald die letzten Bedenken, die sich gegen die Heirath erhoben hatten. Während des Feldzugs von 1806–7 blieb E. in Italien, dagegen nahm er hervorragenden Antheil am Feldzug von 1809. Die französischen Marschälle mochten wol kopfschüttelnd vernommen haben, daß dem jungen Vicekönig das Obercommando über die ganze italienische Armee übertragen sei, und solchen Befürchtungen entsprachen auch die unglücklichen Anfänge des Feldzugs. Bei Sacile wurde die italienische Armee von Erzherzog Johann auf’s Haupt geschlagen; Eugen selbst gestand freimüthig: „Nie wurde eine Schlacht vollständiger verloren“. Nur die Siege in Deutschland retteten die Armee in Italien. Erzherzog Johann erklärte, sobald er den Vormarsch Napoleons gegen Wien erfuhr, es sei nicht räthlich, in fremdem Lande offensiv vorzugehen, während die Kernlande der Monarchie in äußerster Gefahr schwebten, und trat den Rückzug an. Eugen verfolgte ihn und konnte durch einen glänzenden Sieg an der Raab den Makel der an der Piave erlittenen Niederlage tilgen. Napoleon nannte den Sieg seines Sohnes – die Schlacht war am 14. Juni, dem Jahrestag von Marengo, geschlagen worden – „une petite fille de Marengo“. Die Tapferkeit des Fürsten verdiente das höchste Lob; schon in jener unglücklichen Schlacht hatte er bei dem Sturm auf Conegliano neue glänzende Proben abgelegt. In der Schlacht bei Wagram leistete er einen wichtigen Dienst durch rasche Besetzung der Höhen von Baumersdorf. Nach Abschluß des Wiener Friedens ertheilte ihm Napoleon den Auftrag, Tirol zur Ruhe zu bringen. Das verständige, großmüthige Auftreten Eugens trug denn auch nicht wenig dazu bei, daß die meisten Führer des Aufstands den Widerstand aufgaben und sich unterwarfen, und so wurde dem Vicekönig der Ruhm zu Theil, der französischen Waffenehre auch da, wo den Adlern die schimpflichste Demüthigung widerfahren war, Genugthuung erwirkt zu haben. Die Hinrichtung Hofer’s in Mantua wurde nicht von Eugen anbefohlen, sondern erfolgte auf unmittelbare Weisung Napoleons. Wenn Eugen Klugheit und Besonnenheit bisher im Verhalten gegen Andere bewiesen hatte, legte die Scheidung Napoleons von Josephine dem Sohne der Schwergekränkten eine schwerere Prüfung auf. Er wußte aber auch hier zwischen der Ergebenheit für seine Mutter und den Pflichten der Dankbarkeit gegen den Kaiser die rechte Mitte zu finden. Er selbst rieth der Mutter, sich dem harten Muß der Staatsraison zu fügen und in die Scheidung einzuwilligen; im Staatsrath stimmte er zu Gunsten der Verbindung Napoleons mit Marie Luise von Oesterreich gegen das Project einer Vermählung mit der russischen Großfürstin Katharina. Als sodann die Scheidung vollendete Thatsache war, eröffnete er seinen Entschluß, sich gänzlich von öffentlichen Geschäften zurückzuziehen, allein nun war es die Mutter, die ihn überredete, in seiner Stellung zu bleiben und sogar den Schein zu meiden, als bedauere er den Verlust, den ihm Napoleons zweite Vermählung brachte. Sein Benehmen in der kritischen Zeit war so tactvoll, daß die Pariser demonstrativ jede Gelegenheit benützten, ihm ihre Achtung zu bezeugen. Nach einer Aeußerung zu General Bubna scheint Napoleon den Plan ernsthaft ins Auge gefaßt zu haben, den gegen Frankreich agitirenden Kronprinzen Ludwig von der Thronfolge auszuschließen und den Gatten der bairischen Prinzessin Amalia durch die Krone Baierns für den Entgang anderer Hoffnungen zu entschädigen. Vorerst wurde Eugen im März 1810 als Nachfolger des Fürstprimas zum Großherzog von Frankfurt erhoben, blieb aber zugleich als Vicekönig in Mailand. Von der Verwaltung der Staatsgeschäfte rief ihn der russische Feldzug auf’s Neue in’s Feld. Das italienische Corps leistete bei Ostrowno und Malojaroslavez gute [478] Dienste; insbesondere auf dem Rückzug aber zeichnete sich Eugen durch Gleichmuth und Energie vor manchem berühmteren Heerführer aus. Auch bei Lützen entschied er durch geschicktes Eingreifen den Sieg. Da jedoch die Haltung Oesterreichs Argwohn erregte, erhielt Eugen Befehl, nach Italien zurückzukehren und eine neue Armee zu organisiren. Als sich nun Oesterreich wirklich auf Seite der Verbündeten schlug, ja sogar auch Baiern sich durch den Rieder Vertrag von der Sache Napoleons lossagte, wurde die Stellung Eugens sehr peinlich. In den 1857 veröffentlichten Memoiren des Marschalls Marmont, Herzogs von Ragusa, fand sich die Behauptung, Eugen habe damals aus Gründen des persönlichen Ehrgeizes den Befehlen Napoleons widerstrebt, sei in unerlaubte, geheime Verbindung mit den Alliirten getreten und habe dadurch mehr als irgend ein Anderer zur Katastrophe von 1814 beigetragen. Als Vertheidiger des Prinzen trat aber nicht blos ein Verwandter, Graf Tascher de la Pagerie, sondern auch der intimste Vertraute Napoleons, Planat de la Faye, auf; sie wiesen überzeugend nach, daß Marmont, um seinen eigenen Abfall zu beschönigen, eine ungerechte Anklage erhoben habe. Die Töchter Eugens glaubten auch damit die Sache nicht beruhen lassen zu dürfen, leiteten einen Diffamationsprozeß gegen den Verleger der Marmont’schen Memoiren ein und ließen zugleich die ganze Correspondenz Eugens aus jener kritischen Periode veröffentlichen. Der Civilgerichtshof der Seine erkannte denn auch zu Recht, daß in Anbetracht der erwiesenen Ungerechtigkeit der von Marmont erhobenen Anschuldigung in alle noch zur Verfügung stehenden Exemplare des sechsten Bandes der Memoiren diejenigen Documente, welche die Unschuld Eugens darthun, aufzunehmen seien. Eugen erhielt nämlich niemals, wie Marmont behauptet hatte, Befehl, Italien zu verlassen, sondern sollte sich nur bis an die Alpen zurückziehen; obwol von hundert Schwierigkeiten bedrängt, war er weit davon entfernt, das Interesse Frankreichs Motiven persönlichen Ehrgeizes zu opfern. Allerdings drangen im November 1813 die Verbündeten, darunter auch der Schwiegervater König Max Josef, in ihn, er möge eine verlorene Sache aufgeben und sich dem Bündniß gegen den gewaltigen Störenfried anschließen. Eugen erwiderte jedoch auf alle Vorstellungen, die Pflicht der Dankbarkeit verbiete ihm nicht minder als die Heiligkeit des Fahneneides, auf solche Anträge einzugehen. „Man kann es nicht leugnen“, sagte er zu dem Bevollmächtigten Max Josef’s, Prinz Thurn und Taxis, „der Stern Napoleons beginnt zu erbleichen, aber dies ist für diejenigen, die von ihm Wohlthaten empfangen haben, nur ein Grund mehr, ihm treu zu bleiben“. Noch am Abend nach dieser Unterredung (22. November) erstattete Eugen dem Kaiser gewissenhaft Bericht über die ihm soeben gemachten Eröffnungen und gelobte feierlich, die Geschichte werde nie von ihm sagen können, daß er im Unglück sein Geschick vom Loos des Wohlthäters getrennt habe. Dessenungeachtet schöpfte der Kaiser Verdacht, es möchte dem König von Baiern gelingen, den Eidam auf seine Seite zu ziehen; er warf dem Vicekönig nicht ohne Härte vor, die Ausführung der Befehle des obersten Kriegsherrn sei lässig betrieben worden, denn sonst könnte die italienische Armee schon an den Alpen concentrirt stehen. Eugen erwiderte, er habe nur deshalb gezaudert, weil er noch hoffte, den König von Neapel zur Treue zurückzuführen, und weil er befürchtete, daß nach Räumung Italiens die Italiener in Masse zu den erklärten Gegnern Frankreichs übertreten würden. Napoleon war jedoch einmal mißtrauisch und verlangte, daß die Vicekönigin ihr Wochenbett in Paris halte, in Ausdrücken, die keinen Zweifel übrig ließen, daß Napoleon eine Geisel haben wolle. Dieser Forderung wich Eugen aus, im Uebrigen aber befolgte er pünktlich die Befehle des Hauptquartiers, und Napoleon selbst bezeugte noch auf St. Helena, er habe nur davon gehört, daß man seinen Sohn zum Verrath zu verleiten [479] suchte, er habe aber nicht eine Stunde lang geglaubt, daß dieser Versuch gelungen sei. Eugen mußte sich, gegenüber der österreichischen Uebermacht auf die Defensive beschränken und sich sogar, weil durch den Rieder Vertrag die Straße durch Tirol geöffnet, mithin die Etschlinie nicht mehr zu halten war, hinter den Mincio zurückziehen. Noch einmal gelang es ihm, am 8. Febr. 1814, in einer Schlacht am Mincio das Feld zu behaupten, aber auf die Dauer war auch diese Position nicht zu halten, und die Niederlagen Napoleons in Frankreich beschleunigten das Ende des italienischen Feldzugs. Erst als Eugen offizielle Nachricht vom unbedingten Verzicht Napoleons auf Italien erhalten hatte, schloß er mit Feldmarschall Bellegarde eine Konvention, welche die Verwaltung des Königreichs an die Verbündeten Mächte übertrug. In vielen italienischen Städten hegte man den Wunsch, daß Eugen als König oder doch als Statthalter Italiens anerkannt werde, allein ein Aufstand in Mailand, wobei der Finanzminister Peina nach grausamster Marter den Tod fand, bewog den Prinzen, Italien zu verlassen und sich zur Familie seiner Gattin nach München zurückzuziehen. Auf Bitten seiner Mutter aber begab er sich im Sommer vorübergehend nach Paris, wo er bei Ludwig XVIII. ehrenvolle Aufnahme fand, insbesondere aber die volle Gunst des Czaren Alexander gewann. Während der Congreß in Wien tagte, konnte man häufig den Kaiser Arm in Arm mit dem „einzigen edlen Napoleoniden“ promeniren sehen. Der Verwendung Alexanders war auch zu danken, daß dem Freunde für seine Dotation in Italien eine ansehnliche Entschädigung ausgeworfen wurde, so daß seine Familie auch fortan zu den reichsten Fürstenhäusern zählte. Die Wiederkehr Napoleons nach Frankreich mußte natürlich zur Folge haben, daß Eugen in Wien mit Mißtrauen beobachtet wurde, allein durch die kluge Zurückhaltung des Prinzen sahen sich auch die Gegner entwaffnet. Nach Beendigung des Kongresses übertrug König Max Josef seinem Eidam die freie Standesherrschaft Leuchtenberg und das Fürstenthum Eichstädt mit dem Titel eines königlichen Prinzen. Seither nahm Eugen abwechselnd in München und in Eichstädt seinen Aufenthalt. Seines einfachen leutseligen Benehmens wegen war er sogar in jener Zeit, da eine fast krankhafte Abneigung gegen alles Französische herrschte, in allen Volkskreisen geachtet und beliebt. Zum Andenken an den edlen Sohn Josephinens erhebt sich über dem Grab in der Michaelskirche zu München ein edles Denkmal, ein Meisterwerk Thorwaldsens; der Fürst, die Toga leicht über die Schulter geworfen, steht aufrecht in würdiger Stellung, in der Rechten den Lorbeerkranz haltend, die Linke ans Herz drückend, während neben ihm die Muse der Geschichte die Thaten des Kriegshelden aufzeichnet.
Leuchtenberg: Eugen Beauharnais, Herzog v. L., Fürst von Eichstädt, früher Vicekönig von Italien, geb. am 3. Septbr. 1781 zu Paris, † am 21. Febr. 1824 zu München. Der Vater, Alexander Vicomte de Beauharnais, wurde, als Obercommandant der Rheinarmee in einen Hochverrathsproceß verwickelt, ein Opfer der Schreckensherrschaft Robespierre’s. Aus dem Gefängniß richtete er einen Brief an General Hoche, worin er ihm seine Gemahlin Josephine, geb. Tascher de la Pagerie, und seinen Sohn Eugen empfahl. Im Gefolge Hoche’s begann denn auch L. seine militärische Laufbahn; bald aber trat er in innigere Beziehungen zu Napoleon Bonaparte. Die sympathische Episode wurde von Napoleon selbst auf St. Helena folgendermaßen erzählt. Als an die Pariser die Aufforderung erging, alle Waffen abzuliefern, kam der junge L. zu Bonaparte und bat, den Degen seines Vaters behalten zu dürfen. Dies gab Anlaß zu einem Besuche des Generals im Hause Beauharnais; Bonaparte sah die Wittwe des hingerichteten Vicomte und erbat und erhielt bald darauf- Aubriet, Vie politique et militaire d’Eugene de Beauharnais, vice-roi d’Italie, 1824. – Vaudaincourt, Histoire politique et militaire du prince Eugène, 1825. – Marmont, duc de Raguse, Mémoires, 1857. – Laurent de l’Andèche, Refutation des mémoires du maréchal Marmont, 1857. – Tacher de la Pagerie, Le prince Eugène, 1857. – Planat de la Faye, Le prince Eugène en 1814, 1857. – Schneidawind, Prinz Eugen, Herzog von Leuchtenberg, 1857. – Du Casse, Mémoires et correspondance politique et militaire du prince Eugène, 1858.