Übereinkommen zwischen dem Deutschen Reiche und Österreich, betreffend den gegenseitigen gewerblichen Rechtsschutz
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(Nr. 3551.) Übereinkommen zwischen dem Deutschen Reiche und Österreich, betreffend den gegenseitigen gewerblichen Rechtsschutz. Vom 17. November 1908.
Seine Majestät der Deutsche Kaiser, König von Preußen, im Namen des Deutschen Reichs,
Seine Majestät der Kaiser von Österreich, König von Böhmen usw. und Apostolischer König von Ungarn,
von dem Wunsche geleitet, den gegenseitigen Verkehr zwischen den: Deutschen Reiche einerseits und Osterreich andererseits in betreff des gewerblichen Rechtsschutzes zu regeln, haben beschlossen, zu diesem Zwecke ein besonderes Übereinkommen zu treffen und demgemäß zu Ihren Bevollmächtigten ernannt:
- Seine Majestät der Deutsche Kaiser, König von Preußen:
- Allerhöchstihren mit der Leitung des Auswärtigen Amtes betrauten außerordentlichen Gesandten und bevollmächtigten Minister, Wirklichen Geheimen Rat Alfred von Kiderlen-Waechter;
- Seine Majestät der Kaiser von Österreich, König von Böhmen usw. und Apostolischer König von Ungarn:
- Allerhöchstihren Kämmerer, Legationsrat bei der Kaiserlichen und Königlichen Botschaft hier, Dr. Ludwig Freiherrn von Flotow
- Allerhöchstihren Präsidenten des Kaiserlich-Königlichen Patentamts, Sektionschef Paul Ritter Beck von Mannagetta und Lerchenau,
welche, nach gegenseitiger Mitteilung ihrer in guter und gehöriger Form befundenen Vollmachten, die folgenden Artikel vereinbart haben:
Artikel 1.
[Bearbeiten]- Im gegenseitigen Verkehre zwischen dem Deutschen Reiche und Osterreich finden nach Beitritt Österreichs zur Internationalen Übereinkunft zum Schutze des gewerblichen Eigentums vom 20. März 1883 und der diese Übereinkunft ergänzenden oder abändernden Zusatzakte in Bezug auf den gewerblichen Rechtsschutz [656] neben den Bestimmungen dieser Übereinkunft nachstehende Bestimmungen Anwendung.
Artikel 2.
[Bearbeiten]- Die Einfuhr einer in den Gebieten eines der vertragschließenden Teile hergestellten Ware in die Gebiete des anderen Teiles soll in den letzteren den Verlust des für diese Ware erworbenen Schutzrechts, auch soweit es ein Muster oder Modell betrifft, nicht zur Folge haben.
Artikel 3.
[Bearbeiten]- Öffentliche Wappen aus den Gebieten des einen vertragschließenden Teiles werden in den Gebieten des anderen Teiles nicht als Freizeichen angesehen werden. Dies gilt auch für solche Ausführungen der Wappen, welche Abweichungen von der amtlichen Ausführungsform aufweisen, sofern trotz dieser Abweichungen Verwechselungen im Verkehre zu erwarten sind.
- Warenzeichen, welche solche Wappen als Bestandteile enthalten, soll, sofern diese Wappen nachweisbar berechtigterweise von dem Anmelder in dem Warenzeichen geführt werden, in den Gebieten des anderen Teiles die Eintragung in die Zeichenrolle (das Markenregister) wegen Führung solcher Wappen nicht versagt werden können.
- Außer demjenigen, welcher die Berechtigung zur Führung solcher Wappen besitzt, hat niemand Anspruch auf Schutz dieser zusammengesetzten Warenzeichen.
- Diese Bestimmungen finden insbesondere auch auf das österreichische Erblandswappen Anwendung.
- Warenzeichen, welche in den Gebieten eines der vertragschließenden Teile als Kennzeichen der Waren von Angehörigen eines bestimmten gewerblichen Verbandes, eines bestimmten Ortes oder Bezirkes Schutz genießen, sind, sofern die Anmeldung dieser Warenzeichen vor dem 1. Oktober 1875 in den Gebieten des anderen Teiles erfolgt ist, hier von der Benutzung als Freizeichen ausgeschlossen.
- Außer den Angehörigen eines solchen Verbandes, Ortes oder Bezirkes hat niemand Anspruch auf Schutz dieser Warenzeichen.
Artikel 4.
[Bearbeiten]- Muster und Modelle, sowie Warenzeichen, für welche deutsche Angehörige in Österreich einen Schutz erlangen wollen, sind bei der Handels- und Gewerbekammer in Wien oder bei der künftig an deren Stelle tretenden Registrierungsbehörde anzumelden.
Artikel 5.
[Bearbeiten]- Jeder der vertragschließenden Teile wird, soweit dies noch nicht geschehen ist, Bestimmungen gegen den Verkauf und das Feilhalten solcher Waren treffen, welche zum Zwecke der Täuschung in Handel und Verkehr unbefugterweise mit [657] öffentlichen Wappen aus den Gebieten des anderen vertragschließenden Teiles oder mit Namen bestimmter, in den Gebieten des anderen Teiles gelegenen Orte oder Bezirke behufs Bezeichnung des Ursprunges versehen sind.
Artikel 6.
[Bearbeiten]- Im Falle einer der vertragschließenden Teile aus dem Verbande der Internationalen Union zum Schutze des gewerblichen Eigentums austreten sollte, hat er über die erfolgte Kündigung dem anderen Teile sofort Mitteilung zu machen und gleichzeitig die Verhandlungen behufs Revision des gegenwärtigen Übereinkommens einzuleiten.
- Sollten diese Verhandlungen bis zu dem Zeitpunkt, in welchem laut Artikel 18 der Internationalen Übereinkunft vom 20. März 1883 der Austritt wirksam wird, nicht zum Abschlusse gelangen, so haben bis zum Zustandekommen eines neuen Übereinkommens auch weiterhin die Bestimmungen jener Übereinkunft nebst den sie ergänzenden oder abändernden Zusatzakten im gegenseitigen Verkehre der vertragschließenden Teile in Anwendung zu bleiben.
Artikel 7.
[Bearbeiten]- Für die im Deutschen Reiche als Gebrauchsmuster, in Österreich hingegen als Erfindungen angemeldeten Gegenstände wird die im Artikel 4 der durch die Zusatzakte vom 14. Dezember 1900 abgeänderten Internationalen Übereinkunft vom 20. März 1883 gewährleistete Prioritätsfrist, wenn die Anmeldung zuerst im Deutschen Reiche erfolgte, auf vier Monate, wenn die Anmeldung zuerst in Österreich erfolgte, auf zwölf Monate bemessen.
Artikel 8.
[Bearbeiten]- Das gegenwärtige Übereinkommen tritt mit dem Zeitpunkt in Kraft, zu welchem der Beitritt Österreichs zu der Internationalen Union zum Schutze des gewerblichen Eigentums wirksam wird. Mit diesem Zeitpunkte treten vorbehaltlich der Bestimmung im Artikel 9 Abs. 1 des gegenwärtigen Übereinkommens die auf den gegenseitigen Patent-, Muster- und Markenschutz Bezug habenden bisherigen Vereinbarungen außer Kraft.
- Dieses Übereinkommen bleibt bis zum Ablauf eines Jahres nach erfolgter Kündigung von seiten eines der vertragschließenden Teile in Kraft.
Artikel 9.
[Bearbeiten]- Diejenigen Erfindungen, Muster und Modelle, sowie Warenzeichen, welche vor dem Zeitpunkte des Inkrafttretens des gegenwärtigen Übereinkommens in den Gebieten des einen vertragschließenden Teiles angemeldet sind und innerhalb der Frist von drei Monaten nach diesem Zeitpunkt in den Gebieten des anderen Teiles angemeldet werden, genießen ein Vorrecht entweder nach Maßgabe [658] der Artikel 3 und 4 des Übereinkommens vom 6. Dezember 1891 oder nach Maßgabe des Artikel 4 der durch die Zusatzakte vom 14. Dezember 1900 abgeänderten Internationalen Übereinkunft vom 20. März 1883, je nach dem die eine oder die andere Vereinbarung dem Anmelder günstiger ist.
- Die Bestimmungen des Artikel 3 finden auch auf diejenigen Warenzeichen Anwendung, für welche im Zeitpunkte des Inkrafttretens des gegenwärtigen Übereinkommens eine noch nicht endgültig erledigte Anmeldung zur Eintragung in die Zeichenrolle (das Markenregister) vorliegt.
Artikel 10.
[Bearbeiten]- Dieses Übereinkommen soll ratifiziert und die Ratifikationsurkunden sollen sobald als möglich in Berlin ausgewechselt werden.
- Zu Urkund dessen haben die beiderseitigen Bevollmächtigten das gegenwärtige Übereinkommen unterzeichnet und ihre Siegel beigedrückt.
- So geschehen in Berlin, den 17. November 1908.
- (L. S.) von Kiderlen-Waechter.
- (L. S.) Freiherr von Flotow.
- (L. S.) Ritter Beck von Mannagetta und Lerchenau.
Das vorstehende Übereinkommen ist ratifiziert worden, und die Auswechselung der Ratifikationsurkunden hat am 30. Dezember 1908 in Berlin stattgefunden.