Zum Inhalt springen

ADB:Ernst (Landgraf von Hessen-Rotenburg-Rheinfels)

aus Wikisource, der freien Quellensammlung

Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Ernst, Landgraf von Hessen-Rheinfels“ von Gustav Könnecke in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 6 (1877), S. 284–286, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Ernst_(Landgraf_von_Hessen-Rotenburg-Rheinfels)&oldid=- (Version vom 25. Dezember 2024, 06:49 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
Band 6 (1877), S. 284–286 (Quelle).
[[| bei Wikisource]]
Ernst I. (Hessen-Rheinfels-Rotenburg) in der Wikipedia
Ernst I. in Wikidata
GND-Nummer 118963287
Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|6|284|286|Ernst, Landgraf von Hessen-Rheinfels|Gustav Könnecke|ADB:Ernst (Landgraf von Hessen-Rotenburg-Rheinfels)}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=118963287}}    

Ernst, Landgraf von Hessen-Rheinfels, Stammvater der mit Landgraf Victor Amadeus am 12. Novbr. 1834 ausgestorbenen Linie Hessen-Rotenburg, ein Sohn des Landgrafen Moritz (des Gelehrten) von Hessen-Kassel und dessen zweiter Gemahlin Juliane, geb. Gräfin von Nassau-Dillenburg, geb. 9. Decbr. (a. St.) 1623 zu Kassel, † den 12. Mai (n. St.) 1693 zu Köln a/Rh., einer der bedeutenderen fürstlichen Convertiten des 17. Jahrhunderts. Unter der Aufsicht [285] seiner Mutter erhielt er eine streng reformirte Erziehung, so daß er bei seiner Confirmation 1635 vor dem Genusse des Abendmahls „wie ein aspenlaub zitterte, ohnwürdig darzu zu gehen“. Schon im folgenden Jahre wurde er mit seinem älteren, etwas verkommenen Bruder Christian unter Leitung des Hofmeisters Adolf Fabritius auf Reisen geschickt. Er besuchte bis zum J. 1641 Holland, England, die Schweiz, Italien, Frankreich: längere Zeit verweilte er Studirens halber in Paris, Genf, Florenz. Nachdem er so in den Sprachen, den Kriegswissenschaften, den freien Künsten eine umfassende Bildung erhalten, nahm er Kriegsdienste und zwar wohnte er als Volontär 1641 der Belagerung von Aire in Artois unter dem Marschall de Metterny bei. 1642 kehrte er nach Kassel zurück und trat in die hessische Armee. Er nahm im Verlaufe des dreißigjährigen Krieges, anfangs als Capitän, dann als Oberstlieutenant (1644), als Oberst zu Pferd (1645) und schließlich als Generalwachtmeister zu Pferd an ca. 30 Belagerungen und Gefechten Theil; bei Düren, Kassel a/Rh., Allerheim, Treysa, Gesecke that er sich besonders hervor. Bei der Entsetzung der letzteren Stadt gerieth er, trotz persönlicher Tapferkeit, in kaiserliche Gefangenschaft. Am 1. Juni (a. St.) 1647 vermählte er sich zu Frankfurt mit der Gräfin Maria Eleonore von Solms-Hohensolms-Lich und nahm 1649 die ihm zugefallenen Theile der 1627 für die Söhne Moritzens zweiter Ehe gestifteten hessischen Quart in Besitz. Der Hauptbestandtheil seines Landes war die Niedergrafschaft Katzenellenbogen mit der Festung Rheinfels, welche er sich zum Fürstensitze herrichtete und auch nach eignen Plänen bedeutend verstärken ließ. Da er sich als Kriegsmann bedeutenden Ruf erworben, so erhielt er im Laufe der Jahre verschiedene Anerbietungen, wieder Kriegsdienste zu nehmen, welche er aber ausschlug. Ihm lag zunächst daran, sich mit der regierenden und die Landeshoheit über die Quart ausübenden Hauptlinie Hessen-Kassel auseinanderzusetzen. Seine Absicht ging dahin, eine besondere, von Kassel unabhängige souveräne Nebenlinie zu gründen und das der Hauptlinie erst durch den westfälischen Frieden garantirte Primogeniturrecht umzustoßen. Zur Betreibung dieser Angelegenheiten begab er sich 1650 selbst nach Wien. Hier wurde er, namentlich durch den Umgang mit dem Capuzinergeneral Valerianus Magni für den Katholicismus gewonnen. Bevor er förmlich übertrat, ließ er, nachdem ein in Frankfurt angesetztes Religionsgespräch nicht zu Stande gekommen war, im Anfang December 1651 eine Disputation zwischen hessischen Theologen (namentlich Haberkorn) und den Capuzinern zu Rheinfels abhalten: natürlich ohne Erfolg; am 6. Januar (n. St.) 1652 legte er mit seiner Gemahlin zu Köln öffentlich im Dome dem Erzbischof Maximilian Heinrich das katholische Glaubensbekenntniß ab. – Durch den kinderlosen Tod seiner beiden rechten Brüder Friedrich († 1655 Septbr.) und Hermann († 1658 März) gelangte er in den Besitz der gesammten Quart, wegen deren Rechte er in fortwährenden Streitigkeiten mit der Hauptlinie lag, wenngleich durch den Regensburger Vertrag vom 10. Jan. (n. St.) 1654 die Hauptdifferenzen ausgetragen waren und er die kasselische Primogenitur hatte anerkennen müssen. Als seine Gemahlin, mit welcher er lange Jahre nicht verkehrt hatte, am 12. August (n. St.) 1689 gestorben war, beschloß er, sich nochmals zu verheirathen: sehr naiv setzt er die Gründe auseinander, welche ihn zu diesem ungewöhnlichen Schritte trieben. Um aber die Interessen seiner Kinder erster Ehe nicht zu schädigen, hatte er die (erst 17 Jahr alte) Tochter eines Kriegsofficiers aus Straubing, Alexandrine v.(?) Dürnitzel, gewählt, welche er sich am 3. Januar (a. St.) 1690 morganatisch zu Rheinfels antrauen ließ. Nach seiner Bestimmung sollte sie nicht wie eine Fürstin, sondern nur als eine Adeliche behandelt und einfach Madame Ernestine genannt werden. – E. hinterließ zwei Söhne erster Ehe, Wilhelm und Karl, deren letzterer die Linie Hessen-Wanfried [286] gründete. – Landgraf E. war kein geistig unbedeutender Mann, gelehrt, nicht ohne Züge von Herzensgüte, aber unstet, eitel und sinnlich. Die Motive seiner Conversion waren keine lautern; er hat den Gedanken, mit Hülfe Oesterreichs und der katholischen Partei politische Selbständigkeit zu erlangen, ja selbst die kasselische Linie zu verdrängen, nie aufgegeben. Er hatte in seinem Interesse sogar mit Ludwig XIV. conspirirt und ihm seine Festungen am Rhein angeboten. Der Eifer für seinen neuen Glauben war nicht immer gleich stark bei ihm. Im J. 1686 bekennt er, daß „er sich schon vor einen sehr devoten nicht halten können“, und in seiner Hauptschrift, welche im J. 1660 unter dem Titel „Der so wahrhafte als ganz aufrichtige und discret gesinnte Katholik“ erschien, legt er Schäden und Irrthümer der katholischen Kirche rückhaltslos dar, und namentlich in den letzten Jahren seines Lebens erörtert er in seinem Briefwechsel mit Leibniz ernstlich die Möglichkeit des Zustandekommens einer Union der verschiedenen christlichen Bekenntnisse. Dabei gefiel er sich in Proselytenmacherei und hat ernstliche Versuche zur Einführung seines neuen Glaubens in seinen Landen gemacht. Seit seinem Regierungsantritte brachte er die größte Zeit seines Lebens auf Reisen in Holland, Frankreich, namentlich aber in Italien zu. Namentlich Venedig war sein Lieblingsaufenthalt; besonderis das leichte, sinnliche Leben, dem er sich hier in vollstem Maße hingeben konnte, hielt ihn dort fest. Viel Werth legte er auf den Umgang und den Briefwechsel mit Potentaten und gelehrten Leuten. Ihre Briefe sammelte er sorgfältig, von berühmten Leuten, mit denen er in seinem Leben zusammengekommen war, machte er sich genaue Verzeichnisse. Seine Schreibseligkeit, namentlich in theologischen Streitfragen, war ungeheuer. Vieles beruht davon noch im Marburger Archive, einiges ist gedruckt (s. Strieder, Grundlage zu einer hess. Gelehrten-Geschichte, Bd. III unter dem betr. Artikel Ernst). Er studirte, las und schrieb (resp. dictirte) überhaupt sehr viel; selbst auf Reisen, bildete sich aber auch nicht wenig auf seine Gelehrsamkeit und seine litterarischen Leistungen ein. Von seinen Schriften sind namentlich wichtig die 1669 unter dem Titel: „Pourtraict ou description de la vie du prince Ernest“ erschienene Selbstbiographie, in welcher er sich mit anscheinender Offenheit schildert und bloßstellt, sowie eine deutsche Beschreibung seines Jugendlebens, Abhandlungen über hessische Geschichte, eine Autobiographie, die er seiner 1686 selbst verfaßten Leichenpredigt beifügte, und sein Briefwechsel.

Marburger Staatsarchiv und die Kasseler Landesbibliothek. Strieder, Hess. Gel.-Gesch. III. 416–70. v. Rommel, Leibniz u. Landgraf Ernst von Rheinfels, Frankfurt 1847, 2 Bde. Derselbe bei Ersch und Gruber.