ADB:Colloredo-Waldsee, Rudolph Fürst von
Grafen Gundacker von Starhemberg ist wol sein rasches Emporkommen hauptsächlich zuzuschreiben. In verhältnißmäßig sehr jungen Jahren bekleidete er bereits hohe Stellungen und Würden, und wurde mit wichtigen Aufträgen nicht nur in inneren Landesangelegenheiten, sondern auch in auswärtigen Geschäften betraut. Schon das Jahr 1728 brachte seine Ernennung zum wirklichen Reichshofrathe. Im J. 1731 kurböhmischer Comitialgesandter zu Regensburg, versah er in den folgenden Jahren kaiserliche Gesandtschaftsposten bei verschiedenen Kurfürsten, Fürsten und Kreisen des deutschen Reiches. Wir finden ihn als speciell bevollmächtigten Minister bei den associirten fünf Reichskreisen und als kaiserlichen Commissär bei der Augsburger Bischofswahl. Während des im J. 1733 ausgebrochenen Krieges bewährte er sich mit solcher Geschicklichkeit in kaiserlichen Diensten, daß er nach geschlossenem Frieden als Commissär zur Bestimmung und Ausgleichung der Reichsgrenzen gegen Lothringen [421] aufgestellt wurde. Am 7. Februar 1735 mit der Würde eines geheimen Rathes bekleidet, legte er am 27. Mai 1737 den Eid als Reichsvicekanzler ab und wurde am 17. August desselben Jahres mit Sitz und Stimme als erbliches Mitglied in der schwäbischen Reichsgrafenbank aufgenommen. Maria Theresia sandte ihn alsbald nach ihrem Regierungsantritte an die geistlichen Höfe von Mainz, Köln und Trier, um die Stimmen dieser Kurfürsten ihrem Gemahl bei der bevorstehenden Kaiserwahl zu gewinnen. Da dieselbe jedoch auf den Kurfürsten Karl Albrecht von Baiern fiel, legte C. im Jan. 1742 die Würde eines Reichsvicekanzlers nieder. Später war er eine der Mittelspersonen, deren sich der österreichische Hof bei den Versuchen, ein gütliches Abkommen mit Baiern anzubahnen, bediente. Bekanntlich gelang es damals nicht, die gewünschte Erklärung von Baiern zu erwirken. In den folgenden Jahren wurde er wiederholt zu wichtigen Berathungen beigezogen und erhielt am 6. Jan. 1744 den Orden des goldenen Vließes; im selben Jahre noch wurde er als ständiges Mitglied in die geheime Staatsconferenz berufen. Als Maria Theresia nach dem Tode Karls VII. neuerdings Schritte that zur Versöhnung mit Baiern, erhielt C. zu Anfang des Jahres 1745 den Auftrag, sich ungesäumt nach Augsburg zu begeben, um dort mit dem Fürsten von Fürstenberg Friedensverhandlungen zu eröffnen. Mit umfassenden Instructionen versehen, begab sich C. durch Steiermark und Kärnthen nach Innsbruck, wo er am 17. März ankam. Dort meinte er die zur Fortsetzung der Reise nach Augsburg erforderlichen Pässe vorzufinden. Diese Erwartung wurde jedoch getäuscht. Baiern weigerte sich plötzlich auf die beantragte Verhandlung einzugehen, denn in München hatte die französische Partei wieder vorübergehend die Oberhand gewonnen. Erst durch Batthyany’s Erfolge, der schon am 21. März die kriegerischen Operationen wieder aufgenommen hatte, erhielten die Bemühungen Colloredo’s die entscheidende Unterstützung. Am 12. April traf er in Füssen mit Fürstenberg zusammen, am Vormittag des 22. April 1745 unterschrieben hier Beide die Friedenspräliminarien, am 2. Mai wechselten sie die Ratificationen derselben zu Salzburg aus. Fünf Monate später fungirte C. als kurböhmischer Botschafter bei der Wahl des Kaisers Franz und wurde nach dem Rücktritte des Grafen Königsfeld am 7. October 1746 wieder zum Reichsvicekanzler ernannt. Diese Würde bekleidete er von nun an bis zu seinem Tode. Als Kaunitz im J. 1749 mit Anträgen hervortrat, welche für die Politik Oesterreichs einen vollständigen Systemwechsel und eine innige Allianz mit Frankreich herbeiführen sollten, fanden diese Gedanken einen entschiedenen Widersacher an dem Reichsvicekanzler C. In zwei „Erklärungen“ bekämpfte er die Ansichten des Grafen Kaunitz und stellte die Allianz mit England als die einzige für Oesterreich werthvolle und wünschenswerthe dar. Obwol vorahnend, daß die Kaiserin mehr zu den Plänen des Grafen Kaunitz neige, und im voraus überzeugt, daß er mit seinem Widerstande nicht durchdringen werde, verfocht er doch mit unerschrockenem Freimuthe seine Ueberzeugung. Besonders entschieden sprach er sich in seiner zweiten „Erklärung“ aus. Ihm erschien Frankreich als „Erbfeind, so zu sagen, von Anbeginn des Aufnahms der österreichischen Monarchie an“. Er konnte nicht glauben, daß die Scheelsucht des Hauses Bourbon gegen Oesterreich plötzlich aufgehört habe. So lange aber diese dauere, schien ihm jede Hoffnung unbegründet, daß Frankreich derart von Preußen zu trennen sei, um sich seiner zur Wiedererlangung der an Preußen verlorenen Provinz Schlesien zu bedienen. Er meinte, Frankreichs hauptsächliches Augenmerk sei dahin gerichtet, mit süßen, scheinbar friedlichen Worten alle Mächte einzuschläfern, sich Allianzen zu sichern, Zeit zu gewinnen und Kräfte zu sammeln, um im geeigneten Augenblicke zum empfindlichsten Nachtheile des Hauses Oesterreich hervor zu treten. Man könne gar nicht vorsichtig genug sein gegen die Kunstgriffe [422] Frankreichs. Allerdings müsse Oesterreich sich um Alliirte bekümmern. Doch seien seine natürlichen Bundesgenossen im deutschen Reiche zu finden. Er sieht den wahren Vortheil des österreichischen Kaiserhauses so innig verflochten mit dem des deutschen Reiches an, daß eines ohne das andere dauernd nicht wohl ungefährdet bestehen könne. Bekanntlich fiel die Entscheidung der Kaiserin zu Ungunsten der Meinung aus, die in den „Erklärungen“ Colloredo’s ihren Ausdruck fand. Die eigenthümliche Stellung des Reichsvicekanzlers als Minister des Kaisers – nicht der Kaiserin – mochte bei der auf ihre Machtfülle eifersüchtigen Monarchin eine gewisse Voreingenommenheit gegen C. erzeugt haben. Auch sonst war seine Haltung nicht ganz darnach angethan, ihm die Gunst der sittenstrengen Kaiserin zu sichern. Frauen und Spiel kosteten ihn große Summen. Trotz seiner bedeutenden Einkünfte gerieth er in Schulden. Sein froher Sinn, der sich durch keine Sorge in seinen Vergnügungen stören ließ, empfahl ihn dagegen dem Kaiser Franz, dem der leichte, heitere Verkehr mit dem Lebemanne behagte. Auch bei seinen Standesgenossen machte sich C. durch seine glänzende und gewinnende Lebens- und Umgangsweise beliebt. Wol wird ihm von Zeitgenossen Arbeitsunlust und daher blos oberflächliche Kenntniß der verwickelten Verhältnisse des deutschen Reiches zum Vorwurfe gemacht. Doch rühmen sie fast einstimmig seine Verstandesgaben, insbesondere seine leichte und und richtige Auffassungsweise. Zweifellos war seine ganze Amtsführung als Reichsvicekanzler von regem deutschen Vaterlandsgefühl beseelt. Vom Kaiser am 29. Dec. 1763 mit seiner männlichen Nachkommenschaft nach dem Rechte der Erstgeburt in den Reichsfürstenstand erhoben, erhielt er am 24. Dec. 1764 die böhmische Fürstenwürde, 1765 das ungarische St. Stephan-Ordensband. Im Juli 1777 feierte er nach 50jähriger Ehe seine goldene Hochzeit, wobei sein zweitgeborner Sohn Hieronymus, Erzbischof von Salzburg, die priesterliche Einsegnung verrichtete. Elf Jahre später starb er am 1. November 1788.
Colloredo-Mels u. Waldsee: Rudolf Joseph, Fürst v. C., geb. zu Prag 6. Juli 1706 als ältester Sohn des Grafen Hieronymus (geb. 1674, † 1726) und der Gräfin Johanna Carolina (geb. Gräfin Kinsky), † 1788, vollendete seine in Mailand, wo sein Vater Gouverneur war, begonnenen Studien zu Wien und Salzburg. Am 14. Juli 1727 feierte er seine Vermählung mit Maria Gabriela, Gräfin von Starhemberg. Dem Einflusse seines Schwiegervaters, des hochverdienten Staatsministers