Über die Blüthraupe
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VII.
Über die Blüthraupe.
Aus Briefen aus der Tann den 11 Nov. 1790.
Es hat zwar der hiesigen Gegend nie an geschickten Gartenfreunden gefehlt, die sich durch die Anpflanzung gesunder Obststämme und durch eine sorgsame Veredelung mit tragbaren und überall geschätzten Obstsorten, auszeichneten: inzwischen ist die Thätigkeit für diesen Nahrungszweig lange noch nicht groß genug, um für das Ganze merkliche Vortheile zu erlangen. Viele Bürger und Landleute besitzen die schädlichsten Ländereyen für Obstbäume, sind aber zu unwissend oder zu träge, um dergleichen anzupflanzen; andere werden durch die zunehmende Felddieberey und verübten Frevel an jungen Bäumen abgehalten, Mühe und Kosten anzuwenden. Dazu gesellen sich Spatfröste, heftige Winde und starke Regen in der Blüthezeit, und die alles verheerende Raupen: so daß man seit vielen Jahren kein allgemein gutes Obstjahr gehabt hat; wenn auch schon hie und da einige Gärten fruchtbar waren, je nachdem sie eine andere Lage hatten. Besonders schädlich ist seit 1787 bis 1790 die| Blüthraupe (phalaena dispar?) fast in der ganzen hiesigen Gegend geworden: so daß man bey sorfältigster Düngung und Behackung etc. etc. dennoch unbelohnt bleibt. Dieses laufende Jahr versprach, so wie das vorige, eine ausserordentlich gute Obstärnde; allein die Raupen zernichteten die Blüthen sehr bald, und leerten die Bäume so ab, daß sie wie versengt da standen. Ich lese schon seit einigen Jahren die besten Gartenschriften in dieser Absicht; konnte aber nichts dagegen finden, das leichter und wohlfeiler wäre, als was Herr von Wilke in seiner Abhandlung über den Obstgarten empfohlen hat. Die Blüthraupe läßt sich nämlich im Junius und Julius von den Bäumen an ihren Fäden nieder, verkriecht sich in die Erde, um sich einzuspinnen, und gegen den zwölften October kommt sie als Dämmerungsfalter zum Vorschein, paart sich, legt ihre Eyer an und stirbt. Das Weibchen derselben hat ganz kurze zum Fliegen untüchtige Flügel, und muß den Baum hinauf laufen, um seine Eyer anzulegen. Indem Herr von Wilke dieses bemerkte, so kam er auf einen zu machenden Umband, der mit einer Art Vogelleim bestrichen würde, damit man die Weibchen dieser Schmetterlinge| sicher wegfangen könnte, wenn sie hinauf laufen wollten. Er ließ daher aus zwey Theilen Pech und einem Theile Leinöl einen solchen Vogelleim kochen, legete um jeden Baum einen drey Finger breiten Streif Papier, band ihn mit einer Weide oder Hopfenranke vest, und strich darauf rings herum, einen Finger breit, mit einem Pinsel, etwas weniges; er wiederhohlte dieses alle 3 Tage, und fand zu seinem Vergnügen diese Obstfeinde bis Ende Novembers täglich in Menge gefangen. – Dieses munterte mich auf, das nämliche zu versuchen. 1789, zu Anfang des Octobers legte ich um 64 meiner besten Bäume Papierstreifen, drey Finger breit, rings herum, band sie mit eingeweichten Hopfenranken vest, und sotte aus 8 Loth Pech und 2 Loth Öhl einen zähen gut klebenden Leim. Den 12 October strich ich zum erstenmahl denselben auf, und hatte den 13. 14. und 15. Octob. schon 60 Stück Weibchen und 40 Stück Männchen gefangen. Einige Weibchen hatten auf das Papier, wo sie klebten, kleine hellgrüne Eyer gelegt. Ich strich von drey zu drey Tagen frischen Leim auf, und nahm allemahl vorher mit einem Messer die gefangenen ab, strich sie auf einen halben Bogen altes Papier und verbrannte sie zu Hause| im Ofen; so fing ich bey nasser und kalter abwechselnder Witterung, bis Ende Novembers, wo starker Schnee fiel, zwölftausend und sechshundert dieser Männchen und Weibchen. Niemand war froher als ich; denn nun hoffte ich unfehlbar eine gute Obstärnde; allein ich hatte mich dennoch geirrt. Einige Spatfröste, da die Bäume schon blühten, eine andere Art Raupen, und die Nachlässigkeit meiner Nachbarn verursachten, daß ich auch gar nichts ärndete. So viel habe ich aber nun doch gesehen, daß meine Bäume noch mit vollem Laube da standen, als bereits alle Bäume in den Nebengärten ganz abgeleert waren: und dieß bewog mich auch dieses Jahr den Versuch zu wiederhohlen. Da ich bereits von 15 October bis 10 Nov. über fünftausend Stück gefangen habe; so scheint ihre Niederlage dieses Jahr noch größer werden zu wollen. – Was ich dieses Jahr besonders finde, ist die größere Menge Weibchen dieses Insects, das den alten Bäumen mit rauher Schaale gefährlicher ist, als den jungen Bäumen mit glatter Rinde. Birn, Äpfel und Quittenstämme leiden am mehresten; Zwetschgen und Pflaumen weniger; Kirschen fast gar nicht. – Die mehresten dieser Blüthraupenschmetterlinge fangen sich| an der mittägigen Seite des Stammes; vermuthlich weil sie aus Naturtrieb ihre Eyer daselbst, aus Fürsorge für die künftige Brut, anlegen, um die Frühlingswärme eher zu genießen. Zwischen der geborstenen Rinde alter Äpfel- und Birnbäume habe ich dicht an der Erde herauf viele solcher blasgrünen Eyer dieses Insects ganz einzeln gefunden: und glaube, daß das Beschaben der Bäume im Frühling, und Abreiben der Äste und jungen Stämme mit einem groben wollenen Lappen, in Verbindung mit dem von Wilkischen Umband, ein sicheres Mittel gegen diese Art Blüthraupen sey. Es wäre der Aufmerksamkeit würdig: ob Bäume im Grasland oder Ackerland, das vor dem 12 Oct. bearbetet worden, künftiges Frühjahr weniger solcher Blüthraupen hätten, als im ruhig gelegenen Graslande? Ob nicht durch das Bearbeiten des Bodens viele getödet würden? Ob es daher nicht auch in dieser Rücksicht vortheilhaft sey, den Grasboden um die Bäume schon im October aufzuhacken und mit gutem Dünger zu belegen? – Ich werde nicht ermangeln, den Erfolg dieses Versuchs zu seiner Zeit zu melden.
Sr.