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ADB:Beckerath, Hermann von

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Artikel „Beckerath, Hermann von“ von Wilhelm Oncken in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 2 (1875), S. 231–235, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Beckerath,_Hermann_von&oldid=- (Version vom 5. November 2024, 06:47 Uhr UTC)
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Beckerath: Hermann v. B., Banquier und hervorragender Politiker, geb. zu Crefeld 13. Decbr. 1801, † ebendaselbst 12. Mai 1870. Seine Familie, deren Name noch heute an Ort und Stelle vielfältig verbreitet ist, gehörte mit vielen der ältesten Geschlechter Crefelds zu jenen mennonitischen Flüchtlingen, die dort unter den Oraniern Zuflucht gefunden haben. Generationen hindurch hat sie sich mit Seidenbandwirkerei still und redlich, geachtet, aber unscheinbar ernährt; erst der Vater Hermann’s, Peter v. B., sah sich veranlaßt, dies Gewerbe zu verlassen und eine Gerichtsvollzieherstelle anzunehmen; der hochbegabte Sohn aber trat schon mit 14 Jahren, eben nach Ausgang der französischen Fremdherrschaft als Lehrling in das Bankhaus der Gebrüder Molenaar, in dem er sich, nach dem Tode des einen der Brüder, bald sehr nützlich zu machen wußte. Bisher hatte Crefeld seine Wechsel- und Geldgeschäfte hauptsächlich durch Köln vermittelt und die Verbindungen mit dem Hause Molenaar bestanden eigentlich nur in dem Ankauf und Verkauf von Wechseln gegen Baar, ohne laufende Rechnung mit dem Geber und Nehmer. B. erkannte mit richtigem Blick, welch eine Quelle von Gewinn sich ergeben mußte, wenn durch Eröffnung von laufender Rechnung in Crefeld die bedeutenden Geldporti der Kölner Verbindungen erspart würden. Der Wurf gelang in kaum geahnter Weise: die Blüthe des Geschäftes war begründet. Ueber 20 Jahre hatte B. – zuletzt als Theilhaber – im Hause Molenaar mit ausgezeichnetem Erfolge gewirkt, als er eine günstige Gelegenheit ergriff zur Begründung eines selbständigen Geschäfts. Als Commanditist vereinigte sich mit ihm der geheime Commercienrath v. d. Leyen zur Stiftung eines ähnlichen Geschäfts unter der Firma v. Beckerath-Heilmann, das B. bis zu seinem Ende mit großem Glücke und unermüdlicher Pflichttreue geleitet hat. Am 16. Decbr. 1835 hatte er sich mit Charlotte Heilmann aus Elberfeld vermählt und damit den Grund zu einem seltenen Familienglück gelegt. Mit der Thronbesteigung Friedrich Wilhelm IV. begann für ihn wie für die ganze Nation eine neue Zeit. Die Idee der Umbildung Preußens in einen verfassungsmäßigen Rechtsstaat war endlich im Volke selber eine Macht geworden. Schweigend hatte es den Schiffbruch der Reformpläne Hardenberg’s, ihr Begräbniß in den Provinzialständen von 1823 hingenommen, schweigend hatte [232] es zwei Jahrzehnte ein staatloses Dasein ertragen und sich begnügt mit den Wohlthaten einer gewissenhaften, pflichttreuen, wenn auch vielfach engherzigen Verwaltung. Inzwischen hatte das Bürgerthum die Kräfte politischer Selbstthätigkeit gesammelt, eine lange Friedensarbeit hatte ihm Wohlstand und Unahbhängigkeit, die Städteordnung eine Vorschule der Selbstverwaltung gewährt, die politische Lyrik der ersten vierziger Jahre entzündete in ihm den Ehrgeiz der That und das Edict vom 3. Febr. 1847 berief es zum Kampf ums Recht. Durch juridische und staatswissenschaftliche Studien wohl vorbereitet war auch B. in die Arena eingetreten. In feurigen Zeitungsartikeln, in Adressen, die er auf dem rheinischen Landtag zu Düsseldorf, auf dem Provinziallandtag zu Coblenz verfaßt, hatte er sich als muthvoller Tribun der größten Angelegenheit seines Vaterlandes hervorgethan, als ihn das Vertrauen seiner Mitbürger zum Abgeordneten Crefelds in den vereinigten Landtag wählte. Auf dem Rechtsboden, den schon der Absolutismus durch die Edicte von 1815 und 1820 für die „künftige reichsständische Versammlung“ geschaffen, nahm er mit seinen Freunden Camphausen, Hansemann, Mevissen u. A. von vorneherein eine Stellung. Ihn zu wahren war die von ihm verfaßte Adresse bestimmt, durch die der Landtag die königliche Thronrede vom 11. April beantworten wollte. In seiner Ausbildung und Vervollkommnung sah er das einzige Mittel, um seinem Vaterland zu geben, was ihm am meisten Noth that: Einheit zwischen den Ständen, Einheit zwischen Volk und Heer, Einheit zwischen Fürst und Volk, Einheit zwischen den Provinzen. Für diese Ideale hat er mit einer Beredsamkeit gestritten, die weit über den Landtag hinaus den allertiefsten Eindruck machte. Der maßvolle aber seines Rechtes gewisse Freisinn eines loyalen Volkes bestand hier seine erste Feuerprobe mit einem ungeheuren moralischen Erfolge, und v. B. hatte ruhmvollen Antheil daran. Im Vertrauen auf den Genius des deutschen Volkes, der in Preußen, einmal erwacht, nicht wieder entschlummern könne, trösteten sich die Patrioten von 1847 für den Verzicht auf manches ungeduldige Begehren. Wenig Monde später brach die Bewegung aus, die das alte System überfiel, ehe es sich auf Abwehr auch nur besinnen konnte und seine Träger zwang, wider ihren Willen selbst die Geburtshelfer eines neuen Staats zu werden. Am 18. Mai 1848 nahm v. B., Arm in Arm mit Dahlmann und Gervinus Theil an dem Einzug des ersten Reichstags deutscher Nation in die Paulskirche zu Frankfurt. Mit all seinem Sinnen und Trachten lebte er in der idealen Welt, die von hier aus für ganz Deutschland geschaffen werden sollte, unermüdet thätig, den monarchischen Rechtsstaat zu vertheidigen gegen Revolution von unten und Reaction von oben, die nationale Einheit durchzusetzen gegen den Sondergeist der Höfe und der Stämme, Versöhnung zu predigen, Vermittlung zu pflegen zwischen einer von wilden Leidenschaften umlagerten Versammlung und der Regierung des Staates, an dessen nationale Sendung er glaubte wie an sich selbst. Da war es gleich ein herber Schlag für ihn, daß sein Freund Camphausen mit dem Reichsministerium des Auswärtigen das Amt ablehnte, das „Aufgehen Preußens in Deutschland“ zu leiten, weil er der Ansicht war, „einem bloßen Provisorium“ könne die Großmacht Preußen ihre Selbständigkeit nicht zum Opfer bringen. Noch schmerzlicher war für ihn die Verstimmung, welche der Waffenstillstand mit Dänemark in Frankfurt, der Huldigungsbefehl des Reichskriegsministers v. Peucker in Berlin hervorgerufen. Im Auftrag des Reichsministeriums eilt er am 23. Juli nach Berlin, um das drohende Schisma zu beschwören. Am 4. August tritt er als Chef der Finanzen selbst in das Ministerium ein, aber mit dem Entschluß „jedenfalls zurückzutreten, sobald ein gutes Einvernehmen zwischen Preußen und der Centralgewalt befestigt sei“. Es sollte anders kommen. Als er mit sämmtlichen Collegen am Abend des 5. Sept. einen [233] Rücktritt erklärte, geschah es, weil das Parlament durch Verwerfung des Waffenstillstandes von Malmoe den Bruch mit der Krone Preußen vollzogen hatte. Ehe es in Frankfurt zur Entscheidung kam, rief ihn am 12. Sept. eine Depesche des Königs nach Berlin. Es handelte sich um die Bildung eines neuen Ministeriums in Preußen. „Annehmen“, schrieb B. nach Hause, „werde ich nur dann, wenn ich mich überzeuge, daß ich mich nicht nutzlos opfere“. In denselben Stunden des 18. Sept., da in Frankfurt der Straßenkampf tobte, schrieb v. B. in Berlin das Programm nieder, über das er mit dem König in wiederholten Conferenzen mündlich verhandelte. Er verlangte ein Regierungssystem, „das auf der einen Seite die Monarchie unerschütterlich feststellte, auf der anderen mit aller Aufrichtigkeit einen demokratischen Zustand, soweit es mit der Monarchie vereinbar sei, herbeizuführen strebte, um so die wahre Freiheit, d. h. die mit der Ordnung verbundene zu begründen“. Die wesentlichen Elemente einer solchen Verfassung seien im Allgemeinen durch den Entwurf der Commission der Versammlung zu Berlin enthalten. Nach Außen verlangte er eine „wahrhaft deutsche, auf die Einheit des Gesammtvaterlandes hinarbeitende Politik, eine Politik des Selbstbewußtseins zwar, aber auch des rückhaltlosen Vertrauens in Deutschlands Zukunft, die weit entfernt, Preußens organisches Bestehen zu vernichten und seine großen historischen Erinnerungen zu verleugnen, den Staat vielmehr auf eine höhere, durch den Drang der Geschichte sich bildende Stufe erheben würde. Demgemäß forderte er maßvolles, versöhnliches Einlenken gegenüber den Versammlungen zu Berlin und Frankfurt, volksthümliche Umbildung des Heerwesens (Reform der Cadettenhäuser und der Militärgerichtsbarkeit, Erleichterung des Avancements, Abkürzung der Dienstzeit), Abschaffung aller Titel, die nicht wirklich ein Amt bezeichnen, Sanctionirung der Habeascorpusacte und des Gesetzes über Abschaffung der Todesstrafe, Amnestie für alle poitischen Verbrechen in Posen, Schutz der Freiheit der Berathungen der Versammlung gegen Ruhestörer, eventuell Verlegung derselben an einen andren geeigneten Platz, endlich einen Armeebefehl, der die Erwartung ausspräche, „daß das tapfre preußische Heer, so wie es der Schild eines gesetzmäßigen Zustandes ist, auch den Geist gesetzmäßiger Fortentwicklung achten werde“. Dies Programm betrachtete der König als Ablehnung seines Antrags. Er schrieb ihm darüber am 19. Sept. aus Bellevue einen Brief, der mit den Worten schloß: „Die Reue nach heraufbeschworenem und vollendetem Unheil, die möchte ich Ihnen ersparen. Und zwar eine vielfach verzweigte Reue, von der ich nur die eine Seite berühre, die darüber, daß Sie im entscheidenden Augenblicke der Regierung Ihres Königs und Freundes, das mildernde, beschwichtigende Oel Ihres Namens entzogen und vielleicht! dadurch Veranlassung zu großem Blutvergießen geworden sind. Darum, mein lieber B., erneuere ich den schon einmal gemachten Antrag, „daß Sie Sitz und Stimme in meinem neuen Cabinet übernehmen mögen und zwar, ohne Portefeuille, um Ihnen den Rücktritt, falls Sie ihn wünschen sollten, zu erleichtern. Ich habe gesprochen, theuerster B. Mögen meine Worte in Ihrem Herzen eine gute Stätte finden“. B. blieb unerschütterlich. In einem Schreiben vom 20. Sept. entwickelte er noch einmal den Geist des Programms, das der König verworfen und setzte hinzu: „Ich bin bereit Alles für Preußen, für Deutschland auf den Ruf Ew. Majestät zu opfern, aber mein Gewissen nicht. Dem Vaterland kann man nicht dienen mit gelähmtem Geiste“. Mit den Worten: „Ich habe harte Tage gehabt und finde sie allem Anschein nach in Frankfurt wieder. Gott schütze unser armes Vaterland“ kündigte er den Seinen seine Rückreise nach Frankfurt an.

Die deutsche Frage reifte ihrer Krisis entgegen. Daß sie einfach laute: Bundesstaat unter einem preußischen Erbkaiser oder Rückkehr zum Bundestag [234] unter österreichischer Vorherrschaft, das wars, was die Politik des Fürsten Schwarzenberg immer klarer zu Tage treten ließ. Vom Kremsierer Programm im Nov. 1848 bis zum Staatsstreich Anfang März 1849 war Alles, was dieser Staatsmann that und sprach, eine einzige Bestätigung des Beckerath’schen Satzes: „Das Warten auf Deutsch-Oesterreich ist das Sterben der deutschen Einheit“. Dem Parlament blieb keine andere Wahl als abzudanken in die Hände des österreichischen Absolutismus oder sein Verfassungswerk zu krönen und zu retten durch die Wahl des Königs von Preußen zum erblichen Kaiser von Deutschland. Ehe das geschah, schrieb v. B. am 18. März einen ergreifenden Brief an seinen König. „Furchtbar, schloß er, wäre der Schlag, mit welchem ein Nein aus dem Munde Ew. Majestät die abermals in all ihren Hoffnungen getäuschte Nation treffen würde, furchtbar die Verantwortung für die alsdann hereinbrechende Katastrophe. Die Vorsehung wird unser Vaterland nicht sinken lassen; das Haus Hohenzollern wird bei Deutschland stehen und diesem werden Ew. Majestät sein, was Wilhelm der Oranier, der Gründer der Krone Englands, dem stammverwandten Insellande war“. Der König antwortete ihm, wie er Arndt auf dessen Brief vom 9. März geantwortet hatte als der König „von Gottes Gnaden“, der aus den Händen der Revolution eine Krone nun und nimmermehr annehmen könne. „Die Gefahr des Augenblicks ist ungeheuer, wenn Welcker’s, des Preußenfeindes, Antrag durchgeht. Ich aber kann nicht anders. Drum, lieber Beckerath, thun Sie was in Ihren Kräften steht, um so großes Unheil zu verhüten“. Die Kaiserwahl fand statt am 28. März, die Antwort des Königs vom 3. April schlug das Gebäude von Frankfurt in Trümmer. Die Fürstenunion vom 26. Mai nahm auf einem Umweg wieder auf, was eine entschlossene Hand am 3. April nicht abgewiesen haben würde, und B. that mit Gagern, Dahlmann und Mevissen das Seine, um auf dem Nachparlament zu Gotha die erbkaiserliche Partei unter der neuen Fahne zu sammeln, während preußische Truppen die Erhebungen in Sachsen und Baden niederschlugen. Bis Oesterreich dann mit russischer Hülfe über Ungarn Herr ward und die Hände frei bekam gegen Preußens engeren Bund, vollendete dieses sein heimisches Verfassungswerk. Redlich hatte v. B. an der Seite von Simson, Camphausen u. A. in der Revisionskammer Monate lang gestritten, um von der Verfassung des 5. Decbr. 1848 alle gesunden freisinnigen Elemente zu schützen gegen die immer mächtiger einherwogende Reaction. Sein Kampf in der zweiten Kammer war meist so unglücklich wie der Dahlmann’s in der ersten. Auch die Forderungen der königlichen Botschaft vom 9. Jan. 1850 siegten ob in der großen Redeschlacht vom 26. Jan. Aber die Hauptsache, der Sieg der constitutionellen Idee selber, war nicht mehr aufzuhalten. Am 6. Febr. 1850 leistete der König den Eid auf die Verfassung und tief ergriffen schrieb v. B. nach Hause: „Die absolute Macht des Königthums ist nicht mehr, sie hat durch feierlichen Eidschwur ihres Trägers die Beschränkung auf einen bestimmten Rechtskreis und neben diesem das Gebiet der Volksrechte anerkannt. Die Zukunft unseres Vaterlandes ist gesichert, wenn Eide noch heilig sind auf Erden und wenn das Volk die nun geöffnete Bahn mit Einheit, Beharrlichkeit und Mäßigung betritt“. Die Entscheidung war unwiderruflich, auch der Schiffbruch der deutschen Politik Preußens in den Tagen von Erfurt, Warschau, Bronnzell und Olmütz vermochte sie nicht mehr rückgängig zu machen. Mit blutendem Herzen wohnte v. B. seit Nov. 1850 auf dem Landtag zu Berlin dem Verlauf und den Rückwirkungen dieser Katastrophe bei. Ein Gefühl unsäglicher Ermüdung und Niedergeschlagenheit überwältigte den weichen, sinnigen Mann. Tief getroffen an Leib und Seele kehrte er im Mai 1851 in die Heimath zurück. Erst die „neue Aera“ der Regentschaft des Prinzen von Preußen rief ihn wieder auf die öffentliche Bühne. Im Jan. 1859 erschien er zum letzten Mal als [235] Landtagsabgeordneter in Berlin, vernahm mit froher Zuversicht die männliche Thronrede vom 12. Jan., erquickte sich an den verheißungsvollen Worten, die ihm der Prinz persönlich über die Lehren des Jahres 1848 sagte, und freudiger als je dachte er an der politischen Arbeit von neuem Theil zu nehmen, da versagte ihm die sonst so ausdauernde, zähe Gesundheit. Wie immer in den Pausen seines staatsmännischen Lebens, war und blieb er auch jetzt aufopfernd thätig im bürgerlichen Ehrendienst seiner Vaterstadt; die Muße, die ihm daneben die Berufsgeschäfte ließen, füllte er mit philosophischen Studien aus. In der nationalen Politik trat er nur ein Mal noch öffentlich hervor, auf dem Handelstag zu München im Oct. 1862, wo es galt zu verhüten, daß Preußen aus Anlaß des Handelsvertrages mit Frankreich ein zollpolitisches Olmütz bereitet werde. Da hat er öffentlich gebrochen mit seinem alten Freunde Hansemann, der unter die Großdeutschen gegangen war, und in einer mächtigen Rede den Sieg der Sache Preußens entschieden. „Lassen Sie uns nicht ermüden, hatte er gerufen, und so wahr es eine sittliche Weltordnung gibt, der Sieg wird unser sein“. Vier Wochen später, am 19. Nov., erschien er als Präsident des bleibenden Ausschusses des deutschen Handelstags in Berlin bei König Wilhelm in Audienz. Nachdem er Bericht erstattet über den glücklichen Verlauf der Verhandlungen in München, wagte er der Trauer der Patrioten Ausdruck zu geben über den Conflict in Preußen. „Trauere ich denn nicht?“ fiel ihm der König ins Wort, „ich schlafe keine einzige Nacht“. Und als er dann zur Nachgiebigkeit in der Militärfrage rieth, um Frieden zu machen mit dem preußischen Volk, sagte der König: „Jetzt werde ich verkannt, aber die Zeit wird kommen, wo das Land mir danken wird“. Beim Abschiede sagte der König: „Ich danke Ihnen für Ihre freie und offene Sprache“, und als B. bat, ihm sein königliches Wohlwollen auch ferner zu erhalten, fügte der König mit einem Händedruck hinzu: „Nach dieser Unterredung um so mehr“. Hermann v. B. hat noch erlebt, wie König Wilhelm Frieden schloß mit seinem Volke, nachdem er die Schmach von Olmütz blutig gerächt. Was mag er empfunden haben, als der 3. Juli 1866 ihm die Auferstehung seines Vaterlandes, als die Thronrede vom 5. August die Versöhnung des Königthums mit dem Landesrecht feierlich verkündete, und im Norddeutschen Bund sich als Macht imposant zu begründen begann, was ihm als holder Traum einst die Seele berauscht! Hatte er doch nie gewankt in seinem Glauben an die sittliche Weltordnung, die der guten Sache zum Siege verhelfen werde und war er doch nie um Haaresbreite abgewichen von dem Pfade eines treuen Patrioten, der sich wie so manchmal in den Stunden des Kampfes, auch als es zum Sterben ging, die tröstenden Worte aus Thomas a Kempis zurufen durfte: „Du wirst sanft ruhen, wenn dein Herz dich nicht straft“.

Vorstehende Skizze ist nach den Familienpapieren und Briefen v. Beckerath’s gearbeitet. Umrisse seines Charakters und seines Lebens bis zum Jahre 1847 hat R. Haym, Reden und Redner des ersten preußischen vereinigten Landtags (Berlin 1847) gegeben. Von da ab sind die Urkunden seines öffentlichen Wirkens aus den Protokollen der verschiedenen Versammlungen zusammenzustellen, denen er zu Frankfurt, Gotha, Berlin, Erfurt, München beigewohnt hat. Neuerdings erschien: H. v. B. Ein Lebensbild v. H. Kopstadt. Braunschw. 1875.