ADB:Bucholtz, Franz Bernhard Ritter von
Stadion einer Einladung des Baron Hügel nach Frankfurt, wo er bei der Errichtung des deutschen Bundestages mitwirkte, und auch nach Hügel’s Abgang unter Wessenberg und Buol bis 1818 in der Bundestagskanzlei beschäftigt blieb. Hier trat er zu Friedrich v. Schlegel in nähere Beziehungen. Seit 1818 treffen wir B. als Hofsecretär der österreichischen Staatskanzlei in Wien, von wo er 1819 eine Reise nach Rom und Neapel und 1824 nach Paris unternahm und seit 1837, einem Jahre vor seinem jähe erfolgten Tode, als Rath der Staatskanzlei. Als Vertreter streng katholischer und conservativer Principien hat B. nicht ohne Mäßigung und einen freilich begrenzten Freimuth im Verein mit jenen Männern gewirkt, welche sich nach dem [491] Wiener Congreß die Herstellung einer gesicherten Ordnung und die Heilung der durch die französische Revolution verursachten Gesellschaftsschäden zur Lebensaufgabe gestellt hatten. Von seinem Enthusiasmus für die deutsche Sache legt der Umstand Zeugniß ab, daß er zweimal zu den Waffen zu greifen beabsichtigte und daran nur durch die Dazwischenkunft seines Gönners Stollberg verhindert wurde. In diesem Sinne sind auch seine ersten publicistischen Leistungen: „Der Krieg des Jahres 1813“; dann „Unser Volk“ (1814) und „Ideen zu einer magna charta für die inneren Verhältnisse der deutschen Staaten“ (1815) verfaßt. 1821 übernahm B., nach dem Rücktritt des Matthäus v. Collin, die Redaction der Wiener Jahrbücher der Litteratur, die er bis 1825 führte. Eine große Zahl von Aufsätzen und Recensionen in dieser Zeitschrift stammen aus seiner Feder. Sein Hauptwerk aber, daß ihm noch heute unter den deutschen Geschichtsschreibern einen geachteten Namen gesichert hat, ist sein 1830 im Druck begonnenes und 1838 vollendetes neunbändiges Werk: „Geschichte der Regierung Ferdinands des Ersten“ (8 Bde. Darstellung, 1 Bd. Urkunden). An dieses Werk hat B. seine ganze Kraft gesetzt, mit seltenem Fleiße zog er die ungeheuren Urkundenschätze der österreichischen Archive, deren Benützung durch seine dienstliche Stellung wesentlich erleichtert war, zu Rathe und unternahm es, in jenem durch seine ganze Lebensanschauung bedingten Geiste die Reformationsperiode darzustellen. Von den protestantischen Schriftstellern vielfach angegriffen, fand er andererseits im katholischen Lager zahlreiche enthusiastische Anhänger, von denen einer seine innerste Ueberzeugung dahin aussprechen zu müssen glaubte, „daß B. für die behandelte Periode wenig mehr zu thuen übrig gelassen“. Jene Höhe der Auffassung, jene echt historische Behandlung der Personen und Dinge, welche die fast gleichzeitig erschienene Reformationsgeschichte Ranke’s charakterisirt, geht dem Werke Bucholtz’s völlig ab. Der Umstand, daß B. bei der Abfassung desselben gar keine verläßlichen Vorarbeiten vorfand, hat einen großen Mangel seiner Darstellungsweise bedingt. Ueber dem ins Kleinste ausgedehnten Sammeln von actenmäßigen Belegen ging ihm schließlich die Kraft verloren, das Gesammelte zu überschauen, kritisch zu sichten und seine Darstellung vor der Gefahr zu bewahren, in der Fülle des Materials unterzugehen. So erscheinen einzelne Abschnitte seines Werkes als mosaikartig aneinandergereihte, nur durch dürftige und zum Theil tendentiös gefärbte Raisonnements verbundene Abdrücke von Actenstücken. Aber eben in der Anregung, welche sein Werk zur Darstellung einzelner Episoden des von ihm behandelten Zeitraumes den jüngeren Geschichtsforschern gegeben und wobei diese der Arbeit Bucholtz’s als werthvollen Wegweisers nicht entbehren können, liegt vorzugsweise das Verdienst desselben für die allgemeine Geschichtsschreibung begründet.
Bucholtz: Franz Bernhard Ritter v. B., geb zu Münster 10. Juni 1790, † zu Wien 4. Febr. 1838 als kaiserlich österreichischer Staatskanzleirath, vortheilhaft bekannt als österreichischer Geschichtsschreiber. B. stammt aus einer alten, mit reichem Grundbesitz begabten Familie, die ihm eine treffliche häusliche Erziehung gewährte, auf deren Richtung sein Pathe, der Minister Freiherr v. Fürstenberg, und Friedrich Graf v. Stollberg wesentlich einwirkten. Nach Vollendung der Universitätsstudien zu Münster und Göttingen 1811–13 begab sich B., angeregt durch die sich damals vorbereitenden gewaltigen Ereignisse, unter vielen Mühseligkeiten von Celle über Olmütz nach Wien und entging so der Gefahr, als Angehöriger des damals französischen Lippedepartements in die Ehrengarde Napoleon’s eingereiht zu werden. Nur wenige Monate weilte er in Wien, folgte auf Empfehlung des Grafen- J. B. Kaltenbäck’s Nachruf als Vorwort zu der von ihm besorgten Ausgabe des neunten Bandes der Geschichte Ferdinands I. – Const. v. Wurzbach, Biogr. Lexikon des Kaiserst. Oesterreich II. Bd. 1857. S. 189 und die dort verzeichnete Litteratur.