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ADB:Eller, Elias

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Artikel „Eller, Elias“ von Wilhelm Crecelius in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 6 (1877), S. 50–52, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Eller,_Elias&oldid=- (Version vom 4. November 2024, 21:41 Uhr UTC)
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Eller: Elias E., Fabrikant und Sectenstifter zu Elberfeld und Ronsdorf. Am 4. Juli 1690 in Elberfeld geboren (sein Vater stammte von einem Bauerngut Ronsdorf, nicht weit von Elberfeld, welches des Elias älterer Bruder Samuel bewirthschaftete), wurde er Werkführer in der Floretbandfabrik einer Wittwe Bolckhaus und heirathete diese 1712, obgleich sie 20 Jahre älter war. Seine Frau verkehrte mit den Kreisen der separatistischen Enthusiasten, welche durch Hochmann und Andere in der rasch aufblühenden Fabrikstadt entstanden waren, und so kam in das Haus und zu den dort gepflegten Theeabenden mit geistlichen Ansprachen ein schönes 20jähriges Nähmädchen, die Bäckertochter Anna vom Büchel, welche mit göttlichen Inspirationen begnadigt zu sein wähnte. E. selbst soll erst nach längerem Zögern und auf Zureden seiner Frau an die Wahrheit der Offenbarungen geglaubt haben. Dann aber entspann sich alsbald ein zuerst angeblich nur geistiges Liebesverhältniß zwischen ihm und der Prophetin, und diese weissagte nun die bevorstehende Aufrichtung eines Gottesreiches (Zion oder Philadelphia) auf Erden, dessen Gründer E. (als Zionsvater) und sie (als Zionsmutter) werden sollten. Sobald der Frau Eller’s über das Verhältniß ihres Mannes zu Anna die Augen aufgingen und sie der Schwärmerei entgegenzutreten versuchte, wird sie verflucht und unter dem Vorgeben, sie sei wahnsinnig (was sie zuletzt auch wirklich geworden sein muß), eingesperrt. Die Schwärmerei lockte viele Anhänger an, wozu merkwürdiger Weise auch die eigenen Söhne der verstoßenen Frau Eller’s, die Brüder Bolckhaus, gehörten. Eine wesentliche Stütze gewann sie, nachdem der begabte, aber etwas fanatische und enthusiastische Elberfelder Prediger Schleyermacher und mehrere andere Pfarrer (Jansen in Kaldenkirchen später Ratingen, Wülffing in Düsseldorf sp. Solingen, Rudenhaus in Düsseldorf sp. Ratingen) beigetreten waren. Als E. 1733 von seiner Frau geschieden war (sie starb in demselben Jahr), heirathete er Anna vom Büchel und nun zielten deren Offenbarungen fast alle auf eine zweite Erscheinung Christi im Fleisch: er solle von der Zionsmutter, als dem mit der Sonne bekleideten Weib (Offenb. 12, 5), auf übernatürliche Weise geboren werden. In diesem Sinne wurde die Geburt des Sohnes von Anna (4. Juli 1734), der den Namen Benjamin erhielt, wirklich gefeiert. Der baldige Tod des neuen Messias (21. Nov. 1735) erschütterte den Glauben der Bethörten nicht, ebensowenig, daß nun kein Knabe mehr folgte, wie man erwartete, sondern nur Mädchen (Sarah 1738 und Rahel 1739). Die allmählich im Stillen sich immer mehr ausbreitende Zionssecte unterschied sich von den übrigen mystischen Separatisten, aus deren Mitte [51] sie entstanden war, durch ein üppiges Leben, das sich besonders in ihren sogenannten Liebesmahlen kund that (sie hielten sich als diejenigen, die Christus in ihrer Mitte hätten, für berechtigt dazu), und bekam von dem Volk im Gegensatz zu jenen (den Schmachtfeinen) den Spottnamen der Freßfeinen. Auch sonst liefen mancherlei böse Gerüchte über die Secte um, außerdem war die Regierung in Düsseldorf auf die überhandnehmende kirchliche Separation im Lande aufmerksam geworden und hatte in Solingen deshalb Untersuchung veranstaltet. Hierdurch zur Vorsicht gemahnt kaufte E. seinem Bruder einen Theil des väterlichen Gutes in Ronsdorf ab und gründete auf diesem und anderen angrenzenden Erwerbungen eine Niederlassung, in welche seine Anhänger von allen Seiten hineinzogen, so daß ein rasch sich vergrößernder Fabrikort entstand, welcher durch die von Geld unterstützten Bemühungen Eller’s 1741 als besondere Pfarrei und 1745 als eine von dem Amte Beyenburg unabhängige Stadt anerkannt ward. Schleyermacher wurde als Prediger berufen und E. zum Bürgermeister gewählt. So schien der politisch-kirchliche Bestand der Secte gesichert. Die abgöttische Verehrung der Zionseltern (Eller’s und der Anna) dauerte fort, die engeren Versammlungen der Auserwählten bei den Liebesmahlen arteten mehr und mehr in ausgelassene Gelage aus, bei deren einem die Zionsmutter plötzlich verschied (1743). Jetzt gingen Einzelnen von den Vernünftigeren allmählich die Augen auf, die fanatisirte Masse aber hielt bei E. aus und betrachtete ihn nach wie vor als den Abgesandten Gottes, dessen Aussprüche verbindliche Kraft hätten. Schleyermacher verhehlte seine steigenden Zweifel an der Echtheit der Offenbarungen zuletzt so wenig, daß man ihn vollständig von der Gemeinschaft (d. h. der Theilnahme an den Liebesmahlen) ausschloß und (1745) Eller’s Anhänger, den Pfarrer Peter Wülffing in Solingen, als zweiten Prediger wählte. Dieser begabte und in dem Rufe großer Frömmigkeit stehende, aber charakterlose und sittlich immer tiefer sinkende Mann bildete von nun an die eigentliche Stütze der Secte, unter den neben dem alternden E. dessen Stiefsohn Bolckhaus eine bedeutendere Rolle zu spielen begann. Anzeigen und Klagen über das Treiben der Zioniten waren schon wiederholt bei der reformirten Generalsynode von Jülich-Berg und Cleve angebracht worden, hatten aber zu keinem Resultat geführt; als später von Seiten der Generalsynode energischer gegen Ronsdorf vorgegangen wurde, wußte sich E., der die Beamten im preußischen Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten für sich gewann, in Berlin Schutz zu verschaffen (Preußen hatte vertragsmäßig das Recht und die Pflicht, bei etwaiger Unterdrückung von Protestanten in Jülich und Berg zu interveniren): E. erwirkte wiederholt königliche Erlasse zu seinen Gunsten, ja 1746 wurde Wülffing zum preußischen Consistorialrath cum voto et sessione auf der Generalsynode ernannt und 1749 E. zum Agenten und Vorsteher sämmtlicher protestantischen Glaubensgenossen bestellt, durch welchen „die vorfallenden Religions-Beschwerden“ in Berlin vorzubringen waren. Als die Anklagen sich häuften und wirklich durch eine von der preußischen und kurpfälzischen Regierung verordnete Untersuchungs-Commission manches Bedenkliche an den Tag kam, war der Einfluß der Ronsdorfer in Berlin doch noch mächtig genug, so daß zunächst nur auf die Absonderung Ronsdorfs von der bergischen Synode und Anerkennung seiner Selbständigkeit erkannt wurde (1754). Inzwischen hatte man in Ronsdorf Schleyermacher gewaltsam von der Kanzel verdrängt und zur Entsagung gegen eine Entschädigungssumme von 5000 Thlr. genöthigt. Seitdem zerfiel die Gemeinde in zwei Parteien, deren eine E. und Wülffing unbedingt ergeben blieb, während die andere, an Zahl zwar bedeutende, aber unterdrückte, theils verzog, theils in kirchlicher Beziehung sich zu dem nahen Kronenberg hielt.

[52] Als E. 16. Mai 1750 an der Wassersucht starb, trat sein Stiefsohn Bolckhaus allein als Leiter der äußeren Angelegenheiten an die Spitze der Secte, und die schon früher als Prophetin aufgetretene Tochter Eller’s, Sarah, setzte ihre göttlichen Aussprachen zunächst in dem Sinne eifrig fort, daß sie Bolckhaus und Wülffing im Kampf gegen die andere Partei zu stärken suchte. Vor allem war man bestrebt, Schleyermacher, der im nahen Elberfeld zu gefährlich schien, unschädlich zu machen. Durch die boshaftesten Verläumdungen und Bestechung von hohen Beamten in Mannheim wurde wirklich erreicht, daß gegen Schleyermacher, einen Candidaten Knevels, der öffentlich in Schriften und bei der Synode wider die Zioniten aufgetreten war, sowie zwei andere Gegner derselben eine Untersuchung wegen Gotteslästerung, Hexerei und sonstiger Verbrechen eingeleitet und ihre Verhaftung angeordnet wurde. Schleyermacher und Knevels wurden von Düsseldorf aus rechtzeitig gewarnt und entflohen nach Holland, die beiden andern wurden in der That verhaftet und erst nach ¾ Jahren aus dem Gefängniß entlassen.

Nachdem Ronsdorf 1754 aus der Synode ausgeschieden war, nahm der Verfall der Secte immer mehr zu, obgleich Wülffing durch ein Gesangbuch mit neuen Liedern, eine Liturgie, eigene Bibelübersetzung und einen Katechismus die Gemeinde selbständig zu constituiren und in einer Reihe von Schriften Lehre und Leben derselben zu vertheidigen bemüht war. Zuletzt entstand ein Streit zwischen den Familien E. und Bolckhaus: Wülffing selbst zerfiel mit Bolckhaus und wurde auf dessen Betreiben von der Düsseldorfer Regierung suspendirt. Nun begannen die Verhandlungen um Wiederaufnahme der Gemeinde in die Synode, welche 31. Mai 1768 mit der Wahl eines neuen Predigers (Herminghaus) zu Stande kam. Wülffing starb in Dürftigkeit 1776. Eine gewisse Verbindung unter den Nachkommen und Anhängern der Zioniten hat sich bis auf den heutigen Tag erhalten: man scheint in ihren Kreisen zum Theil noch immer auf den endlichen Sieg der guten Sache zu hoffen. Im Allgemeinen aber sind die geordneten Verhältnisse der Gemeinde Ronsdorf seit 1768 nicht mehr durch die fortspukende Schwärmerei getrübt worden.

Die sorgfältigste und durchaus unparteiische Bearbeitung des massenhaften Materials s. bei M. Goebel, Gesch. des christl. Lebens in der rheinisch-westfälischen evangelischen Kirche III. S. 448. Dort sind auch sämmtliche Handschriften und gedruckten Quellen nachgewiesen.