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„Was verdrängt hat die Engländer von de Continente“

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Textdaten
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Autor: G.
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Titel: „Was verdrängt hat die Engländer von de Continente“
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aus: Die Gartenlaube, Heft 28, S. 442–444
Herausgeber: Ernst Keil
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Erscheinungsdatum: 1869
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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Deutschlands große Industriewerkstätten

8. „Was verdrängt hat die Engländer von de Continente“.

Das Bedrucken - baumwollener Gewebe war eine alte Kunst der Indier und Aegypter, die sich von dort aus nach China, Arabien, Persien und Phönicien, nach den Ländern am kaspischen Meere, wo sie Herodot bereits vorfand, nach Griechenland und Rom verbreitete. Ueberall in diesen Culturstaaten der alten Welt lernte man bald derartige Gewebe nachahmen. In China bediente man sich der hölzernen Formen, die man mit der Farbenmischung bestrich und auf das Gewebe, abklatschte. In Aegypten war es die Rohrfeder, die, von der geschickten Hund, des Farbenmalers geführt, das Zeug illustrirte, oder der Pinsel, der in merkwürdigen, unregelmäßigen Windungen den, Stoff mit einer Substanz bemalte, welche die imprägnirten Stellen, desselben vor Annahme der Farbe bei dem nachfolgenden Ausfärben schützte, wie Plinius ausführlich berichtet.

Aehnlich wie bei den Aegyptern verfuhr man in Persien, wo nach alter Tradition noch heute die Werkstätte des Färbens und Druckens „Christuswerkstätte“ genannt wird, weil nach der Sage Christus ein Färber war, der es verstanden, aus ein und demselben Farbenbad verschiedene Färbungen zu gleicher, Zeit auf das Gewebe zu übertragen. – Von sidonischen Tüchern in prachtvollen Farben singt schon der alte Homer. In Europa zeigen sich die ersten Spuren dieser Kunst in Gallien, Deutschland und England. Durch die Kreuzzüge gelangte die Kenntniß derselben nach Italien, wo in Florenz der Zeugdruck eingeführt wurde. Im Jahr 1523 errichtete Hoffmann die erste deutsche Kattundruckerei in Augsburg. Dieselbe galt als eine „freie Kunst“, bis sie 1693 den Fesseln des Zunftzwanges unterlag. Eine größere Bedeutung gewann, die Kattundruckerei 1758 durch J. von Schüle in Augsburg, der es verstand, seine Kunst wesentlich zu verbessern und allmählich zu heben, obgleich er anfänglich, nur mit geringen Mitteln ausgerüstet, mit großen Schwierigkeiten zu kämpfen hatte. Bald gewannen jedoch die Augsburgischen Kattune von Schüle einen anerkannten Ruf. Die anfänglich in Deutschland beliebten Muster waren meist Darstellungen aus der biblischen Geschichte, Unter Anderm galt „Josua und Kaleb“, eine Weintraube aus Canaan auf ihren Schultern tragend, für ein sehr gesuchtes Dessin. Dieser Geschmack mußte jedoch den von der trefflichen Musterzeichnerin Friedrichs ausgeführten kleineren reizenden Arabesken und Ornamenten weichen. Schüle wußte auch die Farben besser zu befestigen und ihnen Leben einzuhauchen, so daß er bis zum Ende des letzten Jahrhunderts den Markt fast ausschließlich beherrschte.

Aber durch die Erfindung des mechanischen Webstuhls und besonders durch die Walzendruckmaschine des Schotten Bell [443] trat eine ganz neue Aera ein. Die englischen Kattundrucker, die zuvor gegen die deutsche Manufactur nicht aufkommen konnten und nur durch das Einfuhrverbot indischer Stoffe vor dem gänzlichen Ruin gerettet wurden, bemächtigten sich der neuen Hülfsmittel und arbeiteten sich mit bewunderungswürdiger Kraft und Schnelligkeit empor. Der Großvater des berühmten Staatsmanns Sir Richard Peel war einer der Ersten, der die Maschinenindustrie so gut zu benutzen verstand, daß er in kurzer Zeit Millionär wurde. Sein Beispiel fand allseitige Nachahmung, und bald stand England an der Spitze des Kattunhandels, indem es mit seiner Waare die ganze Welt versorgte. Während in Deutschland das Schüle’sche Etablissement in Augsburg vor dieser großartigen Concurrenz zusammenbrach, konnte sich auch in Frankreich die große Fabrik von C. P. Oberkampf, seit 1760 in Jouy begründet, nur unter dem Schutze der Continentalsperre und durch Unterstützung des Staates behaupten. England hatte auf diesem Felde alle Völker besiegt und vollständig verdrängt.

Sehr langsam begann die continentale Kattundruckerei den Kampf wieder aufzunehmen und mehr als dreißig Jahre vergingen, bis endlich ein Berliner Fabrikant vor seinen König hintreten und ohne Prahlerei sagen durfte: „Ich bin der Liebermann, was verdrängt hat die Engländer von de Continente.

Das war der indes verstorbene alte „Commercienrath Liebermann“, dessen Geschäft noch heute unter der Leitung seiner ebenbürtigen Nachkommen (Benjamin, Louis und Georg Liebermann) blüht und einen bewunderungswürdigen Aufschwung genommen hat.

Schon vor ihm gab es fleißige und tüchtige Fabrikanten in Berlin, die es nicht an anerkennungswerthen Anstrengungen fehlen ließen, um die durch die Engländer vernichteten vierzig Kattundruckereien zu ersetzen. Im Jahr 1812 begründete E. F. Dannenberger an den Ufern der Spree ein neues Etablissement, das sich trotz der unglücklichen Conjuncturen behauptete und bereits 1838 als eine der bedeutendsten Fabriken des Continents, geachtet wurde. Später übernahmen die Herren Nauen und Löwe das Geschäft und führten es mit vielem Glück weiter fort. Seit 1860 kam es in die Hände Liebermann’s, dem es seine jetzige großartige Ausdehnung und Bedeutung verdankt.

Dort an der Stelle, wo sich einst die Krieger Albrecht’s des Bären tummelten und Raubritter, wie die Quitzows, das Eigenthum und Leben der verhaßten Stadtbewohner bedrohten, hat das gewerbfleißige Bürgerthum den schönsten Sieg auf friedlichem Gebiet erfochten und sich ein unvergängliches Denkmal seiner Tüchtigkeit errichtet.

Eine Reihe lang hingestreckter Gebäude und Quergebäude, hin und wieder durch Dampfkesselanlagen mit hohen Schornsteinen und durch schlanke Bäume unterbrochen, geben dieser Fabrikation den entsprechenden Ausdruck und ein großartiges Bild ihrer Leistungen. Treten wir in eines jener Gebäude ein, vor welchem ein hochbepackter Lastwagen hält. Mehrere Arbeiter sind damit beschäftigt, die rohen Stoffe und Gewebe, welche eine natürliche Rostfarbe und ein unansehnliches Aeußere zeigen, ohne viel Umstände herabzuwerfen. Hier beginnt die erste Umwandlung, die diese schmutzige, nichts weniger als angenehme Farbe in das blendendste Weiß überführt, auf besten reinem Grunde bald die herrlichsten Muster erblühen sollen. In großen Waschfässern muß mit Hülfe der kolossalen Waschmaschine der Staub, die des Webers mühsame Arbeit unterstützende „Schlichte“ und alles Ueberflüssige weichen. Wie aus einem wohlthuenden Bade geht das Gewebe vom Schmutz befreit in untadeliger Reinheit hervor, um, über Walzen und Rollen hingeleitet, wieder zu trocknen.

Wie in den Bädern des Orients wird das Zeug außerdem noch einem besondern Proceß unterworfen. Zu beiden Seiten der sogenannten „Klopfrahmen“ sitzen Mädchen und Frauen; im Tact schwingen sie den Stab zum auflockernden Schlag, während sie dabei lustige Lieder singen, die allerdings häufig von dem hohlen Widerhall der lärmenden Stäbe übertönt werden. Durch die Schwingungen richten sich die losen Fasern und der Flaum auf der Oberfläche des Gewebes auf, was der eigentliche Zweck dieser Thätigkeit ist. Aber was bedeuten dort die rothglühenden Cylinder und die feinen zuckenden Flammen des Gases, über die der so leicht verbrennliche Stoff hinweggezogen wird? Ist es nicht ein leichtsinnig übermüthiges Spiel, das feuerfangende Zeug mit den züngelnden Gluthen zu paaren? Aber wir dürfen ohne Furcht sein, da hier die höchste Vorsicht, die genaueste Berechnung der Zeit die Macht des gefährlichen Elements beschränkt. Des Feuers gewaltige Kraft findet nicht Zeit, sich auf die willkommene Beute zu stürzen, die im Flug vorübereilt, die nöthige Entfernung mit bewunderungswürdiger Genauigkeit beobachtet,, so daß nur die leicht und fein zertheilten hervorragenden Fasern versengt werden. Wenn aber, was zuweilen vorkommt, das Gewebe in seinem Laufe nur eine Secunde stockt, so verwandelt es sich sogleich in Dampf, Rauch und Asche.

Was die Flamme noch von Fäserchen übrig gelassen, das ergreift die „Noppmaschine“, hart über dem Stoff mit ihren spitzig feinen Zähnen hinstreifend, entfernt der „Scheermaschine“ schnell hinjagender Cylinder, umgürtet mit seinen scharfkantigen Messern, oder die „Bürstenwalze“ mit ihrer rauhen Bekleidung. So gereinigt, geklopft und geglättet verläßt das Gewebe seine bisherige Behausung und steigt in jenen Raum empor, dessen Bestimmung schon von Weitem der auffallend „chlorige“, die Lungen reizende und beklemmende Geruch verräth.

In großen Kufen verborgen, wirkt hier die Kraft des bleichenden Gases bald im Verein mit Wässer, bald mit Kalk verbunden. Um sich, von der Wirkung dieses Gases einen Begriff zu machen, genügt die Thatsache, daß ganz Deutschland mit allen seinen Feldern und Wiesen nicht ausreichen würde, um nur dem Producte einer einzigen großen Baumwollenfabrik zum Rasenbleichplatz zu dienen. Aber eine so gewaltige Kraft kann nicht nur segensreich, sondern muß auch zerstörend wirken, Um die angreifende Eigenschaft des Chlors zu schwächen und den schädlichen Einfluß zu beseitigen, wird das Gewebe zu langen endlosen Bändern vereinigt, durch eine Reihe von Bottichen und Maschinenbehältern geleitet, worin säurebindende Alkalien und frisches Wasser in fortwährend erneutem Strome diesen Feind der organischen Faser austreiben, während pressende Walzen die ausringenden Menschenhände hundertfach ersetzen. Wie frischgefallener Schnee, wie das Gefieder des Schwans leuchten die weißen Gewebe, welche jetzt erst würdig erscheinen, mit farbigen Blumen und bunten Arabesken geschmückt zu werden. Bald erwartet sie der Farben holder Zauber, des Regenbogens Pracht, des Frühlings Blüthenkränze. Aber nicht leicht wird die Vollendung erreicht; es ist eine schwere Aufgabe, die Harmonie der Farben zu finden, die flüchtigen Kinder des Lichts an den irdischen Stoff zu fesseln, den weißen Grund bald zu bewahren, bald verschwinden zu lassen. Zu diesem Zwecke sehen wir wiederum die Gewebstücke, zu langen endlosen Bändern von Neuem vereinigt, bald in diese Kufe eingetaucht, bald derselben entsteigen, um in eine andere niederzugehen, endlich in reichlich sprudelndem Wasser eine neue Reinigung empfangen, um sodann aufwärts durch die offene Decke des Saales in einen Trockenapparat zu gelangen. Sorgfältig von jeder Feuchtigkeit befreit, wird das Zeug von geschickten Frauenhänden vorsichtig ausgebreitet und dann unter die schweren Cylinder einer Maschine gebracht, durch die es die nöthige Glätte und Faltenlosigkeit empfängt.

Jene Kufen enthalten solche Stoffe, welche die Eigenschaft besitzen, den später aufzutragenden Farbestoffen theils Festigkeit, theils Nuancen zu verleihen. Aber noch andere wichtige Processe werden hier eingeleitet oder vorgenommen. Bald druckt man die gewünschten Muster mit Beizstoffen auf, um später durch Ausfärben in dem Farbenbade den Farbenstoff nur an diesen Stellen zu fesseln, während er an den ungebeizten Flächen nicht haften darf. Bald überzieht man alle Punkte, die in der ursprünglichen Weiße erhalten bleiben sollen, mit einer vor der Aufnahme des Farbestoffes schützenden Decke, so daß nach Entfernung jenes Schutzes der weiße Grund hervorleuchtet. Nicht selten druckt man auch die Muster in verschieden concentrirten, verschieden zusammengesetzten Beizen, die dann mit einem und demselben Farbenstoff sich zu verschieden nuancirten Farben verbinden.

Diese verborgenen Geheimnisse der Farben zu ergründen, ist die schwere, oft kaum zu lösende Aufgabe des Coloristen. Er ist die eigentliche Seele der Fabrik, während das Geld und der kaufmännische Scharfblick die andere Bedingung der Existenz, gleichsam den Körper für diese Seele bildet. Dort in dem Laboratorium, in der chemischen Farbenküche denkt und sinnt der erfinderische Geist. In zierlich geformten Retorten, Kolben und Ballons prüft er die Eigenschaften der verwendbaren Materialien, indem er den gegenseitigen Einfluß der verschiedenen Stoffe auf einander zu erforschen und durch eine Combination praktisch zu [444] verwerthen sucht. Hier herrscht der belebende Gedanke, von dem allein das Gedeihen der ganzen Anstalt abhängt. Ein Fehlgriff kann unabsehbaren Schaden, eine glückliche Idee noch größeren Nutzen stiften.

In der Person des eben so thätigen als verdienstvollen Doctor Heffter besitzt das genannte Etablissement den geeigneten Mann, der jene durchgreifenden Processe ersonnen, jene großartigen Verbesserungen ausgeführt, durch deren praktische Anwendung die Liebermann’sche Fabrik ihren jetzigen hohen Rang und ihre Bedeutung für den Weltmarkt gewonnen hat. Aus diesen Räumen sind jene neuen Combinationen und Nuancen hervorgegangen, die durch immer neue Abwechslung überraschen, durch Glanz und Schönheit die Sinne reizen und erfreuen, durch ihre Zweckmäßigkeit und Billigkeit die Bewunderung der Sachverständigen erregen. Mit diesen Vorzügen aber noch die Gefälligkeit der Form, die Reize eines geschmackvollen Musters zu vereinigen, ist eine nicht minder schwierige Aufgabe für den denkenden Geist, die von anderen talentvollen Männern gelöst wird.

In jenem imposanten Gebäude, das seine edle Facade der Straße zukehrt, finden, wir die großen Werkstätten für die hier beschäftigten Musterzeichner. In lichten weiten Sälen sitzen die Zeichner und Graveurs, um die leicht skizzirten Entwürfe und Ideen auszuführen, indem sie ihnen eine feste, für die praktische Anwendung geeignete Form geben. Ganz besondere Beachtung verdient dabei jene wunderbare Maschine, die man mit dem Namen „Pantograph“ oder „Pentagraph“ benannt hat; sie beruht auf einer Hebelanordnung, durch deren Wirksamkeit ein einziger Mann im Stande ist, beim Nachführen eines Griffels in den gravirten Linien eines in größeren Dimensionen auf Blech ausgeführten Musters sechs bis vierundzwanzig andere, mit Demantspitzen versehene Griffel in dieselbe Bewegung zu versetzen und zwar durch eine entsprechende Einstellung derartig, daß diese Diamanten das gegebene Dessin in beliebiger Verkleinerung in einen Firnißüberzug der zu gravirenden Kupferwalze so oft nebeneinander einritzen, als es der Rapport des Musters auf der Breite des Stoffes verlangt.

Wird nachher diese Walze einem Säurebade ausgesetzt, so erscheint an den vom Firniß entblößten Stellen durch Aetzung das gewünschte Dessin vervielfältigt. Auch mit Hülfe der vielfach sich abrollenden sogenannten „Molette“ werden die Muster auf die für den Druck bestimmten Walzen übertragen. Alle diese Arbeiten des Zeichnens und Stechens verlangen die höchste Schärfe und Genauigkeit; Gedanken und Aufmerksamkeit müssen durchaus ungestört auf einen Punkt gerichtet sein. Daher die lautlose Stille, welche in dem Arbeitssaale herrscht, nur unterbrochen von dem eintönigen Geräusch der Pantographen und dem Rollen der Krafttransmission. Es handelt sich hier um bedeutende Summen, da der Vorrath an Kupferwalzen und Gravirungen enorme Werthe repräsentirt. Allem die Herstellung eines Dessins, in welchem zwölf verschiedene Nuancen einer Farbe, oder zwölf verschiedene Farben erscheinen sollen, fordert auch zwölf besondere Walzen, deren jede nur zur Herstellung einer Farbe dient, die aber, um den gewünschten Effect zu erzielen, ganz genau mit einander harmoniren und sich ergänzen müssen.

In dem großartigen Complex von Gebäuden, welcher die eigentliche Druckerei enthält, befinden sich außer verschiedenen „Perotinen“ vierzehn Walzendruckmaschinen in fortwährender Thätigkeit. Der Anblick ihrer Arbeit gewährt ein ebenso interessantes als unterhaltendes Schauspiel. Hier bedeckt sich das Gewebe unter der Bewegung des malenden Cylinders mit türkischen Mustern in fünf oder sechs harmonischen Farben; dort zertheilt eine andere Walze den weißen Stoff in die einfachen, gleichmäßigen Felder eines Damenbretts, bei dem die Fehlfarben durch zierliche Schlangenlinien imitirt werden. Eine andere Maschine streut mit unsichtbarer Hand auf die lichte Fläche zahllose kleine Blumen, kleine Blätter, und dort scheint ein neckender Kobold Graupen und Grütze in toller Weise unter einander zu mischen.

Hell und freundlich schimmert jener Kleiderstoff, mit Chromgrün, gefärbt, in zierlichem Muster uns entgegen, und unwillkürlich denken wir uns dazu die schlanke Gestalt, einer reizenden Blondine mit goldenem Haar, blauen Augen und lachenden Rosenlippen, während die strohgelbe Farbe mit den zarten Arabesken gewiß trefflich zu den dunklen Locken – und den feurigen Blicken einer interessanten Brünette passen wird. Gleich einem blutigen Strome quellen aus der Maschine in scheinbar ewiger Wiederkehr endlose rothe Schnupftücher hervor, ausreichend für die Nasen eines ganzen Welttheils. Sie verdanken ihre Farbe dem kräftig schäumenden „Krappbade“, aus dem aber auch alle jene zart nuancirten rosa leuchtenden Zeuge gleich der schaumgeborenen Venus emporsteigen. Unter dem Einfluß der physischen Kräfte, unter dem Rauschen des Wassers, dem Brausen des Dampfes, dem Gähren der chemischen Gewalten entstehen jene Kinder der Mode und des Luxus, womit sich die fernsten Länder und die verschiedensten Stände schmücken. Diese blauen Gewebe sind für den Japanesen, jenes feuerrothe Zeug für den Mexicaner bestimmt; das geschmackvolle Muster wird die zarte Figur einer vornehmen Salondame zieren, und dort das einfache Dessin ein armes Kind aus dem Volke entzücken, während vielleicht eine schwarze Sclavin jene schreienden Farben bewundert und sie mit keinem andern noch so werthvollen Erzeugnisse der launenhaften Mode vertauschen möchte. Hier findet man die Toilette eines Erdballs vereint, jeden Geschmack berücksichtigt, die wunderlichsten Ansprüche in Bezug auf Form und Farbe befriedigt.

Zu diesem Behufe müssen alle Elemente, Natur und Kunst Wasser und Feuer, Physik und Chemie, Capital und Geist sich vereinen, die verschiedensten Operationen sich zweckvoll verbinden. Während das gebleichte und gebeizte Zeug an der einen Seite der Druckmaschine eintritt, verläßt es dieselbe gemustert an der andern, um über Rollen und Cylinder fort zwischen den warmen Dampfplatten getrocknet zu werden. In dem gegenüberliegenden Gebäude wartet schon wieder ein neuer Complex der ingeniösesten Maschinen, um dem bedruckten Stoffe die letzte Vollendung zu geben. Durch Waschen, leichtes Bleichen, Stärken und Bläuen, um die Weiße des Grundes hervorzuheben, durch Trocknen und Glätten wird dem Gewebe noch der äußere Glanz verliehen, um die Käufer anzulocken. Schließlich bestimmt eine selbstthätige Meßmaschine das Maß und die Lage des Stoffes, dem eine eigene Presse das Siegel der Beständigkeit aufdrückt.

Eine fortlaufende Reihe von ineinander greifenden Processen gehört dazu, um das ordinärste und billigste Stück Kattun zu liefern. Wer denkt bei dem Anblick dieser leichten Waare an die, kolossale Anstrengung, die ihre Hervorbringung erfordert! Dafür arbeitet unablässig bei Tag und Nacht die riesige Dampfmaschine mit der Kraft von dreihundertundvierzig Pferden. In vierzehn großen eisernen Kesseln erzeugt, wirkt außerdem der Dampf von siebenzehn kleineren und größeren Maschinen, um die zahllosen Wellen, Räder und Walzen zu bewegen, die sich ohne Aufhören drehen und die verschiedensten Dienste verrichten, zu denen Tausende von Händen nicht ausreichen würden. Hunderte von Arbeitern sind überdies noch mit Färben, Drucken, Zeichnen, Graviren und mit anderen nothwendigen Verrichtungen beschäftigt. In kolossalen Fässern, Kufen und Gefäßen siedet und kocht die Beize, von aufmerksamen Augen beobachtet. Alles muß ineinander greifen und sich gegenseitig unterstützen. Das Ganze aber fordert einen Aufwand von Scharfsinn, Fleiß, Unermüdlichkeit und Sachkenntniß, wovon der oberflächliche Beobachter kaum eine Ahnung haben kann. Nur so ist es möglich, daß in diesen Fabrikhallen täglich tausend Stück Kattun fertig bedruckt geliefert werden.

Dort aber in seinem Comptoir sitzt – der Eigenthümer des Etablissements, von dem der Anstoß dieses großartigen Getriebes ausgeht, und rechnet, grübelt, sinnt und sucht, um neue Absatzwege für seine Waaren zu finden, um den Kampf mit der drohenden Concurrenz bestehen zu können. Sein scharfes Auge überschaut die ganze Erde und dringt in die fernsten Länder, um ihre Bedürfnisse, ihre Forderungen, ihre Ansprüche und ihren Geschmack zu erkunden. Er folgt dem Lauf der Schiffe, er lauscht den Nachrichten, die der telegraphische Draht ihm aus allen Himmelsgegenden bringt. Krieg und Friede, die Baumwollenernte, die Schwankungen des Weltmarkts bestimmen sein Geschick und das der tausend Arbeiter, die in seinen Diensten stehen. Er wägt und erwägt, ob er des Geldes Macht zum kühnen Schachzug entfesseln, ober bis zur gelegeneren Stunde zurückhalten soll. Mit sorgenschwerem Haupte erwartet er die unausbleibliche Krisis, ohne darum den Muth zu verlieren, für alle Fälle gerüstet, gewissenhaft für das Wohl, der zahlreichen Arbeiter besorgt, die auf ihn voll Vertrauen blicken. Stets zur Hülfe bereit, für alle guten Zwecke thätig, für alle humanistischen Bestrebungen opferfreudig, ist der Chef des Hauses Liebermann einer der ehrenwerthesten Repräsentanten der deutschen Industrie, der er zur Zierde gereicht.

G.