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„mit“

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Textdaten
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Autor: Kurt Tucholsky
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Titel: „mit“
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aus: Lerne lachen ohne zu weinen, S. 201–203
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1932
Verlag: Ernst Rowohlt
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Erscheinungsort: Berlin
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Originalherkunft:
Quelle: ULB Düsseldorf und Scans auf commons
Kurzbeschreibung:
Erstdruck in: Weltbühne, 10. Januar 1928
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[201]
„mit“

Daß es ernsthafte Verlage gibt, deren Lektoren Vokabeln wie „unerhört“, „fabelhaft“ und „ein unmögliches Hotel“ [202] durchgehn lassen, ohne daß der Schreibersmann damit die Sprachverschluderung von Snobs charakterisieren wollte, vielmehr die eigne aufzeigt, mag angemerkt werden. Diese großstädtischen Kleinstädter glauben wirklich, daß ihr „Kreis“ die Welt darstelle oder und zum mindesten die Pyramidenspitze der Welt.

Diese Sprachverderber, denen die vierhundert Modewörter fertig aus dem Munde kollern, und die keinen Satz mehr ohne „menschlich“ und „ihn als Menschen“ schreiben können, geben noch dem ärgsten Puristen recht, der der Meinung ist, daß man auch ohne „hallucinative Substantive“ auskommen könne. „Diese undeskriptiven Substantive sind gehirnlich-empfindsame Summationen …“ Kann man das auch auf deutsch sagen? Nein, das kann man freilich nicht auf deutsch sagen.

Und wenn die Grammatik in diesen Sprachsumpf taucht, dann bringt sie etwas ans Licht, das heißt: „mit“. Und sieht so aus:

Friedrich Nietzsche hat den snobistischen Superlativ erfunden; er milderte ihn durch „vielleicht“. Er schrieb fast nie: „Dieses Buch war im achtzehnten Jahrhundert von sehr großem Einfluß“, sondern er liebte es zu sagen: „Dieses Buch hat im achtzehnten Jahrhundert vielleicht den größten Einfluß ...“ Die Schönheit der Prosa dieses Philosophen hat manche Früchte getragen; seine kleinen Höcker trägt die ganze Familie. „M. ist vielleicht unser größter deutscher Journalist“ schreibt ein Reporter vom andern, das klingt, und darin steckt vor allem die Fiktion, als habe der Schreibende sämtliche deutsche Journalisten vor Augen, wähle unter ihnen aus, erwähle sich nun diesen einen … und er verdickt die Lüge, indem er sie durch „vielleicht“ scheinbar mildert. In dieser Schublade liegt „mit“.

Der Gedankengang ist, an einem Beispiel gezeigt, dieser:

[203] „In Gemeinschaft mit andern ist besonders Rathenau durch unklare Diktion dem philosophischen Bedürfnis der deutschen Masse entgegengekommen.“ Hier setzt nun die stenographische Denkweise der Analphabeten ein; sie schlucken den Satz herunter, würgen ihn wieder hoch, und das Wiedergekäute sieht dann so aus: „Rathenau hat mit am meisten …“ Es ist ganz und gar abscheulich: „mit“ ist eine Präposition oder Suffix eines Verbums – so aber, wie es sich da im Satz herumtreibt, ist es gar nichts, ein elendes Wrack vom Schiffbruch eines deutschen Satzes.

Es ist ein Jammer um die Pflege der deutschen Sprache.

Kümmert sich schon einmal einer um sie, dann heißt er Eduard Engel; dieser unsägliche Hohlkopf hat es neulich fertig bekommen, den feinen Sprachkenner Wustmann zu beschimpfen, der in der kleinen Zehe mehr Sprachgefühl hatte als der Schöpfer der arabischen Zahlen auf den Eisenbahnwaggons im Kopf hat. Das Zeitungsdeutsch, das sich erheblich gebessert hatte, ist heute wieder im Begriff, in Modewörtern zu ertrinken. Erst denken sie nicht, und dann drücken sies schlecht aus. „Er ist menschlich mit einer der besten, …“, daß das einer schreiben, redigieren, setzen und durchgehn lassen kann! Diese Snobs schreiben, wie die Verkäufer von Seidenwaren sprechen: atemlos, eilig, alles im Superlativ, bewegt anpreisend. Alles wird auf eine Spitze getrieben, von der es wackelnd wieder herunterfällt. „Daß ’s ja faabelhaft! Na, unerhöört! Ein unmöglicher Patron …!“ Wie viel Offizierskasino ist darin, wie viel Anreißerei!

Eine Rede ist keine Schreibe. Und dieses da ist weder eine solche noch eine solche.