ADB:Berthold VII.
Rudolf und Adolf gehörte Bertolds Wirken und Streben seiner Jugend wegen ausschließlich dem eigenen Lande, dessen Regent er im 12. Lebensjahr geworden war. In Fehden und Rechtshändeln, die er in eigenen, und in Vergleichen, die er als Schiedsrichter in fremden Angelegenheiten zu führen hatte, war sein Schwert, seine versöhnende Rede und sein Rechtssinn ebenso durchschlagend, als im Gewinn von Landstücken einträglich. Es beschränkte sich zwar in dieser Zeit seine Thätigkeit auf einen kleinen Raum, sie läßt indeß den Geist, die Kraft und den Muth des Grafen, seinen klugen Griff nach Erreichbarem und seine glücklichen Erfolge, zugleich in dem Allen seine Befähigung für größere Aufgaben und Wirkungskreise erkennen. Mit König Albrecht kam der Tag seiner Berufung zu den Reichsdiensten, in denen seine Wirksamkeit mehr und mehr Einfluß gewann, so daß er zuletzt an allen Hauptfäden mitwob, welche damals die deutsche Geschichte in den Kämpfen der Reichskronträger mit der Kirche und den Territorialherren durchzogen. Wenn König Albrecht in seinen Absichten und Angriffen auf Böhmen den Grafen B. als kriegstüchtigen Beistand gebrauchte und wenn Kurbrandenburg und Kursachsen denselben als ihren Bevollmächtigten zur neuen Königswahl im J. 1308 beriefen, so wuchs seine Geltung und Thätigkeit noch bedeutender unter Heinrich VII., der ihm und dem Erzbischof Peter von Mainz die Verwaltung von Böhmen, übertrug. Die Ordnung, welche der Graf von Henneberg und der Erzbischof von Mainz in Böhmen zum Besten für den König und das Volk herstellten, wußten sie Jahre lang mit kräftiger Hand gegen die widerstrebenden böhmischen Großen aufrecht zu erhalten. Daher kein Wunder, daß nach Kaiser Heinrichs Tod jeder der zwei Reichskronbewerber Friedrich von Oesterreich und Ludwig von Baiern, den durch Staatsklugheit und Kraft bewährten Grafen [523] B. zu gewinnen suchte. Dem letzteren gebot indeß die Vorsicht, sich nur der erprobten Stärke anzuschließen. Ludwig errang den Sieg, und nun stand der Graf für immer fest auf dessen Seite als kaiserlicher „Geheimer Rath“, bewährt als Statthalter von Brandenburg, als Vormund des kaiserlichen Prinzen Ludwig, als Vermittler zwischen dem Kaiser und seinem Krongegner und als Hauptstütze des Kaisers in dessen Kämpfen gegen den Papst und die Kirche.
Bertold VII., Graf von Henneberg, in der Reihe der Schleusinger Linie dieses Grafenhauses der thatenreichste und seiner Zeit einer der bedeutendsten Staatsmänner im Deutschen Reiche, war 1272 (nach Andern 1271) geboren, † 1340. Seine Kindheit und Jugend fällt demnach in eine Periode, in der sowol in seinen Stammlanden als auch im Deutschen Reiche scharf einschneidende Ereignisse erfolgten. Nothwendig mußten dieselben auf B., der, wie alte Ueberlieferungen in Reim und Prosa melden, frühzeitig eine hervorragend geistige Befähigung offenbarte und eine entsprechende Entwicklung und Bildung gewann, einen tiefen Eindruck machen und ihm die Ziele seiner Thätigkeit stecken. Während seiner Kindheit gingen nämlich bezüglich der alten Henneberger Stammlande, die sich seit zwei Jahrhunderten hauptsächlich in zwei Linien, einer älteren und einer jüngeren, erhalten hatten, durch das Aussterben der jüngern kirchlich gesinnten Linie, deren Gebiete an das Hochstift Würzburg verloren, und fast gleichzeitig (1274) wurde das Erbland der ältern Linie in drei Stücke, ein Schleusinger, Aschacher und Hartenberger, zerrissen. Jener Gebietsverlust und diese Dreitheilung waren in den Augen des jungen Grafen schmerzliche Schädigungen der Henneberger Hausmacht, zugleich aber Stacheln zu Thaten für die Erweiterung seines Erbgebietes, des Schleusinger Landstücks. Mittel und Wege dazu boten sein politisches Talent und die damaligen Reichszustände, wo nach Beseitigung des Interregnums das deutsche Königthum einerseits mit den Territorialgewalten zu ringen hatte, andererseits seine eigene Hausmacht durch Land und Leute zu verstärken suchte, so daß es dort und hier Männer des Raths und der That zur Hülfe an sich ziehen mußte. Unter den beiden KönigenBertolds Verdienste um Krone und Reich brachten ihm nothwendig entsprechenden Belohnungen, die er für sein Haus und Land zu verwerthen wußte. Zwar erlangte er nicht für sich den Fürstenstand, jedoch für sein Land schon 1310 fürstliche Gerechtsamen und später noch vielfach wichtige Privilegien, außerdem mehrere Reichsorte (Mainberg, Schweinfurt), vor allem aber bedeutende Geldmittel, wodurch er ansehnliche Gebiete (die sogenannte neue Herrschaft und frankensteinische Güter) erwerben konnte. Zudem bewirkte seine Reichsthätigkeit, daß die benachbarten Kirchenmächte seinen Schutz suchten und ihm Güter zuwendeten und daß sich ihm der Adel in seinem Lande als landessässig unterordnen mußte. Auf diese Weise vermochte er seine Herrschaft von 10 auf 40 Quadratmeilen zu erweitern. Indeß Graf B. war nicht blos Mehrer, sondern auch ein sorglicher Verwalter seines Landes, dies vornehmlich in der Hebung der Städte und der kirchlichen Anstalten; denn bei all seiner Thätigkeit für das Reich verlor er nie seine ursprüngliche und hauptsächliche Aufgabe, die Förderung seiner dynastischen und territorialen Interessen, aus dem Auge. Und dies Ziel hatte er, als er 1340 das Zeitliche segnete, durch klugen Geist und tüchtige Arbeit erreicht. Schon bei seinem Tode wurde er in den Klosterannalen „der Weise“ genannt und damit seinem Charakter und Wirken ein ehrendes Denkmal gesetzt.
- S. Schultes, Diplomatische Geschichte des Hauses Henneberg. Bd. I. S. 138 ff.