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Über die Erstürmung der Speicherer Höhen

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Titel: Über die Erstürmung der Speicherer Höhen
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 41, S. 680–681, 687
Herausgeber: Ernst Keil
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1870
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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[680]

 Zollhaus.   Französische Artillerie. Reste der französischen Schützenhütte
 Stürmende Abtheilungen vom 39., 74. und 44. Regiment   am Randes Stiringer Waldes.
 Gedeckte Stellung der französischen Schützen.  
 Chaussee von Saarbrücken nach Forbach.

Der Kampf um die Höhen von Speichern vom Stiringer Walde aus gesehen.
Originalzeichnung von Chr. Sell.

[687] Ueber die Erstürmung der Speicherer Höhen haben wir bereits in Nr. 34 und 36 der Gartenlaube eingehende Berichte aus der Feder unserer Specialberichterstatter vom Kriegsschauplatze gebracht. Beide haben das Terrain der überaus blutigen und erbitterten Schlacht, sowie deren fortschreitenden Gang mit so klaren und sicheren Strichen gezeichnet, daß wir unserer heutigen Illustration nur wenige Worte beizugeben brauchen.

Es ist bekannt, daß die Franzosen ihre Position für geradezu uneinnehmbar hielten, wie es schien mit Recht, denn die Höhen, welche sie besetzt hatten, bildeten schon durch Gestalt und Form eine natürliche Festung, deren Unbezwingbarkeit durch vier kluftartige Einschnitte und durch die Steilheit des Abfalls wirklich verbürgt erscheinen mußte. Zu allem Ueberfluß hatte die weit übermächtige französische Besatzung – es standen zehntausend Deutsche gegen dreißigtausend Franzosen – die Höhen durch künstliche Ringverschanzungen noch befestigt, Laufgräbengürtel zogen sich rings um den Berg und lange Reihen eherner Geschütze, auf den Abhängen neben und über einander aufgestellt, spieen Tod und Verderben auf die anstürmenden Preußen. Und dennoch erklommen diese mit einer Todesverachtung, welche unsere ganze Bewunderung verdient, die Höhen, stürmten sie viermal, um sie, viermal zurückgeworfen, das fünfte Mal siegreich zu behaupten, nahmen die Geschütze, erbeuteten das Zeltlager einer ganzen Division, machten nahezu ein Tausend unverwundete Franzosen zu Gefangenen und schlugen die Uebrigen in alle Winde.

Unsere Illustration, von der Meisterhand Chr. Sell’s, stellt den Augenblick der Schlacht dar, in welchem das dritte Bataillon des neununddreißigsten Regiments und Abtheilungen des vierundsiebenzigsten und siebenundsiebenzigsten Regiments zum Sturm gegen die Speicherer Höhen vorgehen, nachdem sie den Feind aus dem Stiringer Walde vertrieben. Nur die heldenmüthige Tapferkeit, die unerschrockene, durch Nichts zu erschütternde Ausdauer unserer Truppen kam dem Ernste der Lage gleich; denn wenn auch links der bewaldete Theil der Hügelkette bereits von zwei Bataillonen des neununddreißigsten Regiments und vom zwölften Regiment genommen waren, so befanden sich doch die eigentlichen Höhen noch im Besitze der Franzosen; von dem Kamme schleuderte die feindliche Artillerie unter brüllendem Donner in weiter Linie einen tödtlichen Hagel von Geschossen auf die Anstürmenden und dreimal, bis weit herunter an den Fuß der Höhen, waren Gräben mit Brustwehren rings herum aufgeworfen, aus deren geschützter Stellung die französischen Schützen ein unaufhörliches knatterndes, rasselndes Feuer unterhielten. Die äußerste Position der Franzosen bildete in dem Augenblicke, da die oben genannten Regimenter in den Kampf um die Speicherer Höhen eingriffen, die mit Pappelbäumen besetzte Chaussee, welche von Forbach nach Saarbrücken führt und an der das Zollhaus liegt, dessen Steuerbeamte bekanntlich gleich zu Anfange des Krieges von den tapferen Franzosen in dunkler Nacht aus den warmen Betten geholt und über die Grenze geschleppt wurden.

Der Verlust der deutschen Truppen an dieser Stelle war enorm. Das zweite Bataillon des siebenundsiebenzigsten Regiments – Hannoveraner – verlor allein in sechsstündigem Kampfe zwölf Officiere und zweihundertzwanzig Mann; das Regiment im Ganzen büßte fünfundzwanzig Officiere und sechshundertzwanzig Mann ein[WS 1].

Es ist begreiflich, daß das Ziel des Kampfes bei solchen Schwierigkeiten, wie wir sie eben schilderten, nur erreicht werden konnte, indem jeder Soldat vom jüngsten Tambour bis zum commandirenden General seine äußerste Pflicht that. Wie sehr das der Fall, beweist folgende Episode aus der Schlacht, welche wir der Mittheilung eines Augenzeugen vom neununddreißigsten Regimente verdanken.

Als der Brigade-Commandeur General von François sah, daß nur die höchste Entschlossenheit es möglich machen werde, einen vor ihm liegenden, von den Franzosen besetzten Terrainabschnitt zu nehmen, zog er den Degen und rief mit lauter Stimme: „Die Officiere der neunten Compagnie!“

Die Gerufenen traten vor, der General aber befahl einem Hornisten: „Zum Avanciren blasen!“

Der wackere Hornist hatte vor wenigen Minuten das Gewehr eines gefallenen Cameraden aufgelesen, sprang damit vier bis fünf Schritte aus seiner gedeckten Stellung vor, legte ruhig an, zielte, schoß und zog sich dann immer wieder in seine Stellung zurück.

Der Befehl des Generals traf ihn, als er eben mit dem fertigen Gewehr wieder vortreten wollte.

„Excellenz,“ entgegnete er trocken, „die Kugel muß erst noch aus dem Laufe sein.“

Sprach’s, machte noch ein paar Schritte nach vorwärts, hob das Gewehr an die Wange und gab seinen Schuß ab, der – im Pulverdampfe waren Einzelnheiten kaum zu erkennen – seinen Mann nicht gefehlt haben wird. Nachdem dies geschehen, trat er wieder zurück, griff zum Horn und gab das befohlene Signal zum Avanciren.

Der General fand Gefallen an dem Braven; später meinte man, er habe ihm wohl eine Auszeichnung zugedacht. Denn der General frug ihn nach seinem Namen.

„Hasselhorst, Excellenz.“

Dann schwang der General seinen Degen und ging, von dem Hornisten, der auch jetzt noch von seinem Gewehr nicht ließ, gefolgt, der hurrahrufenden Mannschaft voran, zum Sturme vor.

Er hatte kaum ein paar Schritte gethan, als er, von sechs Kugeln durchbohrt, niederstürzte. Wenige Schritte von ihm fiel fast gleichzeitig sein tapferer Hornist, von einer Kugel in den Kopf getroffen. Der General v. François aber hatte noch so viel Kraft, Orden und Degen abzugeben, dann schloß auch er die Augen für immer.


Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: en