Zum Inhalt springen

ADB:Clemens Wenzeslaus

aus Wikisource, der freien Quellensammlung

Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Clemens Wenceslaus“ von Franz Xaver Kraus in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 4 (1876), S. 309–314, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Clemens_Wenzeslaus&oldid=- (Version vom 21. Dezember 2024, 22:27 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
<<<Vorheriger
Clemens August
Band 4 (1876), S. 309–314 (Quelle).
[[| bei Wikisource]]
Clemens Wenzeslaus von Sachsen in der Wikipedia
Clemens Wenzeslaus von Sachsen in Wikidata
GND-Nummer 118640208
Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|4|309|314|Clemens Wenceslaus|Franz Xaver Kraus|ADB:Clemens Wenzeslaus}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=118640208}}    

Clemens Wenceslaus, letzter Erzbischof und Kurfürst von Trier, geb. 28. Sept. 1739 als königlicher Prinz von Polen, Herzog zu Sachsen, † 27. Juli 1812. Ursprünglich der militärischen Laufbahn bestimmt, war er 1760 zu Wien in kaiserliche Dienste getreten, in denen er es bis zum Rang eines General-Feldmarschall-Lieutenant gebracht, natürlich in Folge seiner Verwandtschaft mit dem Hofe; Josephs I. älteste Tochter Josepha war seine Mutter. Der Prinz nahm noch an der Schlacht bei Torgau Theil, wandte dann, zunächst wie es scheint, körperlicher Gebrechen halber, dem Waffenhandwerk den Rücken und entschied sich für den geistlichen Stand, der seinen Neigungen und seinem Temperament mehr zusagen mochte. Schon zwei Jahre nach Empfang der Tonsur (17. Mai 1761), zu Anfang 1763, stand er als Candidat für den erledigten Bischofsstuhl zu Lüttich dem Grafen Oultremont gegenüber: die Stimmen gaben den Ausschlag nicht und so fiel die Entscheidung an den Papst, welcher sich zu Gunsten des Grafen aussprach. Unterdessen waren aber dem Prinzen bereits zwei andere Bisthümer zugefallen: das von Freising (18. April 1763) und dasjenige von Regensburg (27. April 1763). Die Regierung von Freising, wo er wegen zu großer Jugend zunächst einen Coadministrator erhielt, trat er am 12. Sept. 1763, diejenige von Regensburg im Juni des folgenden Jahres an, am 1. Mai 1764 hatte er zum erstenmal als Priester das h. Opfer dargebracht. Am 5. Nov. desselben Jahres ward er zum Coadjutor von Augsburg gewählt, vollzog darauf die Trauung Josephs II. mit Marie Josepha von Baiern, sowie die des spätern Kaisers Leopold II. mit der spanischen Infantin Marie Luise (1765). Man sieht nicht, wie der Prinz Zeit gefunden habe, sich auf seine geistlichen Obliegenheiten vorzubereiten: er ist um jene Zeit fortwährend auf Reisen und Besuchen an den verwandten Höfen zu Wien, Paris, München, Dresden. Erst den 10. Aug. 1766 nahm er die Bischofsweihe und erhielt sofort ein Breve der Wählbarkeit als Coadjutor von Trier (September 1767). Schon war der Wahltag angesagt (19. Jan. 1768), als der Kurfürst Johann Philipp starb und es sich nun nicht mehr um den Coadjutor, sondern um die Wahl zum Kurfürsten handelte. Für diese kam neben ihm der Domdechant Freih. Karl Franz Boos v. Waldeck in Wurf, doch entschied die Empfehlung der Kaiserin Maria Theresia für ihren Vetter, der am 10. Febr. 1768 das Kurfürstenthum erhielt und am 20. Aug. desselben Jahres die Regierung übernahm. Freising und Regensburg durfte er bis zur Erledigung des Bisthums Augsburg beibehalten; zwei Jahre später ward er außerdem zum Coadjutor der fürstlichen Propstei Ellwangen erwählt. Es war keine leichte Würde, welche C. W. auf seine Schultern genommen. Sein Regierungsantritt fiel allerdings in verhältnißmäßig ruhige Zeiten: bald aber begann es auf dem politischen wie auf dem kirchlichen Gebiete in bedenklicher Weise zu gähren. Von allen Seiten traten die Vorboten einer Umwälzung auf, welche von allen deutschen Fürsten den Kurfürsten von Trier [310] zuerst betreffen und seiner und der Erzbischöfe Herrschaft für immer ein Ende machen sollte.

Die wichtigsten Thatsachen seiner mehr als 30jährigen Regierung sind nachstehende.

Wenige Tage nach der Huldigung verließ der Neugewählte Trier und bezog das erzbischöfliche Schloß in Ehrenbreitstein. Sofort begann er sich der Verwaltung mit Fleiß anzunehmen: sein Augenmerk war hauptsächlich auf die äußeren und politischen Verhältnisse gerichtet, während die geistliche Administration beinahe durchaus in den Händen des Weihbischofs und Generalvicars Nik. v. Hontheim (s. d.) lag. Am 10. Nov 1769 erschien eine Verordnung, die Verminderung der Feiertage betreffend, für welche als Beweggründe einmal die laue und schlechte Begehung derselben, dann die Noth des Handwerkers und Tagelöhners angeführt werden. Nicht weniger bezeichnend für die Richtung der neuen Regierung ist die seitens des Kurfürsten im Jahre 1769 an den Magistrat zu Trier gerichtete Anfrage, ob es nicht zur Beförderung des freien Handels sich empfehle, die Zünfte aufzuheben. Zu Trier aber wollte man von einer „wilden Gewerbefreiheit“ nichts wissen und sprach sich gegen die Aufhebung der Innungen aus. Vom 12. Aug. 1771 bis zum 1. Oct. verweilte C. W. in der Hauptstadt des Kurfürstenthums, wo die Bevölkerung seine Anwesenheit mit großen Festen beging. Ganz besondere Sorgfalt wandte er dem Unterrichtswesen zu. Er gab neue Verordnungen für die Universität. C. W. bezeichnete in denselben den Umfang der Lehrgegenstände in den verschiedenen Facultäten, Geist und Methode, wie sie seiner Ansicht nach den Zeitbedürfnissen entsprechen. Schon seine Vorgänger hatten sich gegen das nutzlose Parteigezänk der herabgekommenen Scholastik ausgesprochen, auch er forderte namentlich die Theologen auf, sich dessen zu enthalten und sich einer positiven Richtung zu befleißen. Dem durch häufige Verwendung der Professoren in der Praxis zum Theil herbeigeführten Verfall der juristischen Facultät suchte er durch eine Verfügung entgegenzutreten, welche die Rechtslehrer der Universität aus den Dikasterien entfernte. Sehr eingehende Verordnungen folgten für die Mittelschulen, welche damals noch unter den Jesuiten standen. Die bald darauf, 1773, verfügte Aufhebung der Gesellschaft Jesu nöthigte ihn zu einer vollständigen Neuorganisation des Schulwesens. C. W. soll den Untergang des Ordens beklagt und beim Erbrechen des päpstlichen Breves in die Worte ausgebrochen sei: Cecidit corona capitis nostri. Soviel ist gewiß, daß sein Verhalten bei dieser Veranlassung sehr mit demjenigen des Mainzer Kurfürsten contrastirte. In Mainz erlitten die schwerbetroffenen Ordensmitglieder eine geradezu brutale Behandlung, ihre Güter wurden zwecklos verschleudert. C. W. dagegen verwandte das nicht unbeträchtliche Gut der Gesellschaft zu entsprechenden Zwecken, namentlich zur Einrichtung und Unterhaltung der höhern Lehranstalten; seine Hofkammer zog nicht das geringste ein. In seinem Briefwechsel mit dem Landstatthalter Freih. v. Kesselstatt erklärte er: „er sei in allem nur darauf bedacht, in seinen Hof- und Erzstiftern solche Einrichtungen zu treffen, wodurch dem Staate und der Kirche alles Gedeihliche zugewendet werde, und die nunmehr aus ihrem Orden versetzten Jesuiten ebenermaßen das Merkmal erzbischöflicher Liebe und Sorgfalt zu verspüren hätten.“ Die ehemaligen Mitglieder des Ordens wurden nun als Weltgeistliche zumeist im Unterricht beibehalten, so daß die jesuitische Methode, soweit sie sich als zweckmäßig bewährt hatte, nur unwesentliche Umänderungen erlitt. Die bedeutendste Schöpfung, welche die Auflösung des Ordens in Trier nach sich zog, war die Stiftung des Clementinischen Priesterseminars (1773), dem anfangs die Räumlichkeiten des Jesuitennoviziathauses zugewiesen wurden; am 6. Oct. 1775 legte der Erzbischof dann den Grundstein zu einem neuen Seminargebäude [311] neben dem seit 1773 der Universität übergebenen Trinitätscollegium. Diesem Seminar wurden dann später sämmtliche Güter des Noviziathauses wie das Collegium ad s. Trinitatem incorporirt, so daß nach einer Rechnung von 1793 die Gesammteinnahmen desselben sich auf 24300 Rthlr. beliefen. Damit stand in Verbindung, daß für den Uebergang aus den Elementarschulen in die Gymnasien sog. Tirocinien, Vorbereitungsclassen, geschaffen wurden. Nicht minderer Berücksichtigung erfreute sich das Volksschulwesen. Schon durch den Kurfürsten Johann Hugo, der sich dasselbe sehr angelegen hatte sein lassen, war (1685) der Schulzwang eingeführt worden; die Schulpflichtigkeit der Kinder war vom 7. bis zum 11. Jahre normirt; unter Franz Georg war eine eigene Commission für die Prüfung der Lehrer niedergesetzt und Neben- und Winkelschulen, d. i. solche, die von nicht approbirten Lehrern gehalten würden, streng untersagt worden: kurz die Staatsschule in bester Form. C. W. beauftragte zu wiederholten Malen, 1779 und 1784, eigene Commissionen mit der Untersuchung des Zustandes seiner Schulen. Alle Lehrer wurden dieser Commission unterstellt, auch die Mitglieder der Orden konnten erst als Lehrer verwendet werden, wenn die Commission über ihre Befähigung erkannt hatte: Einrichtungen, die gewiß interessant sind, wenn es sich um diese Beurtheilung der heutigen Parteinahme gegen die analogen Principien unserer Staatsschule handelt. Am 22. Oct. 1784 fand die Gründung einer Normalschule, d. h. einer Vorbereitungsschule für Lehrer und Lehrerinnen, zu Coblenz, statt, deren Besuch auch den künftigen Geistlichen anempfohlen wurde, damit sie sich die Methode des Unterrichts aneignen möchten. Es verdient hervorgehoben zu werden, daß nach Clemens Wenceslaus’ ausdrücklichem Willen die Landwirthschaft einen namhaften Raum in dem Rahmen der Unterrichtsfächer dieses Schullehrerseminars einnahm. In welcher, moderne Verhältnisse geradezu beschämenden Weise für die materielle Lage der Lehrer gesorgt wurde, mag bei J. Marx, Gesch. des Erzst. Trier V, 66 f. nachgelesen werden. Um endlich die Mittel zur Hebung des gesammten Schulwesens zu erhalten, gründete der Kurfürst 1782 einen allgemeinen Schulfonds, zu welchem Zwecke er zwar nicht wie Joseph II. und der Erzbischof von Mainz Klöster aufhob, wol aber den reichen Abteien sog. freiwillige jährliche Beiträge auferlegte, die sich auf mindestens 12000 Rthlr. beliefen. Die Aebte waren mit dieser Auflage keineswegs einverstanden, mußten sich aber schließlich fügen, auch derjenige von St. Maximin, wo es anfangs den erzbischöflichen Visitatoren gegenüber zu ärgerlichen Auftritten kam und die ehemals beanspruchte, 1570 aberkannte Reichsunmittelbarkeit nochmals, wenn auch vergebens angerufen wurde. Seit dem J. 1776 hatte sich auf Anregung des Kanzlers La Roche bei dem Kurfürsten der Gedanke an einen neuen Palastbau in Coblenz entwickelt: die Landstände des Obererzstiftes weigerten sich, Subsidien zu zahlen, da sie noch nicht lange vorher den neuen Palast in Trier gebaut hatten. Indessen drang doch schließlich der Erzbischof durch und erhielt 185000 Rthlr. von den Ständen; der Bau kostete aber mehr als das doppelte und nöthigte C. W. zu Anleihen, welche noch bis tief in die Zeit des preußischen Besitzes der Residenz (des jetzigen königlichen Schlosses in Coblenz) zu Verwicklungen Anlaß gaben. Man kann nicht behaupten, daß dieser Bau die Popularität des Kurfürsten gemehrt habe: er galt für Verschwendung in einem Lande, das mit einer Million Schulden belastet war, wo die kurfürstliche Kammer selbst nur durchschnittlich 320000 Rthlr. Einkünfte und 150000 Rthlr. Passiva hatte. Sehr beachtenswerth ist eine Verfügung vom Mai 1778, welche die Beerdigung der Todten vom medicinischen Standpunkte aus regelte, die Beisetzung in den Kirchen verbot und den Kirchhöfen eine von den Wohnorten entfernter gelegene Stelle zuwies. In dasselbe Jahr (1. Juli) fällt ein Vertrag mit dem König von Frankreich, wodurch beide [312] Nachbarn verschiedene an der Saargrenze gelegene Ortschaften austauschten. Das J. 1783 brachte ein kurfürstl. Toleranz-Edict, als dessen Motive bezeichnet werden: „daß eines Theiles durch die Entfernung alles Scheines des Verfolgungsgeistes unsere h. Religion verehrungswürdiger gemacht werde; anderntheils aber durch Niederlassung reicher Handelsleute und Fabrikanten das inländische Commercium befördert, der müßige Bettler beschäftigt, und fremder Reichthum in das Vaterland gebracht werden möchte.“ Um dieselbe Zeit ward der alte Gebrauch des „Palmesels“ in Trier abgeschafft, gegen Mißbräuche bei Processionen eingeschritten. Eine zweckmäßige Verordnung galt der Vorbeugung der Brandesgefahr, eine andere der Errichtung einer Brand-Versicherungs-Anstalt, die bezeichnend genug in Trier lange gar keinen Anklang fand. Denselben Geist einer liberalen Regierung athmet die Verordnung von 1786 „zur Aufmunterung des Landmannes, besonders wegen Urbarmachung öder Ländereien und Gründe“. Zwistigkeiten, welche 1787 und 1788 zwischen den städtischen Behörden und den Zünften zu Trier ausgebrochen waren, führten 1789 zu einem förmlichen Aufruhr der Zünfte gegen die kurfürstliche Regierung und zu Scenen (4. Sept. bis 29. Oct.), welche den Einfluß des aus Frankreich eindringenden revolutionären Geistes verriethen. Der Kurfürst benahm sich bei dieser Gelegenheit ebenso fest als human.

Als Kirchenfürst hat C. W. keine großen Lorbeern davon getragen: seine kirchliche Politik ermangelte der Einheit und Klarheit. Eine einfache Zusammenstellung der bedeutendsten Ereignisse rechtfertigt diese Behauptung. Bekannt ist die Stellung, welche er seinem Weihbischof Nikolaus v. Hontheim gegenüber einnahm; bekannt, wie er sich bemühte, denselben zu einem Widerruf zu bewegen und wie schließlich seine Anstrengungen allerdings von Erfolg gekrönt waren (1779), aber von einem Erfolg, der weder für Hontheim selbst, noch für den Kurfürsten oder die Curie ehrenvoll genannt werden kann. Es ward nur zu bald offenbar, daß die angebliche „Bekehrung“ des Febronius eine große Lüge war, eine Komödie, zu der sich der Autor aus Rücksichten auf seine Familie verstanden, zu der C. W. aber aus Schwachheit oder vielmehr aus Gutmüthigkeit sich hergeliehen hatte. Er wollte der Curie gegenüber seine Pflicht als Bischof erfüllen, aber auch seinen Weihbischof schonen und ihm wie dessen Verwandten das Verbleiben in ihren Aemtern ermöglichen. Man hat neuerdings dem Kurfürsten vorgeworfen, selbstsüchtige Motive hätten ihm seine Politik gegen Febronius auferlegt: er habe der Curie bedurft, um Dispens wegen seiner Pfründencumulation zu erhalten. Ich vermisse dafür den Beweis, und was die fragliche Dispens (wegen des Bisthums Augsburg) anlangt, so war über dieselbe meines Wissens längst vor Ausbruch der febronianischen Streitigkeiten entschieden. Die Sache erklärt sich einfacher. Ein Exjesuit Namens Beck war in Augsburg Generalvicar von C. W. geworden: ein Mann von streng curialistischen Anschauungen, der großen Einfluß auf den Erzbischof zu gewinnen wußte. Als Joseph II. sein Toleranzedict, das Verbot der päpstlichen Bulle Unigenitus erlassen und das Placetum eingeführt, trat, eben auf Veranlassung dieses Beck, C. W. mit seinem kaiserlichen Vetter in eine Correspondenz ein (1. Juni 1781), in welcher er den Kaiser um Zurücknahme dieser gegen die heiligsten Rechte der Kirche gerichteten Verfügungen bittet: man merkt es dem Schreiben (Marx a. a. O. S. 132 ff.) an, daß Beck der Redactor desselben gewesen, was auch Joseph II. in seiner übrigens unwürdigen, desultorischen Antwort vom 25. Juni aus dem Feldlager bei Hloppetin geradezu ausspricht. Der Bischof von Augsburg erwiederte das kaiserliche Handschreiben in ernster, wehmüthiger Weise. Zu weiterm Zerwürfniß führte die kaiserl. Ordonnanz vom 25. Dec. 1781, die Aufhebung der päpstlichen Ehedispense betreffend, in welcher Angelegenheit C. W. [313] in Verbindung mit dem Erzbischof und Cardinal von Mecheln der kaiserlichen Politik entschiedenen Widerstand entgegensetzte. In jene Zeit fällt der Besuch Pius’ VI. in Augsburg, wo ihn C. W. am 2. Mai 1782 empfing. – Mit der bis dahin geübten kirchlichen Politik steht diejenige in ziemlich directem Gegensatze, welche der Kurfürst wenige Jahre später entfaltete. In Dingen der Augsburger Diöcese scheint Beck’s Einfluß fortgedauert zu haben; in den großen kirchlichen Fragen der Zeit überließ sich C. W. jetzt viel mehr der Leitung des Fürsterzbischofs von Salzburg und damit im Grunde den von ihm selbst verurtheilten febronianischen Ideen. Als 1777 Maximilian von Baiern gestorben und sein Nachfolger Karl Theodor, Kurfürst von der Pfalz, dem Papst gegenüber den Wunsch aussprach, es möge in seiner Residenz München eine Nuntiatur errichtet werden, traten die vier Erzbischöfe von Köln, Trier, Mainz und Salzburg zusammen und erklärten, nunmehr keinen Nuntius mehr annehmen und anerkennen zu wollen. Der Kaiser stellte sich sofort auf die Seite der Remonstranten. Als nun gleichwol Zollio und Pacca im Mai 1786 in Deutschland ankamen, ließen die Erzbischöfe zu Ems in Nassau einen Congreß abhalten, der die bekannten 22 Punctationen im febronianischen Geiste aufstellte (25. Aug. 1786). C. W. war hier durch den Coblenzer Official Ludw. Jos. Beck, einen gebornen Mainzer, Namensvetter, aber nicht Gesinnungsgenossen des Augsburger Generalvicars, vertreten. Wunderlich war jetzt die Stellung desselben. Als Bischof von Augsburg sprach er sich gegen die Emser Punctationen aus und suchte nach wie vor in Rom um die Quinquennalfacultäten nach, während er sich als Erzbischof von Trier den übrigen Metropoliten anschloß. Namentlich den Klöstern und Orden gegenüber, deren Reform er seit 1785 einleitete, handelte er ganz im Geiste des Congresses, ebenso bei seinem Verbote der Processionen. Aber der Tod Josephs II. und[WS 1] dessen Mißerfolge auf dem Gebiete der religiösen Reform, der Sturm, der von Westen her sich erhob, der Geist der Empörung, der sich allenthalben regte, machten den Kurfürsten nachdenklich und bewogen ihn, von dem eingeschlagenen Wege wieder abzulenken. Im Januar 1790 gestattet er die Processionen wieder, im Februar eröffnet er seiner Diöcese, daß er von den Emser Punctationen zurücktrete und die Ehedispense wieder bei dem Papste einhole. Er begnügte sich damit nicht, sondern suchte die übrigen Theilnehmer an dem Congresse zu ähnlicher Retractation zu bewegen. Eine Menge im Anschluß an die Emser Vereinbarung getroffener Verordnungen wurden im April desselben Jahres zurückgenommen. Pacca’s Wort, der die Erzbischöfe an den Untergang ihrer eigenen Herrschaft gemahnt hatte, schien ihn nicht mehr ruhen zu lassen. Aengstlich verfolgte er die in den Städten hervortretenden revolutionären Neigungen. Die Reformen im Schulwesen wurden 1790 eingestellt, nach den Septembertagen 1793 ließ der Kurfürst die Lesegesellschaften zu Trier und Coblenz schließen, über die Presse und Litteratur wurde strenge Censur verhängt.

Das Kurfürstenthum Trier war bei seiner Lage als Grenzland den Folgen der französischen Revolution in hohem Grade ausgesetzt. Die nahe Verwandtschaft seines Fürsten mit dem französischen Hofe kam hinzu, um den Strom der Emigranten nach dem Trier’schen zu leiten, und die Residenz des Erzbischofs zum Mittelpunkt der Royalisten zu machen. Am 9. Aug. 1794 rückten die republicanischen Truppen in Trier ein, am 9. Febr. 1801 ward der Vertrag zu Luneville unterzeichnet, durch welchen das linke Rheinufer an Frankreich abgetreten wurde. Ein Schreiben Clemens Wenceslaus’, von Dresden aus an den Weihbischof v. Pidoll gerichtet (7. März 1801, vgl. Marx a. a. O. 415), zeugt von der schönen würdigen Gesinnung des entthronten Fürsten. Das Concordat von 1801 enthob denselben zugleich von seiner Würde als Erzbischof: am 17. Juli [314] 1802 ernannte ein Decret des ersten Consuls Karl Mannay zum Bischof von Trier. Der Reichsdeputationshauptschluß von 1803 beraubte C. W. auch der rechtsrheinischen Theile seiner Kurlande, ebenso des Hochstifts Augsburg, welches an Baiern, und der gefürsteten Propstei Ellwangen, welche an den Herzog von Würtemberg fiel. Zur Entschädigung wurde ihm eine Pension von 100000 Gulden und Wohnung im bischöflichen Schlosse zu Augsburg zugesprochen. Auch jetzt fuhr er fort, für seine frühern Beamten und Diener Sorge zu tragen und an den Schicksalen seines ehemaligen Fürstenthums und besonders der Stadt Coblenz innigen Antheil zu nehmen. Am 27. Juli 1812 starb er zu Oberndorf im Algäu und wurde seiner Verfügung gemäß ohne Leichenrede und Gepränge auf dem gewöhnlichen Kirchhof daselbst beerdigt.

Das Privatleben des Kurfürsten war rein und makellos; von den Zuständen an seinem Hofe hat Dominicus eine treffliche Schilderung entworfen. C. W. war ein Mann von vielseitiger Bildung, feinen Formen, von fürstlichem Anstand, seine Erholung suchte er nur in edlern Genüssen, namentlich der Musik, für welche er leidenschaftlich eingenommen war. Coblenz wurde unter ihm zu einem Mittelpunkt musikalischer Leistungen: musikalische Messen in den Kirchen, in der Fastenzeit Oratorien, wechselten mit Concerten, bei denen auch die Herren und Damen vom Hofe mitwirkten. Die häufigen Besuche hoher Verwandten und Gäste belebten die Residenz, der bleibende Aufenthalt der Prinzessin Kunigunde, der Schwester des Erzbischofs, gab seinem Hofe seit 1769 den bisher entbehrten Reiz einer edlen Häuslichkeit; die Schwester ersetzte durch ihre Charakterfestigkeit nicht selten, was dem Bruder in dieser Hinsicht abging. C. W. war wie gesagt, eine weiche Natur, die von seiner Umgebung wenigstens ebenso oft abhing, als jene von ihm, die sich leicht Andern anvertraute und darum leicht getäuscht wurde. Einfach in dem, was seine Person beanspruchte, liebte er Prachtentfaltung und Glanz, wo er als Fürst auftrat. Ein strenges, fast ängstliches Pflichtgefühl läßt sich ihm nicht abstreiten: uneigennützig, einem hohen Hause entstammend, suchte er seine Kurlande nicht für sich oder seine Familie auszunutzen, sondern vielmehr sein eigenes Gut zum Besten des Landes zu verwenden. Soweit ein Urtheil möglich ist, muß er als ein überzeugungstreuer, wirklich frommer Priester erscheinen; mehr als die meisten geistlichen Fürsten jener Zeit ließ er sich auch kirchliche Dinge angelegen sein, übte er die kirchlichen Functionen aus. Seine Wohlthätigkeit, wie er sie bei Brand, Ueberschwemmungen, Eisgängen (1784, 1789) an ganzen Orten und Gegenden erwies, war über alles Lob; im Verkehr war er heiter und liebenswürdig. Der damals um sich greifenden Aufklärung war er, soweit seine kirchliche Stellung es zugab, nicht abgeneigt, den geistigen Bewegungen der Zeit suchte er Verständniß abzugewinnen und sie in die rechte Bahn zu lenken. Als Reichsfürst war er der deutschen Sache redlich zugethan und ein treuer Freund des Kaisers: es war nicht seine Schuld, wenn die Ruinen des morschen zusammenstürzenden Reiches ihn zuerst begruben. Wie wenig er im Stande war, daran zu ändern, „seine Regierung hat über die letzte Zeit des Trierischen Kurfürstenthums dennoch reichen Segen verbreitet; sie bildet das milde Abendroth vor dem Einbrechen einer dunkeln Periode der Zerstörung und fremder Gewalt, die erst nach mehr als einem halben Menschenalter einer neuen Morgenröthe weichen sollte.“

Al. Dominicus, Coblenz unter dem letzten Kurfürsten von Trier, Clemens Wenceslaus, 1768–1794. Coblenz 1869. – Cl. Theod. Perthes, Polit. Zustände und Personen in Deutschland zur Zeit der französischen Herrschaft. Gotha 1862 ff., I, 181–213. – J. Marx, Geschichte des Erzstifts Trier. Bd. V.


Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: uud