ADB:Dorothea
Friedrich Wilhelm, geb. 28. Sept. 1636, † 6. Aug. 1689, war die Tochter des Herzogs Philipp von Holstein-Glücksburg; 17 Jahre alt war sie mit dem Herzog Christian Ludwig von Lüneburg vermählt worden; die Ehe war, wie behauptet wurde, nicht glücklich und blieb kinderlos. Nachdem dieselbe 1665 durch den Tod des Herzogs gelöst worden war, vermählte D. sich im Juni 1668 mit dem Kurfürsten Friedrich Wilhelm von Brandenburg, der ein Jahr vorher seine erste Gemahlin, die oranische Louise Henriette, verloren hatte, und erst durch diese zweite Verbindung hat sie eine gewisse allgemeinere Wichtigkeit erlangt. Eine Frau, soviel man sieht, von etwas nüchtern praktischer Art und ohne hervorragende Gaben des Geistes und Herzens, konnte sie dem Kurfürsten die begabte gemüthvolle Gefährtin seiner jüngeren Jahre nicht eigentlich ersetzen; doch gewann sie seine Dankbarkeit als treue, hingebende Genossin, die ihn auf seinen Reisen und Feldzügen unermüdlich begleitete und dem später oft von körperlichen Leiden heimgesuchten eine sorgsame Pflegerin war. So war die Ehe eine ziemlich glückliche; auch daß D. alsbald nach ihrer neuen Vermählung ihrem bisherigen lutherischen Bekenntniß entsagte und zur reformirten Lehre übertrat, brachte sie dem Kurfürsten näher; der Glaube war verbreitet, daß D., wie in vielen anderen Dingen, so auch selbst in politischen Angelegenheiten nicht ohne Einfluß sei, und bei den viel verschlungenen Händeln der 70er und 80er Jahre bemühten sich die auswärtigen Mächte, die den brandenburgischen Hof für sich zu gewinnen wünschten, oft wetteifernd, auch die Gunst der Kurfürstin durch große Geldgeschenke, die sie ihr darbrachten, zu erwerben. D. galt dafür, eine gute Haushälterin zu sein, und sie verstand es, im Interesse ihrer bald zahlreichen Kinder das Ihrige zu mehren und zusammenzuhalten; ein großes Grundstück, das ihr der Kurfürst schenkte, wandte sie dazu an, einen neuen Stadttheil in Berlin anzulegen, indem sie es in Bauplätze zertheilte und [356] diese an Baulustige verkaufte; so entstand die „Dorotheenstadt“ und zur Verschönerung derselben die große Lindenallee, die nachmals die vornehmste Hauptstraße der Residenz werden sollte und in der D. selbst den ersten Baum gepflanzt hat. Reicher Kindersegen wurde der Ehe noch zu Theil; von 1669–77 sind dem Kurfürsten noch 4 Söhne und 3 Töchter geboren worden. Um so weniger aber gelang es D., zu ihren Stiefkindern aus der ersten Ehe des Kurfürsten ein gutes Verhältniß zu gewinnen. Die Zerwürfnisse scheinen früh begonnen zu haben; in den letzten Jahren Friedrich Wilhelms steigerten sie sich zu immer heftigerer Feindseligkeit, besonders mit dem jetzigen Kurprinzen Friedrich; es fehlte nicht an höfischen Zwischenträgern, die Vergnügen und Vortheil dabei fanden, den Familienhader immer mehr zu verbittern; bald kamen Gerüchte auf von Vergiftungsplänen, mit denen die Kurfürstin sich trage, um die Kinder erster Ehe aus dem Wege zu räumen und ihre eigene Descendenz an die Nachfolge zu bringen; als im April 1687 der zweite noch übrige Sohn aus erster Ehe, Markgraf Ludwig, unter auffallenden Umständen sehr plötzlich starb, nahm sein Bruder, der Kurprinz Friedrich, es als sicher an, daß D. dabei die Hand im Spiele gehabt habe; er glaubte sich selbst am Berliner Hofe des Lebens nicht mehr sicher, begab sich mit seiner Gemahlin nach Hannover, verweigerte die Rückkehr und machte so das innere Familienzerwürfniß zu einem offenkundigen Scandal; erst nach einiger Zeit, auf den kategorischen Befehl des Vaters, kehrte er nach Berlin zurück. Es ist bei der Lückenhaftigkeit des vorhandenen Materials schwierig, diesen peinlichen Verwicklungen, deren sich Scandalsucht und Hofklatsch natürlich sofort bemächtigten, ganz auf den Grund zu sehen und die vermuthlich auf beiden Seiten zu findende Schuld gerecht zu vertheilen. Wir sind nach dem, was uns vorliegt, kaum in der Lage, mit völliger Sicherheit darüber zu entscheiden, ob D. solcher Pläne fähig war, wie sie ihr von den Gegnern zugetraut wurden; jedenfalls aber kennen wir den Charakter Friedrichs III. genügend, um zu wissen, daß er höfischen Zuträgereien und Intriguen in hohem Grade zugänglich war. In einem Punkte wenigstens ist von dem Andenken Dorothea’s jüngst ein dunkler Schatten hinweggenommen worden: in Bezug auf ihre Betheiligung bei der berufenen Angelegenheit des Testamentes des großen Kurfürsten. Im Gegensatz zu den bisher geglaubten Erzählungen, die besonders auf den ganz unzuverlässigen Memoiren von Pöllnitz beruhten, hat man darauf hingewiesen, daß die vermeintliche, auf eine Zerstückelung des brandenb. Staates und auf die Theilung der Souverainetät zu Gunsten der Söhne zweiter Ehe gerichtete Tendenz des Testamentes von 1686 in der That niemals in den Absichten des Kurfürsten Friedrich Wilhelm gelegen hat, daß also auch der gegen D. erhobene Vorwurf, daß sie die Nachgiebigkeit ihres Gemahls zu diesen staatsverderblichen Anordnungen überredet habe, in sich zusammenfällt; sie wird bei den Verfügungen, die dieses Testament ja allerdings zu Gunsten ihrer Söhne enthält, gewiß ihren Einfluß geltend gemacht haben, aber dieselben waren viel harmloserer Natur als man bisher angenommen hat. Als der Kurfürst Friedrich Wilhelm 1688, gestorben war, cassirte bekanntlich sein Sohn und Nachfolger sofort das Testament, ohne daß jedoch dieser Gewaltstreich zu weiteren Irrungen in der Familie Anlaß gab. Friedrich III. bedachte seine Stiefbrüder in angemessener Weise mit reichlichen Apanagen und auch der Kurfürstin D. ward ein Wittwengehalt ausgesetzt, der ihren Ansprüchen genügte. Sie sollte davon nur kurze Zeit Gebrauch machen. Um ihre angegriffene Gesundheit wieder herzustellen, begab sie sich im Frühjahr 1689 nach Karlsbad und dort ist sie nach kurzem Krankenlager am 6. August desselben Jahres gestorben.
Dorothea, Kurfürstin von Brandenburg, die zweite Gemahlin des großen Kurfürsten- v. Orlich, Geschichte des preuß. Staates im 17. Jahrhundert (Berlin 1838 ff.). Urkunden und Actenstücke zur Gesch. des Kurf. Friedrich Wilhelm [357] von Brandenburg, Bd. III. (Berlin 1866). Droysen, Das Testament des großen Kurfürsten (Abhandl. d. sächs. Ges. d. Wiss. Bd. V. Leipzig 1866).