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ADB:Berthold von Andechs

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Artikel „Bertold, Patriarch von Aquileja“ von Edmund von Oefele in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 2 (1875), S. 516–518, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Berthold_von_Andechs&oldid=- (Version vom 5. November 2024, 10:38 Uhr UTC)
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Bertold, Patriarch von Aquileja, † 23. Mai 1251. Für einen Mächtigen wie Bertold IV. von Andechs (s. daselbst) war es nicht allzuschwer, nachgeborene Söhne mit Kirchengut zu versorgen. In Bamberg, wo die Waltung des Andechsers Otto († 1196) noch unvergessen, gelangte im J. 1203 Eckbert auf den bischöflichen Stuhl, und dieser ohne Zweifel hat den Bruder zuerst gefördert. Aber dem jugendlichen Dompropste von Bamberg, der von Theologie sehr wenig verstand, öffnete sich bald eine noch glänzendere Laufbahn. Seine Schwester Gertrud und ihr Gemahl, König Andreas von Ungarn, rufen ihn zu sich, verschaffen und verleihen ihm hohe Kirchen- und Reichsämter. Bertolds Wahl zum Erzbischofe von Kalocsa (1206) wird vom Papste als Postulation genehmigt (1207), überdieß macht ihn der König zum Ban von Kroatien, Dalmatien und Slavonien (1209–12), Woiwoden von Siebenbürgen (1212), Grafen von Bacs und Bodrog (1213). So gewann er großen Einfluß auf die Regierungsgeschäfte – doch im Stillen schwoll der Haß der ungarischen Großen gegen die deutsche Königin und ihren Bruder. Als Andreas im J. 1213 gegen die Ruthenen zu Felde zog, und B. mit Gertrud die Reichsverwaltung theilte, machten Verschworene auf Beide wie auf alle Deutschen am Hofe, einen Mordanschlag, welcher (28. Sept. 1213) bei der Königin gelang. Man hat (zuerst um 1250) eine Begebenheit erzählt, welche das Maß der Erbitterung gegen die Geschwister vollgemacht: die Königin habe dazu geholfen, daß B. die Gemahlin des Biharer Obergespans Peter entehren konnte; König Andreas selbst spricht von „abscheulichen Erfindungen“, worauf sich die Verschwörer gestützt. Da fand es B. nicht mehr behaglich bei den Magyaren. Er soll versucht haben, unter dem Scheine einer Pilgerfahrt mit den Schätzen, welche Gertrud für ihre Kinder hinterlegt, aus dem Lande zu fliehen. Doch erst zu Anfang des J. 1218 ist er losgekommen: Das Domcapitel von Aquileja postulirte ihn da zum Patriarchen und Papst Honorius III. ernannte ihn, die Postulation als unförmlich verwerfend, am 27. März 1218 aus eigener Machtvollkommenheit hiezu. B. hatte nun schon ein bewegtes Leben hinter sich, doch erst von da an wird er für die deutsche Geschichte bedeutend. Treue gegen den Kaiser in Rath und That kennzeichnet seine Reichspolitik. Zuerst ist er im J. 1220 mit K. Friedrich in Italien und entfaltet bei dessen Krönung zu Rom mit 2000 Reitern erscheinend den vollen Glanz seiner fürstlichen Stellung. Sechs Jahre später sehen wir ihn wieder im wälschen Lande beim Kaiser. In dem Kampfe, der, während Friedrich im Orient weilte, zwischen dem Papste und dem Königreiche Sicilien entbrannt, scheint B. sehr rührig gewesen zu sein, dem Kaiser Anhang zu werben, er machte zu diesem Zwecke eine Reise an den ungarischen Hof und ließ von Pola wie anderen Häfen seines Gebiets Feinde der Kirche nach Apulien auslaufen. Aber der neue Papst (seit 1227) Gregor IX. war nicht der Mann, dies hinzunehmen. Unter Androhung der Excommunication befiehlt er (20. Juni 1229) dem Patriarchen, sein Verhalten zu ändern. B. mag es nun sachter getrieben haben. Nebst anderen deutschen Fürsten ruft ihn dann Friedrich nach Italien, um einen Ausgleich mit der Curie zu Stande zu bringen. So erscheint er als Bürge des Friedens von San Germano (Juli 1230). Er fehlt nicht zu Ravenna (1231/32), beherbergt während der Monate April und Mai 1232 auf seinem Gebiete zu Aquileja, Cividale und Udine Kaiser und Fürsten und nimmt selbst Theil an den wichtigen Verhandlungen dieser Hoftage, welche die Aussöhnung des Kaisers mit seinem Sohne Heinrich, dann die gesetzliche Befestigung fürstlicher Landeshoheit bezwecken. Nochmals in diesem Jahre, dann wieder 1234 ist B. mit Friedrich in Italien. Im folgenden erhält er den peinlichen Auftrag, den abgesetzten [517] König Heinrich nach Apulien in die lebenslängliche Haft zu bringen. Als Herzog Friedrich von Oesterreich mit der Reichsacht belegt worden, fallen die andechsischen Brüder Bertold und Eckbert in Steiermark ein (1236). Wahrscheinlich vor diesem Kriege hatte der Herzog ihre Nichte Agnes, seine Gemahlin, zum ersten Male verstoßen. B. ist dann (Jan.–März 1237) in Wien, als der Kaiser die eroberten Lande zu des Reiches Handen nimmt und die Wahl seines Sohnes Konrad zum deutschen Könige erwirkt; das Decret über letzteren Act führt B. aber nur als Zeugen auf. Im October des folgenden Jahres sieht dieser des Kaisers Glück an den Mauern von Brescia scheitern. Zum zweiten Male trifft Friedrich im März 1239 die Excommunication, die überall verkündet werden soll. B. weigert sich dessen, will dem Umgange mit dem Gebannten nicht entsagen, leistet dem Befehle, sich beim Papste zu stellen, keine Folge, so verfällt auch er dem Kirchenbanne. Aber gegen Ende des J. 1240 machen seine Neffen König Bela von Ungarn und der Ruthenenkönig Koloman Anstrengungen, ihn hievon zu lösen. Der Papst ist dazu geneigt und zeichnet ihm (28. Jan. 1241) die nöthigen Schritte vor. Unzweifelhaft erfolgte jene Verwendung auf Bertolds Ansuchen: von da an lockert sich sein Verhältniß zum Kaiser. Aus Anlaß der Tartarengefahr begab sich jedoch B. im Frühjahr 1242 nach Apulien an den Hof. Unterm 21. Juli 1243 beauftragt ihn der Papst, Deutschland zu einem Kreuzzuge gegen jene Horden aufzumahnen, die Ungarn aufs äußerste bedrängen. Aber noch stand er dem Kaiser nicht feindlich gegenüber. Im März 1245 sehen wir Beide wieder in Italien beisammen. Mit dem Vorsatze vielleicht, für Friedrich das Möglichste zu thun, ist B. dann nach Lyon gegangen (Sommer 1245). Denn dort befürwortet er aufs lebhafteste die Verschiebung der neuerlichen Excommunication. „Zwei Säulen sind es“ – ruft er dem Papste zu – „welche die Welt tragen: die Kirche und das Kaiserthum.“ Aber in seiner Stellung bedroht muß der Patriarch sich fügen. Die nun sich steigernde Maßlosigkeit Friedrichs entfremdet ihm auch diesen Anhänger; das Verfahren des Kaisers gegen Bertolds Neffen, Herzog Otto von Meran (1248), hat wol dazu beigetragen. Am 11. Mai 1249 tritt B. mit der Erklärung hervor, „er wolle sich offen und mit all seiner Macht zum Dienste der heiligen Mutter Kirche erheben“. Der Rache Friedrichs gewärtig, schließt er zugleich ein Schutzbündniß mit Brescia, Mantua und Ferrara, dem Markgrafen von Este etc. gegen Ezzelino de Romano, den kaiserlichen Generalvicar in der Mark. Friedrich aber ermächtigt im October d. J. den Grafen Meinhart von Görz, alle Güter einzuziehen, welche B. in Steiermark und Kärnten besitzt. Dieser verbündet sich hiegegen (Sept. 1250) mit Ulrich, dem Sohne Herzog Bernhards von Kärnten. Der baldige Tod des Kaisers ermöglichte wol einen friedlichen Austrag.

Aber zu keiner Zeit hatte B. den eigenen Vortheil aus dem Auge verloren. Jene „grenzenlose Ergebenheit“, womit er sich, wie Kaiser Friedrich einmal sagt, „zu seinen und des Reiches Diensten immer und überall bereit finden ließ, ja selbst Gefahren aussetzte“, hat reichlich Früchte gebracht. Bertolds Wünschen – Befestigung des Patriarchates im Besitze von Friaul und Istrien, Erreichung der ausschließlichen Landeshoheit dortselbst – trug Friedrich in den J. 1220 und 1238 durch umfängliche Privilegien Rechnung; der Vermittlung des Reichsoberhauptes ohne Zweifel hatte es B. zu danken, daß sein Bruder Herzog Otto von Meran (1230) allen Ansprüchen auf die Markgrafschaft Istrien entsagte, die einst ihrem Bruder Heinrich wegen Mitschuld an König Philipps Ermordung aberkannt und ans Patriarchat schon unter Wolfger gekommen war. Gleichwol hat er auch schwere Kämpfe gegen äußere Feinde – Treviso (1219–1221), Ezzelino de Romano (1235–39), Meinhard von Görz, Schirmvogt von Aquileja [518] (1249) – zu bestehen gehabt. Im Inneren machten ihm Grundherren und Ministerialen viel zu schaffen. Ueberhaupt aber ist seine Regierung für das Patriarchat segensreich gewesen. Nicht blos gegen Klerus und Klöster war er höchst freigebig, auch das niedere Volk fühlte seine Mildthätigkeit, als mancherlei Plagen das Land heimsuchten, wie seine schützende Hand den Bedrückungen der Burgherren gegenüber. Dabei und trotz der engen Freundschaft, worin er mit dem hl. Franz von Assisi gestanden sein soll, besaß B. große Prachtliebe und volles Verständniß für des Lebens Behagen. So verlegte er aus der Maremmenluft Aquileja’s seine Residenz nach dem gesünderen, dem Mittelpunkte des Gebietes näheren Udine und entschädigte die Bewohner ersterer Stadt dadurch, daß er beide Städte für ein einziges Gemeinwesen erklärte. Nicht so sehr, wie manch anderer geistlicher Fürst hat B. sich von den Banden des Blutes losgemacht. Hatte er doch verwandtschaftlichen Beziehungen im Jünglingsalter rasches Emporkommen verdankt. Wiederholt sehen wir ihn besorgt für die Stiftungen seiner Familie und besonders seiner Nichte Agnes geneigt, deren Aussöhnung mit ihrem Gemahle Friedrich von Oesterreich (1240), deren zweite Ehe mit Ulrich von Kärnten (1248) er vermittelt. Nachdem B. alle männlichen Sprossen seines Hauses überlebt, schenkt er beträchtliches Eigen desselben – Windischgrätz – dem Patriarchate.

Größtentheils nach den Quellen unter Benützung der biographischen Darstellung bei De Rubeis, Monumenta ecclesiae Aquilejensis (1740) 677–720 und Czörnig, Das Land Görz und Gradisca mit Einschluß von Aquileja (1873) 289–97.