ADB:Eß, Leander van
Leist, schon früher wegen seiner litterarischen Thätigkeit begünstigt, wurde er durch ein königl. Decret vom 30. Juli 1812 zum außerordentlichen Professor der katholischen Theologie an der Universität Marburg und zum katholischen Pfarrer daselbst ernannt, womit auch die Stelle eines Mitdirectors des Schullehrerseminars verbunden war. Von der kurfürstlich hessischen Regierung wurde er unter dem 12. Juli 1814 zum außerordentlichen Professor an der Universität und Lehrer des katholischen Kirchenrechts ernannt. Außer Vorlesungen über katholisches Kirchenrecht kündigte er in den beiden ersten Semestern auch Vorlesungen über einzelne Materien der Kirchengeschichte an. Seine akademische Wirksamkeit in Marburg war natürlich nicht bedeutend; sehr beliebt war er dort als Prediger. 1818 wurde er Doctor der Theologie und des canonischen Rechts. Unter dem 24. April 1822 auf sein Ansuchen aus seiner Stellung in Marburg entlassen, lebte er zuerst zu Darmstadt, dann zu Alzey und an einigen anderen Orten. Er starb am 13. Oct. 1847 zu Affolderbach im Odenwald. – E. hat sich hauptsächlich bekannt gemacht durch seine Bemühungen um die Uebersetzung der Bibel und um die Verbreitung derselben unter dem Volke. In letzterer Beziehung wirkte er anfangs in Verbindung mit der katholischen Bibelgesellschaft zu Regensburg, nach deren Aufhebung in Verbindung mit der britischen und ausländischen Bibelgesellschaft, deren Agent er bis 1830 war, wo in Folge des Beschlusses der Gesellschaft, keine Bibeln mit „Apokryphen“ zu verbreiten, sein Verhältniß zu ihr gelöst wurde. Von 1808–24 veröffentlichte er sechs Broschüren über die Pflicht und den Nutzen des Bibellesens (s. die Titel bei Scriba I. 95; der Broschüre: „Ihr Priester, gebet und erkläret dem Volke die Bibel“, 1824, ist ein „Generalabrechnungsschluß über die verbreiteten h. Schriften und milden Gaben“ vom 1. Oct. 1824 beigefügt). Im J. 1807 erschienen zu [379] Braunschweig „Die h. Schriften des N. T., übersetzt von Karl und L. v. E.“ (auch der Pastor Drewes zu Detmold hatte daran mitgearbeitet; später wird Karl v. E. nicht mehr auf dem Titelblatte genannt), „mit Gutheißung des bischöflichen Vicariats zu Hildesheim“ (die Exemplare für Protestanten mit dem gutheißenden Urtheil des Oberhofpredigers Reinhard zu Dresden). Die Uebersetzung wurde 1815–17 von mehreren Bischöfen und bischöflichen Ordinariaten und von den theologischen Facultäten zu Freiburg und Würzburg approbirt, erschien in einer Reihe von Auflagen (s. Scriba I. 95) und wurde in vielen tausend Exemplaren verbreitet. – Später gab E. unter Mitwirkung seines früheren Zöglings H. J. Wetzer (später Professor in Freiburg) auch „Die h. Schriften des A. T., mit beigesetzten Vergleichungen der lateinischen Vulgata und erklärenden Parallelstellen übersetzt“ heraus: der erste Theil (die historischen Bücher) erschien 1822, der zweite Theil erst 1836, die ganze Uebersetzung 1838–40 (Prachthandausgabe der ganzen h. Schrift 1838–40). E. übersetzte die Bibel aus den Grundtexten, nicht, wie sonst bei den Katholiken üblich, aus der Vulgata. Damit hängen seine Arbeiten über die Vulgata zusammen. 1814 setzte er, um die Frage zu beantworten: „Soll, muß bei Katholiken die Vulgata oder der Grundtext übersetzt, und darf von Layen die Uebersetzung aus diesem oder aus jener gelesen werden?“ einen Preis von 16 Louisd’or aus für die beste, von einem katholischen Geistlichen bearbeitete „kritische Geschichte der Vulgata im Allgemeinen und zunächst in Beziehung auf das Trientische Decret“. Von den fünf eingelaufenen Arbeiten wurde von der theologischen Facultät zu Freiburg am 31. Dec. 1816 derjenigen der Preis zuerkannt, welche E. selbst verfaßt hatte. Er vertheilte die Preissumme unter drei seiner Mitbewerber. Die Preisschrift wurde erst 1824 zu Tübingen veröffentlicht: „Pragmatisch-kritische Geschichte der Vulgata im Allgemeinen, und zunächst in Beziehung auf das Trientische Decret. Oder: Ist der Katholik gesetzlich an die Vulgata gebunden?“ Schon 1816 aber veröffentlichte E.: „Pragmatica doctorum catholicorum Tridentini circa Vulgatam decreti sensum necnon licitum textus originalis usum testantium historia.“ Letztere Schrift ist nur eine Sammlung von Auszügen aus katholischen Theologen, und auch die erstere hat jetzt nur noch als bequeme Materialiensammlung Werth (das meiste Material ist übrigens aus H. Hody’s Werk „De bibliorum textibus originalibus, versionibus etc.“ entnommen). E. besorgte auch eine Stereotypausgabe der Septuaginta (Leipzig 1824), eine Ausgabe der Vulgata (1822–24) und eine Ausgabe des griechischen N. T. mit daneben stehender Vulgata (1827). Charakteristisch für seine kirchliche Richtung sind noch die Schriften: „Rechtfertigung der gemischten Ehen zwischen Katholiken und Protestanten in statistisch-kirchlicher und moralischer Hinsicht, von einem katholischen Geistlichen, mit Vorrede von L. v. E.“, 1821; „Wesenlehren des christlichen Glaubens und Lebens, für Verstand und Herz aufs einleuchtendste und überzeugendste dargestellt. Eine Auswahl von neun Reinhardischen Predigten“, 1823.
Eß: Leander van E. (seine Taufnamen waren Johann Heinrich; er führte aber später immer seinen Ordensnamen Leander), geb. am 15. Febr. 1772 zu Warburg in Westfalen, besuchte das dortige Dominicanergymnasium und trat 1790 als Novize in die einige Meilen von seiner Vaterstadt entfernte Benedictinerabtei Marienmünster im Fürstenthum Paderborn. 1796 wurde er zum Priester geweiht; von 1799 an verwaltete er von der Abtei aus die eine Stunde von derselben entfernte Pfarrei Schwalenberg im Fürstenthum Lippe. Nach der Aufhebung der Abtei im J. 1802 blieb er Pastor in Schwalenberg bis 1812. Von dem damaligen Generaldirector des Unterrichts im Königreich Westfalen,- H. E. Scriba, Biographisch-literärisches Lexikon der Schriftsteller des Großherzogth. Hessen, 1. Abth. (Darmst. 1831), S. 94–97. N. Nekrolog XXV (1847), S. 652–654.