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ADB:Carpzov, Johann Benedict (lutherischer Theologe)

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Artikel „Carpzov, Joh. Benedict II.“ von Julius August Wagenmann in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 4 (1876), S. 21–22, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Carpzov,_Johann_Benedict_(lutherischer_Theologe)&oldid=- (Version vom 5. November 2024, 04:23 Uhr UTC)
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Carpzov: Joh. Benedict C. II., Sohn des vor., geb. 24. April 1639 in Leipzig, studirt in Leipzig, Jena und auf andern Universitäten, bes. Basel unter Buxtorf und Straßburg unter dem „unvergleichlichen Theologen“ Johann Schmid, wird 1659 Magister in Leipzig. 1665 Prof. der Moral und Polemik daselbst, 1668 Prof. hebr. und Diakon an der Thomaskirche, später Pastor, 1684 Professor der Theologie, † 23. März 1699. An schriftstellerischer Thätigkeit durch pastorale Amtsgeschäfte gehindert, beschränkte er sich fast ganz auf kleine Abhandlungen und auf Neuherausgabe fremder Werke wie Schickard’s Jus regium, Tarnov’s Propheten, Lightfoot’s Horae hebr., Lankisch Concordanz, Raimund Martini Pugio fidei, besonders aber seines Vaters Hodegeticum in vermehrter Gestalt 1689. Seine eigenen Predigten entsprechen dieser äußerlichen und überkünstlichen Methode, waren aber doch nach dem Eindruck der Zeitgenossen nicht ohne Gehalt und Freimuth. Der Spener’schen Richtung, solang sie sich auf „fromme Wünsche“ beschränkte, schien C. nicht abgeneigt und begrüßte Spener bei seiner Ankunft in Sachsen mit übergroßer Devotion. Seit derselbe aber anfing auch die theologische Facultät in Leipzig seine Censur fühlen zu lassen, die drei Leipziger Magister Francke, Anton und Schade ihre collegia biblica zu halten begannen und besonders seit mit dem Umsichgreifen der neuen pietistischen Bewegung die Auditorien der orthodoxen Professoren und die Kirchen der orthodoxen Pastoren verödeten, wurde C. der einseitigste und gehässigste Gegner der neuen Richtung, war Mitglied der 1689 eingesetzten Untersuchungs-Commission, Verfasser verschiedener heftiger Gegenschriften (1691 drei Programme gegen den Pietismus), Mitverfasser der in demselben Jahr erschienenen Schrift „Imago pietismi“, des 1692 an die sächsischen Landstände eingereichten Bedenkens der Leipziger Facultät, sowie der in demselben Jahre erschienenen „Beschreibung des Unfugs der Pietisten in Halberstadt“. Gegen ihn richteten sich nun aber nicht blos die ernsten und maßvoll gehaltenen Entgegnungen Spener’s, Seckendorf’s, Rechenberg’s, Francke’s etc., sondern auch der mit den Pietisten damals verbündete, wenngleich principiell ganz anders gesinnte große Jurist und Aufklärer Christian Thomasius, damals noch in Leipzig, schwang jetzt gegen C. und die ganze Leipziger theologische Facultät die Geißel des Spottes und der moralischen Entrüstung, warf ihm öffentlich vor, daß er seiner lectiones publicae nicht ordentlich warte, daß er lächerliche und unflätige Dinge predige etc. [22] Nach Thomasius’ Abgang von Leipzig setzt der Streit sich fort; auch auf kirchenrechtliche Fragen erstreckt sich die Debatte, indem C. der bekannten Dissertation des Thomasius „vom Recht eines Fürsten in Mitteldingen“ eine Schrift unter dem Titel „De jure decidendi contoversias theol.“ Leipzig 1695 entgegensetzt, worin er im Anschlusse an seinen juristischen Vorgänger Benedict C. († 1666) das sogenannte Episkopalsystem gegen den Territorialismus des Thomasius vertheidigt.

S. bes. Walch, Streitigkeiten der luth. K. Th. I und II; Jöcher; Acta Eruditorium latina; Tholuck bei Herzog u. Akad. Leben des 17. Jahrhunderts; Schmid, Gesch. des Pietismus.