ADB:Egloff, Luise
Fr. v. Matthisson auf einer Reise, die er im Gefolge des Herzogs Wilhelm von Würtemberg nach Italien machte, mehrere Wochen im Stadthof verweilte. Luise E. trug ihm ihre Gedichte vor und nahm seine wohlwollend gegebenen Bemerkungen um so dankbarer auf, als ihr dieselben erst eine klarere Einsicht in ihre bis jetzt unbewußt getriebene Kunstübung verschafften. Jedem Ehrgeize fremd, konnte sie nur schwer dazu vermocht werden, zuerst die Veröffentlichung einzelner und sodann einer Auswahl ihrer Gedichte zu gestatten. So erschien dann die Sammlung von einem befreundeten Lehrer herausgegeben unter dem Titel: „Gedichte der blinden Luise Egloff. Zum Besten der Bad-Armen“, Baden im Aargau 1823. – Eine neue bedeutsame Wendung in ihrem Dasein brachte der Verkehr mit dem „fahrenden Musikanten“ Joh. Dan. Elster, der am Ende der zwanziger Jahre als Musiklehrer in Baden angestellt war. Er unterrichtete sie im Gesang und Clavierspiel. Auch hier kamen ihr ungewöhnliche Naturgaben zu Hülfe. Zwei ihrer Liedercompositionen nebst sieben andern von Elster sind der zweiten, bedeutend vermehrten Auflage ihrer Gedichte beigegeben, welche neun Jahre nach ihrem Tode ein Verwandter, der bekannte Litterarhistoriker und Goethekenner Edward Dorer-Egloff, 1843 besorgte: „Luise Egloff, die blinde Naturdichterin. Zum Besten der Badarmen“. Wie die erste, so ist auch diese zweite Ausgabe mit ihrem Bildniß geziert und außerdem noch eine Ansicht [680] ihres väterlichen Hauses hinzugefügt worden. Dem Wesen der Verfasserin entsprechend, sind diese Lieder einfach und ohne Prunk, aber tief empfunden, von rhythmischem Wohllaut und meist wie zum Gesange geschaffen. Man merkt es jeder Zeile an, daß sie dem Grunde einer reingestimmten Menschenseele entquollen ist.
Egloff: Luise E., Dichterin, geb. 14. Febr. 1802 (nicht 1803), gest. 3. Jan. 1834. Ihr Vater war Besitzer des ansehnlichen, an der Limmat gelegenen Gasthauses zum Stadthof im aargauischen Baden, ihre Mutter eine praktische, bei allen Glücksgütern einfache und in stillem Wohlthun sich genügende Frau. Luise E. hatte das Unglück, bald nach ihrer Geburt derart zu erblinden, daß nur eines ihrer Augen einen schwachen Lichtschimmer ohne jeden Umriß wahrnehmen konnte. Sie trug ihr hartes, durch keine ärztliche Kunst abzuwendendes Loos mit freundlicher Ergebung und wußte sich zufolge einer friedsamen Seelenstimmung ihre dunklen Lebenstage möglichst angenehm zu gestalten. Nach dem achten Jahre verweilte sie achtzehn Monate in der Zürcher Blindenanstalt, und wie sie hier eifrig lernte, so suchte sie auch später, wo sich immer Gelegenheit bot, ihre Kenntnisse zu vermehren. Neben allerlei häuslichen Arbeiten beschäftigten sie schon früh poetische Versuche, welche sie aber lange geheim hielt, so daß nur ein Zufall den Befreundeten ihr Talent verrieth. Letzteres hatte sich bis dahin ohne jede Anleitung entwickelt; eine solche wurde ihr ungeahnt zutheil, als im J. 1819 der bekannte Dichter- Schindel, Die deutschen Dichterinnen des 19. Jahrhunderts III. 79–81. – Ed. Dorer in der Einleitung zur 2. Ausg. S. V–XXXVIII. – Vgl. Fr. Matthisson’s Erinnerungen in seinen Schriften. Ausgabe letzter Hand. Zürich 1829. Bd. 7. S. 161–163 und (J. D. Elster), Fahrten eines Musikanten. Herausgegeben von Ludw. Bechstein (3. Aufl.). Frankf. a. M. 1858. Bd. II. S. 166–169.