ADB:Büren, Daniel der Jüngere von
Bürgermeisters gleichen Namens, welcher während seiner mehr als 50jährigen Amtsdauer (1486–1538) an der Einführung und Durchführung der Kirchenreformation in Bremen thätigen Antheil nahm, bei seinen Mitbürgern hoher Achtung genoß und in dem von ihm aufgezeichneten Denkbuch eine werthvolle Quelle für die Geschichte seiner Vaterstadt hinterlassen hat, erhielt v. B. eine vorzügliche Vorbildung für seine künftige amtliche Wirksamkeit, namentlich durch einen 7jährigen Aufenthalt auf der Hochschule zu Wittenberg. Mit der Freundschaft Luther’s und besonders Melanchthon’s (mit dem er auch später brieflich verkehrte), sowie vieler angesehener Männer seiner Zeit beehrt, ausgerüstet mit gediegener Bildung des Geistes und Gemüths, und in juristischer, wie auch in theologischer und philosophischer Wissenschaft so gut bewandert, daß er mit völlig selbständigem Urtheil an die schwierigen Streitfragen, welche seine Zeit bewegten, herantrat und Disputationen mit berühmten Theologen nicht scheute, fand er doch seinen eigentlichen Beruf in politischer Thätigkeit. Bereits im Alter von 26 Jahren in den Rath seiner Vaterstadt erwählt und sechs Jahre später mit der Bürgermeisterwürde bekleidet, wurde ihm dazu in einer ebenfalls mehr als 50jährigen Amtsführung unter besonders schwierigen Verhältnissen reichliche Gelegenheit zu Theil. Die überwiegende Mehrheit des Bremer Raths neigte sich damals mit den angeseheneren Geistlichen der Stadt, welche die neuen kirchlichen Zustände innerhalb derselben begründet und ausgebildet hatten, der strengeren, ausschließenderen Richtung des Lutherthums zu und erblickte in Folge davon in der Ubiquitätslehre ein unentbehrliches Dogma. Der Streit war in helle Flammen ausgebrochen, seit die freisinnigere Richtung unter den Bürgern durch den vom Domcapitel berufenen Albert Hardenberg (s. diesen) auch unter den Predigern der Stadt einen hervorragenden Vertreter erhielt. Vergeblich hatte B. alles aufgeboten, um den Frieden in der Bevölkerung und unter den Geistlichen zu erhalten. Selbst der Melanchthonischen Richtung zugethan und weiten Geistes strebte er nicht nach Ausschließung der anderen Richtungen; aber er forderte Freiheit auch für seine religiöse Ueberzeugung als eine Errungenschaft der Reformation. Indeß erreichte die orthodoxe Partei, welche in sämmtlichen größeren Städten und Landschaften im nordwestlichen Deutschland das Uebergewicht hatte, mit Hülfe des niedersächsischen Kreistags Hardenberg’s Entfernung aus Bremen, und schöpfte aus diesem Erfolg den Muth zu dem Versuch, auch seinen begabteren [583] und einflußreicheren Freund aus dem Regimente zu vertreiben, da das Ansehen dieses Mannes fast allein noch die glaubenseifrige Verfolgungssucht in Schranken hielt und die völlige Purification der bremischen Kirchen und Lehrstühle von allen namentlich in Bezug auf die Abendmahlsehre freier und unbefangener denkenden Geistern verhinderte. Unter den drei übrigen Bürgermeistern hatte B. keinen, unter sämmtlichen 28 Rathsherren nur drei Gesinnungsgenossen. Schon hatte er sich des Friedens halber gefallen lassen, daß ihn der Rath zu den Verhandlungen über Religionsfragen nicht mehr zuzog. Als man ihn aber auch vom Präsidium, das ihm im J. 1562 wieder zufallen mußte, ausschließen wollte, erklärte er, daß er kein halber Bürgermeister sein wolle, und verlangte sein gesetzliches Recht. Der drohenden Haltung der Bürgerschaft gegenüber, die in ihrer Mehrheit auf Büren’s Seite stand, lenkte der Rath für den Augenblick ein, um wenige Wochen später, von zahlreichen gleichgesinnten angesehenen Männern der Stadt begleitet, dieselbe zu verlassen und bei den benachbarten Fürsten und Städten gegen den „aufrührerischen“ Bürgermeister und das „ketzerische“, „Zwingli’sche“ Volk Hülfe zu suchen, – in Erinnerung daran, daß dieses Mittel der „Ausweichung“ schon zwei Mal, vor 30 und vor 130 Jahren, dem Rath zu einem Triumph über die wider ihn empörte Stadtgemeinde verholfen hatte. In dieser höchst schwierigen Lage bewährte sich Büren’s staatsmännisches Talent in bewunderungswürdiger Weise. Nicht einen Augenblick sah man ihn zaghaft. Nachdem eine Aufforderung zur Rückkehr an die Ausgewichenen erfolglos geblieben war, beschritt er mit unerschütterlicher Besonnenheit, beharrlichster Ausdauer, strenger Gesetzlichkeit und mit einer in solcher Lage seltenen Mäßigung den Weg, welcher durch die Verhältnisse vorgezeichnet war. Fast die ganze Verwaltung war neu zu organisiren und mit neuen Männern zu besetzen. Am kaiserlichen Hofe, auf verschiedenen Reichstagen, bei den größeren Fürsten etc. und namentlich bei dem bremischen Erzbischof galt es, das Interesse der bedrohten Stadt geschickt und nachdrücklich gegen die Anklagen und Forderungen ihrer Gegner zu vertreten, es galt durch die Belästigungen des Handels, welche von der alsbald erfolgten Ausschließung Bremens aus dem Verbande der Hansestädte drohten, sich nicht einschüchtern und über die Wehrhaftigkeit der Stadt und den entschlossenen Sinn ihrer Bürger keinen Zweifel aufkommen zu lassen. Alles gelang: ohne Blutvergießen wurde die Bewegung durchgeführt, der Friede innerhalb der Stadt bewahrt, und der Anblick dieses so sicheren und festen Regiments, das auch gegen anders gesinnte Einwohner sich milde erwies, sobald dieselben den Frieden der Stadt respectirten, trug allem Anschein nach neben den Einflüssen der allgemeinen politischen Verhältnisse am meisten dazu bei, daß die auswärtigen Verbindungen der Gegner sich machtlos erwiesen und sie genöthigt waren, nachs sechs Jahren ihren Frieden mit der Stadt zu machen, der alle Verhältnisse so bestehen ließ, wie sie inzwischen geordnet waren. Daß ihnen mit wenigen Ausnahmen die Rückkehr in die Vaterstadt gestattet ward, setzte namentlich B. bei der Bürgerschaft durch. Er hatte durch diesen Erfolg die Bevölkerung der Stadt mit gerechtem Selbstgefühl erfüllt; aber er hatte hier auch der leidenschaftlichen Aufregung gegenüber, mit welcher sich damals die kirchlichen Parteien befehdeten, ein großartiges Beispiel weisen und maßvollen, die Freiheit des Gewissens achtenden Regiments in wahrhaft staatsmännischem Geiste gegeben. Dadurch war hier für die freiere Auffassung der Reformationsgedanken, auf welcher die Gewähr ihrer Entwicklung beruhte, im nordwestlichen Deutschland inmitten anders gesinnter oder anders geleiteter Territorien ein fester Stützpunkt geschaffen, es war der Uebergang Bremens zur reformirten Kirche, der sich thatsächlich erst im folgenden Jahrhundert vollzog, bereits angebahnt; aber auch die politische Verbindung Bremens [584] mit den der gleichen Richtung folgenden Staaten und Territorien, namentlich mit Brandenburg (ein Schwager Büren’s, Dr. v. Borken, war kurbrandenburgischer Rath) und den Niederlanden war damit eingeleitet und sollte sich im weiteren Verlaufe noch vielfach als höchst bedeutsam für die Entwicklung der Stadt erweisen. – Es war B. beschieden, sich noch lange seines großen Erfolges zu erfreuen; seine fernere Wirksamkeit ist nicht mehr durch solche hervorragende Momente ausgezeichnet, aber er war darauf bedacht, die nächsten im Ganzen friedlichen Jahrzehnte, welche der Stadt geschenkt wurden, zum Ausbau der neuen Lage, in welche sie gebracht war, zu benutzen, namentlich auch durch die Pflege der geistigen Interessen. Die Erweiterung der lateinischen Schule in Bremen zu einem akademischen Gymnasium im J. 1584, welches lange Zeit eines weitverbreiteten Rufes genoß und fast den Charakter einer Universität annahm, die Berufung ausgezeichneter Lehrer nach Bremen (eines Molanus, Nathan Chytraeus u. A.) ist vorzugsweise auf Büren’s Einfluß zurückzuführen, wie er denn auch schon in früheren Jahren selbst dem Schulwesen als Scholarch vorgestanden hatte und fortwährend unter den gelehrten Männern besondere Achtung und Freundschaft genoß. Sein Rathsamt legte er im J. 1591 nieder; er starb am 8. Juli 1593. Der Sohn eines seiner erbittertsten Gegner, der gelehrte Theologe Johann Esich, hat ihm in einem Nachruf das Zeugniß ausgestellt: „Er war an Geschlecht, Wissenschaft, Frömmigkeit, Ehren, Unschuld seines Wandels und Verdiensten des höchsten Lobes werth.“ Sein Wirken hat der Entwicklung Bremens namentlich in kirchlicher und kirchenpolitischer Beziehung für lange Zeit den Stempel aufgedrückt. Eine würdige Darstellung desselben, an der es noch fehlt, für welche aber das bremische Staatsarchiv überreiches Material bietet, würde einen werthvollen Beitrag zur deutschen Geschichte jener Zeit liefern. Deneken’s kurze Schilderung (Die Brem. Bürgermeister D. v. B. d. Aeltere und D. v. B. d. Jüngere, Bremen 1836) ist den heutigen Ansprüchen gegenüber völlig ungenügend. Vgl. Duntze, Geschichte der fr. Stadt Bremen, III. Bd. (Bremen 1848), S. 290 ff. u. 360 ff., wo übrigens die Abbildung unrichtig Büren’s Namen trägt, und Spiegel, D. Alb. Riz. Hardenberg, ein Theologenleben a. d. Reformationszeit (Bremen 1869; besond. Abdruck aus B. IV. d. Brem. Jahrbuchs). – v. Büren’s einziger Sohn, desselben Vornamens, Daniel, war ebenfalls Bürgermeister in Bremen (1597–1608), übrigens ohne hervorragende Bedeutung.
Büren: Daniel v. B., der zweite bremische Bürgermeister dieses Namens, gehört zu den hervorragendsten Persönlichkeiten in der Geschichte Bremens, das vorwiegend seinem Wirken die eigenthümliche kirchliche und politische Stellung verdankt, die es seit der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts in Norddeutschland eingenommen hat. Am 3. Jan. 1512 geb., † 1593, nach der Familientradition einem aus Holstein im J. 1325 nach Bremen eingewanderten ritterlichen Geschlecht entsprossen, der Sohn des älteren