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ADB:Bridel, Philipp

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Artikel „Bridel, Philipp“ von Louis Vulliemin in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 3 (1876), S. 327–328, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Bridel,_Philipp&oldid=- (Version vom 4. November 2024, 21:19 Uhr UTC)
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Bridel: Philipp B., Decan in Montreux, Canton Waadt, geb. 20. Nov. 1757, † 20. Mai 1845. Aus einer waadtländischen Familie stammend, die im Dienste der Kirche und der Wissenschaft zahlreiche Vertreter zählt, traten gegen Ende des achtzehnten Jahrhunderts drei Brüder B. in dieselben Berufsbahnen ein. Ludwig[WS 1], Professor der orientalischen Sprachen an der Akademie in Lausanne, ist durch eine „Anleitung zur Lecture Pindars,“ einen „Brief über die Art Dante zu übersetzen,“ eine Uebersetzung des „Buches Hiob,“ ein Werk über „Das israelitische Jahr“ und andere Schriften; Samuel (s. d.) als Schriftsteller und Naturforscher bekannt. Philipp, unter dem Namen der „Decan B.“ in der Schweiz allbekannt und auf verschiedenen Gebieten thätig, zeichnete sich theils als Seelsorger und Kanzelredner aus, theils als humoristischer Schriftsteller und Dichter, theils als Historiker und Naturforscher und Verfasser anmuthiger Naturbeschreibungen. Niemand hat mehr als er dazu beigetragen, unter den Schweizern französischer Zunge Kunde und Verständniß der altschweizerischen Geschichte zu verbreiten und dieselben dadurch mit der Eidgenossenschaft innig zu verbinden. B. war französischer Pfarrer in Basel, als 1792 die Kunde von dem Mord der Schweizergarden in den Tuilerien am 10. August aus Paris eintraf. Die ergreifende Rede, die er über dieses Ereigniß hielt, verbreitete sich, ungeachtet der Druck derselben verboten wurde, weit herum und machte im In- und Auslande großen Eindruck; sie erschien, in deutscher Uebersetzung, im Revolutionsalmanach (Göttingen 1793). Wenige Jahre später erfolgte der Einmarsch der Franzosen in die Schweiz und die Umwälzung der letzteren. B. bekleidete damals das Pfarramt in dem friedlichen Alpengelände von Château d’Oex; mit seinen Pfarrkindern die Anhänglichkeit an die hergebrachte Verfassung und alte Sitte theilend, war er bereit, mit ihnen Gut und Leben dafür zu wagen, als die Nachricht von der Einnahme von Bern durch Schauenburg jeden Widerstand unnütz machte. Später und bis zu seinem Lebensende Pfarrer (und Decan) in Montreux, behielt[WS 2] er auch unter der ganz anders gesinnten Bevölkerung dieser Gemeinde seine Vorliebe für die alte Eidgenossenschaft und altes Herkommen unverändert bei. Schon hatte er begonnen, ein reiches Material über alle Epochen der heimathlichen Geschichte zu sammeln und veröffentlichte nun alljährlich eine Auswahl desselben in einer Reihe von Bändchen, die anfangs den Titel „Etrennes helvétiques“, später denjenigen des „Conservateur suisse“ trug. 13 Bändchen in 12. Urkunden, Chroniken-Auszüge, Gedichte historischen Inhalts, Reisebeschreibungen aus den verschiedensten Theilen der Schweiz, reizende Schilderungen der schönen Alpenwelt, die Montreux umgibt, sind in dieser Sammlung vereinigt. Bridel’s Beschreibungen haben nicht die Einfachheit derjenigen von Saussure, tragen aber überall das charakteristische Gepräge seines eigenen Charakters, in welchem Ernst und Scherz, Gemüthlichkeit und feine Ironie, Heiterkeit und tiefes Gefühl, ein anmuthiges Sichgehenlassen, Gutmüthigkeit und unverwüstlicher Frohsinn sich abwechselnd mischen. Ueberall wird sein gründliches Wissen ersichtlich. Zuweilen fragt man sich allerdings, ob man den Historiker oder den Dichter sprechen höre. Als Naturforscher erwarb sich B. das Verdienst, in den waadtländischen Alpen die Schule Albrechts v. Haller aufrecht zu erhalten. Die Sprachwissenschaft verdankt ihm ein Wörterbuch des waadtländischen, romanischen [328] Dialekts (patois), welches die historische Gesellschaft der romanischen Schweiz im 21. Bande ihrer „Mémoires et documents“ – nach Bridel’s Tode – veröffentlicht hat. Daß darin Ableitung aus dem Keltischen – nach früheren Anschauungen der Gelehrten – eine allzugroße Rolle spiele, erkannte der greise Verfasser selbst noch, konnte sich aber zu einer Umarbeitung seines jahrelang gesammelten Stoffes nicht mehr entschließen. Als die genannte Gesellschaft im Jahre 1837 gegründet wurde, war ihr erster Beschluß dahin gerichtet, B. als denjenigen, der bahnbrechend ihr vorangegangen, zu ihrem Ehrenvorstande zu ernennen. Sie sucht das Werk seines ganzen Lebens: innere Einigung der Eidgenossen aller Zungen auf der Grundlage der althergebrachten Freiheit, fortzusetzen. B. selbst richtete einst, aus der Fülle seines Herzens, folgende Abschiedsworte an sie: „Lasset uns unser Jerusalem, unser Vaterland lieben! Aber hüten wir uns unter Vaterlandsliebe jene übertriebenen Vorstellungen zu verstehen, die so oft dieselbe zur Leidenschaft gestalten, die Völker manchmal zu so viel Ungerechtigkeit und Barbarei gegen andere verleitet haben. Wahre Vaterlandsliebe ist keine Leidenschaft, sondern eine Tugend, die mit dem Grundsatze allgemeiner Menschenliebe durchaus vereinbar sich im Lichte der Religion verklärt!“ Unter Bridel’s Werken sind schließlich noch herauszuheben eine Statistik des Wallis, eine solche des Cantons Waadt, eine (noch ungedruckte) Geschichte der Akademie von Lausanne, und zwei größere Gedichte: das eine, ein Werk seiner Jugend, betitelt: „Les tombeaux“; das andere, seine letzte Arbeit: „Bertold von Zähringen oder die Gründung von Bern.“

Eine Beschreibung von Bridel’s Leben hat der Unterzeichnete herausgegeben. Lausanne 1855. 8.


Anmerkungen (Wikisource)

  1. Jean-Louis-Philippe Bridel (1759–1821), Professor an der Akademie Lausanne.
  2. Vorlage: hehielt