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Über das farbige Licht der Doppelsterne und einiger anderer Gestirne des Himmels

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
Autor: Christian Doppler
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Titel: Ueber das farbige Licht der Doppelsterne und einiger anderer Gestirne des Himmels.
Untertitel:
aus: Abhandlungen der k. böhm. Gesellschaft der Wissenschaften (V. Folge, Bd. 2, S. 465-482) (ursprünglicher Aufsatz)
Herausgeber: F. J. STUDNlCKA (Reprint)
Auflage:
Entstehungsdatum: 1842
Erscheinungsdatum: 1842 (ursprünglicher Aufsatz), 1903 (Reprint)
Verlag: Verlag der Königl. Böhm. Gesellschaft der Wissenschaften
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Erscheinungsort: Prag
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Scan des Reprints von 1903 auf Commons, zusätzlich Scan des Originals von 1842 auf Commons
Kurzbeschreibung: Grundlegende Arbeit über den später nach dem Autor benannten Doppler-Effekt.
siehe zu dieser Arbeit: Abhandlungen von Christian Doppler, herausgegeben von H.A. Lorentz, 1907, und Ein Paar Bemerkungen über die neue Theorie in Herrn Professor Chr. Doppler’s Schrift von Bernhard Bolzano, 1843

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[1]
UEBER DAS
FARBIGE LICHT DER DOPPELSTERNE
UND EINIGER ANDERER
GESTIRNE DES HIMMELS.



VERSUCH EINER DAS BRADLEY'SCHE ABERRATIONS-THEOREM ALS INTEGRIRENDEN THEIL IN SICH SCHLIESSENDEN ALLGEMEINEREN THEORIE.



VON


CHRISTIAN DOPPLER,
PROFESSOR DER MATHEMATIK UND PRAKTISCHEN GEOMETRIE AM TECHNISCHEN INSTITUTE
UND AUSSERORDENTL. MITGLIED
DER KÖNIGL. BÖHM. GESELLSCHAFT DER WISSENSCHAFTEN.



ZUR FEIER
SEINES HUNDERTSTEN GEBURTSTAGES
ALS ERSTE VERÖFFENTLICHUNG DES NACH IHM BENANNTEN
PHYSIKALISCHEN PRINCIPS



NEU HERAUSGEGEBEN VON
DR. F. J. STUDNlČKA,
K. K. HOFRAT, PROFESSOR DER MATHEMATIK AN DER BÖHM. UNIVERSITÄT.


(MIT DOPPLER'S PORTRÄT.)




PRAG 1903.
VERLAG DER KÖNIGL. BÖHM. GESELLSCHAFT DER WISSENSCHAFTEN.
DR. ED. GRÉGR A SYN, BUCHDRUCKEREI IN PRAG.
[2]
[3]
Vorwort.

Bekanntlich enthält die vorliegende Abhandlung, vor 60 Jahren im Aktenband der kön. böhmischen Gesellschaft der Wissenschaften (V. Folge II. Bd.) veröffentlicht, die erste Stilisierung des nachträglich so berühmt, weil für die moderne Astrophysik unentbehrlich gewordenen, später so genannten Doppler'schen Princips.

Da auf den 29. November 1. J. der hundertste Geburtstag des gefeierten Autors derselben fällt, welchen festlich zu begehen die genannte Gesellschaft über meine Anregung beschlossen hat, erhielt ich den ehrenden Auftrag, einen wortgetreuen Wiederabdruck dieses nunmehr der Geschichte der Physik angehörenden Aufsatzes zu besorgen, damit er allen bequem zugänglich gemacht werde, die sich um die Provenienz eines so folgenreichen Princips kümmern, und zugleich das Andenken an dessen Entdecker wach erhalten werde, der während seiner, leider! nur kurzen Lebenszeit seinetwegen vielfache Kämpfe durchzufechten hatte — wir erinnern hier nur an Prof. Petzval, der sogar sein „Princip der Erhaltung der Schwingungsdauer“ als entscheidend angesehen wissen wollte. —

Ausserdem mag hier noch angeführt werden, dass die königliche Hauptstadt Prag, wo Christian Doppler als Professor der Mathematik und praktischen Geometrie am ständischen Polytechnikum seine schönsten Jahre zubrachte und hier auch von der Universität zum Ehrendoktor der Philosophie promoviert wurde, sein Andenken dadurch zu ehren sich über meinen Antrag entschied, dass ihr Stadtrat an dem Hause, wo Doppler [4] sein Princip konzipiert hat, eine entsprechende Gedenktafel anbringen liess, und zugleich hoffen lässt, dass die neue Gasse, welche die Zukunftsbauten der naturwissenschaftlichen Universitäts-Institute verbinden soll, Dopplers' klangvollen Namen erhalten werde, adaequat dem Vorgange, wodurch derselbe astrophile Stadtrat vor zwei Jahren die Erinnerung an den prager Aufenthalt Tycho's und Keppler's so würdig und einfach stabilisierte.

Dass ich zur Feier dieses hundertsten Geburtstages auch Etwas beizutragen mich bemüht habe, indem ich die dritte Auflage meiner allseits beifällig aufgenommenen astronomischen Causerien, betitelt „Bis an's Ende der Welt“, hiezu widmete, wo die astrophysikalischen Konsequenzen des Doppler'schen Princips eingehend erörtert werden, will ich nur nebenbei erwähnen.

Hoffentlich wird ihm auch die so reizend an den Ufern der reissenden Salzach sich erhebende Mozartstadt, stolz auf das vor 100 Jahren daselbst zur Welt gekommene Bürgerkind, ebenfalls ein dauerndes Denkmal bei diesem Anlasse widmen, zumal sie schon im J. 1897 auf diesen hundertsten Geburtstag von mir aufmerksam gemacht worden ist.

 Prag den 1. Januar 1903.

Dr. F. J. Studnička.
[5]
Ueber das farbige Licht der Doppelsterne und einiger anderer Gestirne des Himmels.
(Gelesen bei der königl. Gesellschaft der Wissenschaften zu Prag, in der naturwissenschaftlichen Sectionssitzung vom 25. Mai 1842.)
§ 1.

Die Undulationstheorie des Lichtes, sowie sie Euler und Huygens allererst aufstellten und mit vielem Scharfsinne gegen die erklärtesten Gegner derselben vertheidigten, ist im Verlaufe ihrer weitem Ausbildung bekanntlich auf Schwierigkeiten gestossen, welche spätere ausgezeichnete Gelehrte, wie Young, Fresnel, Cauchy u. A. dahin vermochten, von der ursprünglichen, wie es scheint nur allein naturgemässen und einfachen Voraussetzung sphärischer oder longitudinaler Aetherschwingungen abzugehen und sich zur Annahme blosser derartiger transversaler Schwingungen zu verstehen. Die glänzenden Erfolge dieser neuen Voraussetzung haben seitdem auch mehrere derjenigen Physiker, wenn auch nicht eben überzeugt doch vorläufig einigermassen beruhigt, welche sich von allem Anfange her nur höchst ungern und mit sichtlichem Widerstreben dieser neuen Ansicht über die Natur des Lichtes hingaben. Und so ist es denn gekommen, dass während diese Ansicht den feinsten analytischen Untersuchungen fortwährend zum Grunde gelegt wird, und zu mehr oder minder glücklichen Resultaten führet, man die Untersuchung und jegliche Discussion über die Zulässigkeit und innere Wahrscheinlichkeit dieser neuen Hypothese vor der Hand so gut wie fallen liess. Auf eine vollständige und erschöpfende Erklärung sämmtlicher bisher [6] bekannter Lichterscheinungen nach diesem Prinzipe, scheint es, wolle man es ankommen lassen, diese wolle man abwarten, und sodann erst versuchen, ob man sich mit wahrhafter Ueberzeugung dieser neuen Voraussetzung zuzuwenden vermögen wird.

Indessen giebt es bekanntlich sehr viele, die, wiewohl sie den Werth analytischer Ergebnisse in vollem Masse zu würdigen wissen, gleichwohl einen derartigen durchaus glücklichen Erfolg noch sehr bezweifeln und geradezu auf die Schwierigkeiten aufmerksam machen, denen in steigendem Masse diese neuere Theorie entgegen gehet[A 1]. — Laplace und Poisson, welchem Letzteren die Lichttheorie so viel verdanket, waren bekanntlich bis zum letzten Augenblicke ganz entschieden gegen diese neue Modification der Undulationstheorie, und haben diese ihre Ueberzeugung, wo sich nur immer die Gelegenheit hierzu darbot, mit Offenheit und ohne allen Rückhalt ausgesprochen. Auch Herschel d. j. hält diese Ansicht über die Natur des Lichtes (man sehe dessen Werk über das Licht, S. 540) durchaus noch nicht für die richtige und wahre, und er scheint sie nur einstweilen, ihrer Erfolge wegen, mehr dulden als vertheidigen und pflegen zu wollen. Dieser Meinung scheinen auch Brandes und viele andere höchst achtbare Physiker der Jetztzeit zu seyn, und es ist überhaupt sehr die Frage, ob nicht selbst die eigentlichen Vertheidiger der transversalen Schwingungen, wenn sie von den glücklichen Resultaten ihres Calcüls absehen, eingestehen müssen, dass man zu dieser ihrer Voraussetzung einen etwas starken Glauben mitzubringen habe. Es ist aber hier nicht an der Zeit, zu erörtern, wie hoch überhaupt der Werth einiger oder auch vieler mit der Erfahrung gut stimmender Rechnungsresultate [7] gegenüber einer Voraussetzung anzuschlagen ist, die, wie es wenigstens dem Verfasser dieser Zeilen scheint, den Charakter einer grossen innern Unwahrscheinlichkeit an sich trägt. Wie immer aber auch in der Zukunft der Streit hierüber ausgetragen werden mag, so kann unter so bewandten Umständen wohl niemand sich vorzugsweise aufgefordert fühlen, irgend eine optische Naturerscheinung eben gerade nach dem Prinzipe der Lateral-Schwingungen erklären zu wollen.

§ 2.

Nach der ursprünglichen Vibrationshypothese ist bekantlich die Farbempfindung eine unmittelbare Folge der in gewissen Zeitintervallen regelmässig aufeinanderfolgenden Pulsationen oder Wellenschläge des Aethers. Die Intensität des farbigen Lichtes dagegen hängt lediglich von der Grösse der Excursionen jedes einzelnen Aethertheilchens oder beziehungsweise derjenigen ab, welche unmittelbar die Retina des Auges berühren. Alles, was demnach das Intervall der Zeit, die zwischen den einzelnen Stössen des Aethers verfliesst, ändert, zieht nothwendig eine Aenderung der Farbe nach sich, und jeder Umstand, der bewirket, dass die einzelnen Wellenschläge mit verminderter oder vermehrter Energie erfolgen, ändert den Intensitätsgrad des farbigen und weissen Lichtes. Letzteres hängt wieder damit zusammen, dass in diesem Falle die Grösse der Excursionen, welche jedes Aethertheilchen macht, sich ändert. Was hier von den Lichtwellen gesagt und behauptet wurde, gilt natürlich auch vollkommen strenge von den Schallwellen, und man hat daher auch von jeher bis zu dem oben bezeichneten Zeitpunkte die verschiedenen Lichtphänomene aus jenen des Schalles auf dem Wege der Analogie mit vielem Glücke zu erklären gesucht. — Es dünkt mich aber sehr bemerkenswerth, dass man sowohl in der Licht- und Schall-Lehre, wie auch in der allgemeinen Wellenlehre meines Wissens wenigstens auf einen möglicher Weise sehr wohl vorkommenden Umstand bisher so gut wie keine Rücksicht genommen hat! Es scheint nämlich, man habe völlig unbeachtet gelassen, dass, wenn man von den Licht- und Schallwellen als Ursachen der Licht- und Schallempfindungen und nicht bloss als von objectiven Vorgängen spricht, man nicht sowohl darnach fragen müsse, in welchen Zeiträumen und mit welchen Intensitätsgraden die Wellenerzeugung an und für sich vor sich gehe, — als vielmehr darnach, in welchen Zeitintervallen und mit welcher [8] Stärke diese Aether- oder Luftschwingungen vom Auge oder vom Ohre irgend eines Beobachters aufgenommen und empfunden werden. Von diesen rein subjectiven Bestimmungen, nicht aber von dem objectiven Sachverhalte hängt die Farbe und Intensität einer Lichtempfindung oder die Tonhöhe und Stärke irgend eines Schalles ab. Ereignet es sich daher irgend wie, dass eine numerische Verschiedenheit zwischen dem objectiven Vorgange und dem subjectiven Ergebnisse sich hierbei herausstellt: so hat man sich ganz unzweifelhaft an die subjectiven Bestimmungen zu halten. Im ersten Augenblicke mag es nun freilich scheinen, als sey das Gesagte mehr für eine bloss gelehrte Distinction, denn für eine von wichtigen praktischen Folgen begleitete Bemerkung zu halten. Doch hierüber möge der geehrte Leser, sobald er die nachfolgenden Zeilen einiger Erwägung gewürdiget, selbst entscheiden. — So lange man nämlich voraussetzet, dass sowohl der Beobachter als auch die Quelle der Wellen unverändert ihren anfänglichen Ort beibehalten, unterliegt es freilich keinem weiteren Zweifel, dass die subjectiven Bestimmungen mit den objectiven numerisch vollkommen zusammenfallen werden. Wie aber, wenn entweder der Beobachter oder die Quelle oder gar beide zugleich ihren Ort veränderten, sich von einander entfernten oder sich einander näherten, und dieses zwar mit einer Geschwindigkeit, die mit jener, nach der die Wellen fortschreiten, in einigen Vergleich käme? Dürfte auch in diesem Falle auf eine solche Uebereinstimmung beider zu rechnen seyn? Ich glaube kaum, dass der Leser sich geneigt fühlen dürfte, diese Frage ohne eine vorgängige Untersuchung geradezu zu bejahen! — In der That scheint nichts begreiflicher, als dass der Weg und die Zwischenzeit zweier aufeinanderfolgender Wellenschläge für einen Beobachter sich verkürzen muss, wenn der Beobachter der ankommenden Welle entgegeneilt, und verlängern, wenn er ihr enteilt, und dass auch gleichzeitig im ersteren Falle die Intensität des Wellenschlags grösser werden, im zweiten dagegen nothwendig sich vermindern muss. Bei einer Bewegung der Wellenquelle selbst findet natürlich eine ähnliche Veränderung in demselben Sinne statt. Hat doch auch der gemeinen Erfahrung zufolge ein auch nur etwas tiefgehendes Schiff, welches den andringenden Wellen gerade entgegensteuert, in derselben Zeit eine grössere Anzahl und viel heftigere Wellenschläge zu erleiden, wie eines, das ruhet oder gar sich in der Richtung der Wellen mit ihnen fortbewegt. Was aber von den Wasserwellen gilt, warum dürfte dieses nicht mit den nöthigen Modificationen auch von den Luft- und Aetherwellen angenommen [9] werden? Es scheint, als ob sich dagegen etwas Erhebliches kaum vorbringen lassen dürfte! — Unter diesen Umständen mag es zweckdienlich scheinen, die nöthigen darauf bezüglichen, ganz einfachen Formeln aufzustellen, und indem wir dieselben versuchsweise auf die Schallwellen anwenden, glauben wir zugleich auch der Akustik einen kleinen Dienst zu erweisen.


§ 3.

Wenn Beobachter und Wellenquelle sich einander nähern oder von einander entfernen, so kann die Richtung ihrer Bewegung, falls sie eine geradlinige ist, in ihre Verbindungslinie fallen, oder ihre Richtungen schliessen einen Winkel ein. Alles, was dabei eine Aenderung erfahren kann, ist die Dauer zwischen den aufeinander folgenden Wellenschlägen, ihre Intensität und die Richtung, in der sie dem Beobachter anzukommen scheinen. Der letztere Punkt kömmt bei unserer gegenwärtigen Untersuchung nicht in Betracht, und ist überdiess schon durch Bradley’s scharfsinniges Aberrations-Theorem als erledigt anzusehen. Es bleibt uns demnach nur der erstere Fall einer directen Annäherung oder Entfernung für die Betrachtung übrig, wo die Frage über die Richtung nicht zur Sprache kömmt. Diesen vorliegenden Fall dagegen müssen wir unter einer doppelten Voraussetzung betrachten; das einemal nämlich, wo der Beobachter in Bewegung und die Quelle in Ruhe, das anderemal, wo gerade das Gegentheil davon angenommen wird.

Fall 1. Es heisse die Geschwindigkeit, mit welcher die Wellen fortgepflanzt werden, , und und (Fig. 1 und 2) bedeute Anfang und Ende einer Welle, dagegen die entfernte Quelle derselben, ferner die Anzahl Sekunden, die eine Welle nöthig hat, um von nach zu kommen, d. h. um eine Wellenlänge zu durchlaufen, und die Zeit, die sie braucht, um den gegen oder von sich bewegenden Beobachter zu erreichen. Man hat daher für den Fall der Annäherung sowohl wie der Entfernung des Beobachters von oder an die Quelle, wegen


[1]


oder auch


[10] Fall 2. Wenn dagegen der Beobachter unbeweglich ist, die Quelle sich dagegen mit der Geschwindigkeit zu oder von dem Beobachter bewegt: so hat man vor Allem den Einfluss dieser Bewegung auf die der Quelle nächste Welle zu berücksichtigen, da die einzelnen entstandenen Wellen, wie Fig. 3 und 4 veranschaulicht, in völlig unveränderter Weise bis zum entfernten Beobachter in fortgepflanzt werden. Während daher die erste Welle von nach gelangt, wobei sie einen Weg gleich durchläuft, ist die Quelle selbst nach gekommen, wobei sie einen Weg gleich macht, und die zweite Welle braucht nur noch eben so viele Zeit, als zum Durchlaufen der entsprechenden Wellenlänge nöthig ist. Man hat daher für beide Fälle, wegen


[2]


oder auch



Aus der Verschiedenheit der beiden Formeln (1) und (2) ersieht man, dass es keineswegs selbst unter solchen gleichen Umständen einerlei ist, ob der Beobachter oder die Wellenquelle sich bewegt, — Rücksichtlich der Intensitätsänderung müssen wir uns, da bis jetzt die Vibrationsgeschwindigkeit der einzelnen Theilchen sich noch nicht ermitteln liess, mit der schon im Frühern ausgesprochenen allgemeinen Bemerkung begnügen.


§ 4.

Entfernt sich der Beobachter von dem schallenden oder leuchtenden Objecte mit einer dem selbst gleichen Geschwindigkeit, so findet man, da in Formel (1) das untere Zeichen zu gelten hat, , d. h. die einzelnen Schallwellen erreichen niemals das Ohr des Beobachters, und die Tonerzeugung, wiewohl an und für sich vorhanden, ist für die Wahrnehmung des Beobachters so gut wie gar nicht da. Entfernt sich aber dagegen die Tonquelle selbst mit derselben Geschwindigkeit vom Beobachter, so findet man (da in Formel (2) das untere Zeichen zu gelten hat) d. h. der Beobachter vernimmt die nächst tiefere Octav desjenigen Tones, welchen an und für sich der schallende Körper hervorbringt. — Nimmt man endlich an, dass sich die Quelle dem Beobachter mit einer Geschwindigkeit [11] annähert, die jener der fortschreitenden Wellen selbst gleich kömmt: so hat man, da im Formel (2) das untere Zeichen zu gelten hat, wegen a = α, x = 0.n/a = 0, d. h. die einzelnen Wellenschläge treffen alle im nämlichen Augenblicke beim Beobachter ein, oder was dasselbe ist, in unendlich kurzen Zeitintervallen, welcher Umstand einen unendlich hohen Ton, der gar nicht mehr vernehmbar wird, begründen würde. — Um auf einige ganz spezielle numerische Beispiele überzugehen, werde vorausgesetzt, die Geschwindigkeit des Schalles bei 10° Reaumur, d. i. a, sey 1024 par. Fuss, und man frage z. B. um die Geschwindigkeit α, mit der sich ein Beobachter gegen die Schallquelle bewegen muss, damit er das sogenannte grosse C als D vernehme, so erhält man wegen

n = 1/64, x = 1/72

und a = 1024 nach Formel (1); α = 128' als Geschwindigkeit in der Sekunde. Umgekehrt zeigt die nämliche Formel, dass sich der Beobachter mit einer Geschwindigkeit von 114 Fuss in der Sekunde von der Schallquelle entfernen müsste, damit das D als grosses C vernommen würde. Noch viel günstiger für die Wahrnehmung irgend einer Tonänderung sind andere sich näher liegende Töne, da sie bei absoluter gleicher Fortpflanzungsgeschwindigkeit des Schalles dennoch einander näher liegende Schwingungszahlen darbieten. So z. B. bedarf es, wegen

n = 1/120 und x = 1/128 und a = 1024

nur einer Geschwindigkeit α = 68' von Seiten eines Beobachters, um den Ton H als c zu vernehmen. Ein geübtes Ohr unterscheidet aber bekanntlich Tonunterschiede bis auf einen Viertelton, und es bedürfte daher gar nur nach Formel (1) einer Geschwindigkeit α von kaum 17' in der Sekunde, um bei dem Tone H eine Erhöhung oder auch Erniedrigung von einem Viertelton zu bewirken. Berücksichtigt man nun, dass die Annäherung oder das Entfernen ein wechselseitiges seyn kann, so ist der Fall gar nicht undenkbar, wo bei einer beiderseitigen Geschwindigkeit von nur wenigen, höchstens 8 Fuss in der Sekunde, für einen aufmerksamen Beobachter bereits kleine Tonveränderungen wahrnehmbar werden können. — Doch, ich will nun meinem vorgesteckten Ziele näher rücken, indem ich sofort die oben aufgestellten Formeln auf die Erscheinungen des Lichtes anwende.

[12]
§ 5.

Setzt man die Geschwindigkeit des Lichtes a = 42000 Meilen[3] in der Sekunde, und frägt man, mit welcher Geschwindigkeit ein im weissen oder violetten Lichte leuchtendes Object steh von einem Beobachter entfernen müsse, damit es für ihn völlig unsichtbar werde, so hat man für

1/n = 727 Billionen und für 1/x = 458 Billionen zu setzen,

und man findet für a aus Formel (2) die Geschwindigkeit von 19000 Meilen in der Sekunde. Bei einer solchen Geschwindigkeit des leuchtenden Gegenstandes würden daher, falls er sich von uns entfernte, die äussersten violetten und um so mehr alle übrigen farbigen Strahlen, folglich auch das aus ihnen zusammengesetzte weisse Licht wäre es selbst noch so intensiv, für jede Beobachtung völlig verlöschen. Rücksichtlich der übrigen Farben reicht übrigens schon eine bedeutend geringere Geschwindigkeit zum völligen Verlöschen desselben hin. Die Formel (2) gibt nämlich für gelbes Licht die Geschwindigkeit von 5007 Meilen in der Sekunde, für rothes gar nur 1700 Meilen. Bei den hier namhaft gemachten Geschwindigkeiten würde, da immer je eine oder gar zwei der prismatischen Hauptfarben, sey es nun aus dem untern (beim Entfernen) oder aus dem obern (beim Annähern) des Spectrums ganz austritt, das zurückbleibende farbige Licht stets ein vollkommen homogenes seyn, ein Umstand, der hier sehr wohl zu beachten ist.

Ganz anders dagegen stellt sich der Calcül, sobald wir von der Voraussetzung ausgehen, dass das beobachtete farbige Licht, weit entfernt, ein homogenes zu seyn, vielmehr ein mit vielem Weiss gemischtes ist, welcher Fall eben bei den vorliegenden Betrachtungen eintritt. Herschel d. j. spricht es selbst aus, dass alles mit besonders lebhaftem Glanze und grossem sogenannten Feuer leuchtende farbige Licht stets ein mit ziemlich vielen weissen Strahlen gemischtes sey, und an einem andern Orte seines vortrefflichen Werkes über das Licht nimmt er an, dass das menschliche Auge noch Farbunterschiede gewahr zu werden vermag, welche durch ein Entziehen von nur dem hunderten Theile derjenigen rothen, gelben oder blauen Strahlen hervorgehen, die mit den übrigen zu weissem Lichte sich zusammengesetzt finden. Ein weiterer sehr bemerkenswerther Umstand ist folgender. Da nämlich die Intensität oder Menge der verschiedenfarbigen [13] Lichtstrahlen mit ihren Schwingungszahlen nicht in gleichem Verhältnisse steht, indem die im weissen Lichte enthaltenen blauen die rothen um vielleicht dreimal, die gelben sie gar um mehr als zehnmal übertreffen, und da es ferner gerade die gelben Strahlen sind, die einerseits (bei einer Annäherung) in blaue, andererseits dagegen (bei einem Entfernen) in rothe übergehen: so ist klar, dass selbst bei einer Verminderung von nur einem Hundertel der äussersten rothen oder blauen Strahlen eine wenigstens dreimal, im andern Fall sogar zehnmal grössere Anzahl von farbigen Strahlen wirksam auftreten und eine schon sehr merkliche Färbung zu bewirken vermögen werden. Aus eben diesem Umstande folgt, dass die rothe und orange Färbung unter übrigens gleichen Umständen intensiver und dem homogenen gleichnamigen Lichte näher kommen werde, wie die blaue und grüne, und ebenso dass zur grünen, orangen oder violetten Färbung keineswegs nothwendig alle blauen, rothen oder gelben Strahlen, sondern nur einige wenige derselben auszutreten haben, da die übrigen wieder zu weissem Lichte sich vereinigen.

Diess vorausgesetzt findet man, wenn

x = 1/458 und n = 1/458.37

gesetzt wird, wobei also die rothen Strahlen von der Schwingungszahl 458.37 Billionen auf 458 Billionen herabgebracht werden, also der hundertste Theil der rothen Strahlen austreten, α = 33 Meilen für die Sekunde, d. h. wenn ein im weissen Lichte leuchtender Stern sich einem Beobachter mit einer Geschwindigkeit von 33 Meilen in der Sekunde annähert oder sich von ihm entfernt, so erscheint er demselben im ersteren Falle schon merklich grün, im anderen dagegen orange gefärbt. Dieser Zahlwerth dürfte auch so ziemlich als die untere Grenze gelten. Bei der Voraussetzung, dass ein ganzes Zehntel der rothen oder blauen Strahlen austreten, wodurch zu Folge der oben ausgesprochenen Umstände eine sehr starke Färbung eintreten muss, erhält man wegen

x = 1/458, und n = 1/460, für α = 187 Meilen in der Sekunde.

Dem Gesagten zufolge gehen daher bei einem Entfernen die im weissen Lichte enthaltenen Strahlen in solche von längerer Schwingungsdauer also die violetten in blaue, die blauen durch grün in gelbe, die gelben durch orange in rothe über, und die rothen treten endlich bei zunehmender [14] Geschwindigkeit ganz und gar aus, d. h. werden insensibel. Im umgekehrten Falle dagegen, wo zuerst die blauen Strahlen ausscheiden, erscheint das weisse Licht anfänglich grün, hierauf blau und endlich violett. –


§ 6.

Das bisher über den Einfluss der Bewegung auf die Lichterscheinungen Vorgebrachte lässt sich übersichtlich in nachfolgende Punkte zusammenfassen:

1. Wenn ein leuchtendes Object, gleichviel ob selbstleuchtend oder bloss beleuchtet, sich mit einer gegen die Geschwindigkeit des Lichtes in Betracht kommenden Schnelligkeit in directer Richtung dem Auge eines Beobachters nähert oder sich von ihm entfernt, so hat diese Bewegung nothwendig eine Aenderung in der Farbe und Intensität des Lichtes zur Folge und zwar:
α)  Bei einer Annäherung nimmt die Intensität jedenfalls zu, die Färbung dagegen geht bei steigender Geschwindigkeit von Weiss in Grün, von da in Blau und endlich in Violett über.
β)  Bei einem Entfernen vermindert sich dessen Intensität in jedem Falle und das weisse Licht geht allmählig in Gelb, Orange und endlich in Roth über. Hat indessen das Licht bereits schon eine gewisse Färbung, z. B. eine gelbe, so beginnt die Veränderung von dieser an und steigt auf- und abwärts nach den in α und β ausgesprochenen Bedingungen.
γ)  Ist die Geschwindigkeit gross genug, so kann in beiden Fällen das weisse oder farbige Licht völlig insensibel werden, indem im ersteren Falle die Zeitintervalle der einzelnen Pulsationen zu klein, im zweiten dagegen zu gross ausfallen, um noch empfunden werden zu können. Die Intensität nimmt mit der Farbänderung übereinstimmend zu und ab, und trägt somit noch dazu bei, dass der genannte Erfolg des völligen Verschwindens bedeutend früher eintritt.
δ)  Zum völligen Verschwinden eines im weissen Lichte glänzenden Gestirnes reicht ohne Rücksichtsnahme auf die diesem Ereignisse sehr günstige Intensitätsverminderung eine Geschwindigkeit von 19000 Meilen in der Sekunde hin. Für Sterne, die im homogenen gelben oder rothen Lichte leuchten, ist dagegen

[15] schon eine Geschwindigkeit von beziehungsweise 5007 und 1700 Meilen zum völligen Verlöschen ausreichend.

ε)  Sterne, die im weissen Lichte leuchten, zeigen schon bei einer Geschwindigkeit von 33 Meilen in der Sekunde eine deutliche Färbung, und bei einer solchen von 187 Meilen eine sehr bedeutende und auffallende, die jedoch noch immer mit vielen weissen Strahlen vermischt ist.
φ)  Aendert sich die Geschwindigkeit eines bewegten Sternes, so erleidet auch seine Farbe und Intensität eine Aenderung, und so kann es immerhin geschehen, dass ein Stern im Verlaufe der Zeit alle Farben des Spectrums uns zu durchlaufen scheint.
2. Ist dagegen das leuchtende Object in Ruhe, der Beobachter dagegen in einer direct gegen oder von demselben gerichteten, bedeutend schnellen Bewegung begriffen, so erfolgen zwar alle Veränderungen in demselben Sinne, d. h. entsprechend der Annäherung oder dem Entfernen, die numerischen Daten jedoch weichen von jenen, den unter 1 und 2 aufgeführten Fällen entsprechenden Bestimmungen mehr oder weniger ab.
3. Geschieht das Annähern oder das sich Entfernen nicht wie es in 1 und 2 vorausgesetzt wird, directe, d. h. in der Richtung ihrer anfänglichen Verbindungslinie, sondern geht es in einer Richtung vor sich, die mit jener einen Winkel einschliesst; so ändert sich nebst der Farbe und Intensität auch noch die Richtung, und der Stern erleidet zugleich eine scheinbare Ortsveränderung.

Erkennt man die bisher aufgestellten Grundsätze für richtig an, so wird man gerne auch zugestehen, dass sie gleichsam die Grundlage einer neuen Theorie bilden, von welcher das berühmte Bradley'sche Aberrations-Theorem nur einen Theil vorstellet. Dem gemäss wird man sich schon a priori zu nachfolgenden Behauptungen für berechtiget halten dürfen. Wenn als die natürliche Farbe der Sterne die weisse oder schwachgelbliche angenommen wird, und es unter der unzählbaren Menge derselben solche gibt, die sich mit einer Geschwindigkeit von 33 Meilen bis zu 19000 Meilen in der Sekunde bewegen, so muss der gestirnte Himmel uns die Erscheinung einzelner Sterne jeder Farbe darbieten und es müssen einige von ihnen sogar zeitweilig ganz verschwinden, andere dagegen scheinbar entstehen; und umgekehrt, wenn uns eine genaue Beobachtung des Himmels wirklich solche Erscheinungen, wie sie so eben aufgezählt wurden, ganz unzweifelhaft zeiget, so liesse sich hieraus der Schluss ziehen, dass es [16] unter den Gestirnen des Himmels einzelne Sterne geben dürfte, die sich mit einer Geschwindigkeit von 33 Meilen bis 19000 Meilen im Weltraume bewegen. Wenn aber endlich nicht nur die erwähnten Erscheinungen am Himmel mit Gewissheit beobachtet, sondern es auch durch genaue Beobachtungen und aus mechanischen Gründen als erwiesen anzusehen wäre, dass einige dieser Himmelskörper wirklich eine Geschwindigkeit von 33 bis 19000 Meilen besitzen, ja noch überdiess, dass gerade eben nur an diesen schnellbewegten Körpern nach Massgabe der oben aufgestellten Grundsätze sich jene Farben- und Intensitäts-Erscheinungen zeigen: so würde dieses hinwieder für die Richtigkeit der hier aufgestellten Theorie und weiter zurück sogar für das Stattfinden der Longitudinal-Schwingungen ein sehr beachtenswerthes und gewichtiges Zeugniss ablegen. — Unter diesen Umständen fühlt man sich aufgefordert, sich nach den Angaben der beobachtenden Astronomie umzusehen.


§ 7.

Bekanntlich ist es bisher den Bemühungen der Astronomen und Physiker noch keineswegs gelungen, die höchst merkwürdige und wahrhaft räthselhafte Erscheinung der mit farbigem Lichte leuchtenden sogenannten Doppelsterne und einiger anderer Gestirne des Himmels auf eine auch nur halbwegs befriedigende Weise zu erklären. An und für sich und im ersten Augenblicke mag es wohl scheinen, als hätte man um so weniger einen Grund, sich über farbige Fixsterne im Allgemeinen zu wundern, als sich ja auch auf unserer Erde selbst und im Bereiche der täglichen Erfahrung leuchtende Körper jeder Farbe genug vorfinden. Allein eine genauere Erwägung aller dabei obwaltenden Umstände muss wohl jeden von dieser anfänglichen Meinung, falls er sie gefasst, gar bald wieder zurückbringen. Denn abgesehen selbst von anderem, muss es schon in hohem Grade auffallen, dass wir unter der unzählbaren Menge der eigentlichen, d. i. derjenigen Fixsterne, an denen wir keinerlei Bewegung wahrnehmen, ohne Ausnahme nur solche bemerken, die im weissen oder schwach gelblichen und nur einige wenige, die im röthlichen Lichte glänzen; keinen einzigen dagegen, welcher im blauen, grünen oder violetten und keinen auch der im schön orangen oder intensiv blutrothen Lichte uns erschiene. Alle Doppelsterne dagegen lassen sich übersichtlich in zwei Classen bringen, in solche, bei denen der eine von ihnen sich durch [17] seine in die Augen fallende grössere Intensität seines Lichtes als Haupt- oder Centralstern beurkundet, und sodann in solche, deren Einzelnsterne eine ziemlich gleiche scheinbare Grösse besitzen, und die sich daher auch höchst wahrscheinlich um einen unsichtbaren Centralkörper oder um ihren gemeinschaftlichen Schwerpunkt bewegen. — Bei den Doppelsternen der ersteren Art leuchtet der Hauptstern stets im weissen und nur bei wenigen im schwach gelblichen Lichte, und zeiget somit eine vollkommene Übereinstimmung mit den übrigen unbeweglichen Fixsternen des Himmels, während dagegen die dazu gehörigen Begleiter entweder im grünen, blauen oder violetten, bei andern dagegen im intensiv orangen, schön blut- oder wohl auch dunkelrothen Lichte glänzen. — Doppelsterne der zweiten Classe bestehen dagegen fast immer aus solchen Einzelnsternen, die im verschiedenfarbigen Lichte schimmern, und merkwürdig ist es dabei, dass die Farben entweder wirklich einen complementären Gegensatz zu einander bilden, oder dass wenigstens die Farbe des einen dem obern, die des anderen dem untern Theile des Farbenspectrums entnommen ist. Man hat zwar versucht, wiewohl mit wenig Glück, die genannten Erscheinungen aus den Wirkungen des Contrastes zu erklären. Allein abgesehen davon, dass diese Erklärung im günstigsten Falle höchstens nur auf jene Doppelsterne angewendet werden könnte, bei denen das vorkommende farbige Licht in einem complementären, nicht aber in einem anderen Gegensatze sich befindet, wie dieses doch bei allen der ersten und bei sehr vielen der zweiten Classe der Fall ist, — haben noch überdiess directe Versuche das Unhaltbare dieser Ansicht seither zur Genüge dargethan. Diese Versuche bestanden bekanntlich darin, dass man den einen der farbigen Doppelsterne durch einen im Fernrohre ausgespannten Faden völlig verdeckte und somit dem Auge gänzlich entzog. Da nun hiedurch die angebliche Ursache des Contrastes wegfiel, so hätte auch die Wirkung davon, nämlich das Erscheinen der complementären Farbe ausbleiben sollen. Dieses aber geschah nicht und der Stern leuchtete vor wie nach mit demselben farbigen Lichte. — Damit das Mass des Wunderbaren endlich voll werde, hat eine Vergleichung der älteren Angaben Herschels d. ä. mit den neuesten Struve's noch überdiess bis zur Evidenz es herausgestellt, dass die Farben vieler dieser Doppelsterne im Verlaufe dieser Zeit sich sehr bedeutend und zwar auf eine Weise geändert haben, die der Vermuthung keinen Raum gewährt, als wäre der Grund dieser Verschiedenheit in der Beschaffenheit der hier und dort angewandten optischen Instrumente zu suchen. Sterne, die ehemals [18] als gelb beobachtet wurden, werden heut zu Tage als orange und roth und umgekehrt beschrieben und solche, die Herschel als vollkommen weiss bezeichnet, findet Struve goldfarbig, rothgrün oder auch blaugrün! — Kein Wunder also, wenn sich neuere Beobachter (siehe Mädlers pop. Astronomie, S. 493) zu der Frage aufgefordert fühlen, „ob sich denn in der That die Farben der Doppelsterne während der letzten 50 Jahre so gar bedeutend sollten geändert haben?“


§ 8.

Eine andere, nicht minder interessante und bisher ebenso unaufgeklärte Erscheinung des Himmels sind die sogenannten periodisch veränderlichen Sterne. Sie kommen nach den bisherigen Beobachtungen mit alleiniger Ausnahme des Sternes Algol im Medusenhaupte (von dem später noch die Rede seyn wird) insgesammt darin überein, dass sie von Farbe roth sind, nach ihrem grössten Glanze eine Kupferfarbe annehmen, und indem diese allmählig sich mehr und mehr verdunkelt, endlich völlig unsichtbar werden und verschwinden, bis sie nach einiger Zeit ihren periodischen Lichtwechsel wieder von vorne beginnen. Auch darin kommen sie ferner miteinander überein dass die Zeit ihrer Unsichtbarkeit meistentheils 3- bis 4mal länger währt, als jene ihres grössten Glanzes, und endlich, dass ihre Lichtzunahme viel rascher vor sich gehet und weniger Zeit erfordert, wie ihre Abnahme und ihr Verschwinden. Die Art und Weise der Lichtzu- und Abnahme ist mit der Voraussetzung unverträglich, dass dieses zeitweilige Verschwinden in einer Achsendrehung und ungleichen Lichtvertheilung auf der Oberfläche dieser Himmelskörper, oder auch in einem periodischen Verdecktwerden durch einen umkreisenden dunkeln Planeten seinen Grund habe. — Auf den ersten Augenblick scheint es, als ob die beiden erwähnten, so verschiedenartigen Erscheinungen, nämlich jene der farbigen Doppelsterne und die der sogenannten veränderlichen Sterne, nur mit einigem Zwange ein und demselben Erklärungsprincipe untergeordnet werden könnten. Allein die Beobachtung hat uns noch mit einer dritten Classe von merkwürdigen Sternveränderungen bekannt gemacht, die gleichsam zwischen beiden mitten innestehen und als wahre Vermittlungsglieder dieser Erscheinungsgruppen betrachtet werden können. Es sind dieses die verschwundenen und neuen Sterne.

Hieher nun gehört vorzüglich der im Jahre 1572 im Sternbilde der Cassiopeia erschienene neue Stern, welchem man eine Umlaufszeit [19] oder Periodicität seines Lichtwechsels von etwa 300, vielleicht gar nur von 150 Jahren beilegen zu müssen glaubt. Als man auf ihn aufmerksam wurde, hatte er bereits nahe schon das Maximum seiner scheinbaren Grösse und der Intensität seines Lichtes erreicht und überstrahlte mit blendend weissem Lichte den Sirius und selbst die Venus. Bald darauf nahm er an Grösse schnell ab und sein Licht ging gleichzeitig und allmählig von Weiss in Gelb und von diesem in Roth über, welches immer dunkler wurde und endlich für die Beobachtung ganz erlosch. (Richter's Astronomie, S. 684.) — Noch auffallender waren die Erscheinungen bei dem im Jahre 1604 von Kepler im Fusse des Schlangenträgers entdeckten neuen Stern. Nachdem sein Licht durch alle Farben des Regenbogens niedersteigend abgenommen hatte, verschwand er nach etwa einem Jahre und ist seitdem niemals wieder gesehen worden. Endlich erwähnen auch Schriftsteller früherer Zeiten ähnlicher Erscheinungen, und vom Sirius, der gegenwärtig in blendend weissem Lichte strahlt, soll es keinem Zweifel unterliegen, dass er ehemals ein rothes Licht hatte u. a. m. — Es haben demnach diese Gestirne mit den Doppelsternen das Farbenspiel und mit grosser Wahrscheinlichkeit die schnelle Bewegung so wie die meistentheils auf Jahrhunderte sich erstreckende lange Periodicität, — mit den sogenannten veränderlichen Sternen dagegen das völlige Verschwinden und gänzliche Unsichtbarwerden, so wie auch, dass sie ungleich länger unsichtbar wie sichtbar sind, und endlich, dass die Lichtabnahme von längerer Dauer ist, wie die Lichtzunahme und noch mehreres andere gemein. — Wir sehen daher alle diejenigen Erscheinungen an den verschiedenen Objecten des Himmels wirklich durch Beobachtungen nachgewiesen, die wir oben unter Voraussetzung einer ihnen zukommenden grossen Geschwindigkeit ihrer Bewegung bis ins Detail prognostizirten. Wir wollen uns daher noch weiter umsehen, was die unmittelbare Beobachtung und Berechnung, wie auch die Wahrscheinlichkeit uns rücksichtlich ihrer Bewegung selbst lehrt.


§ 9.

Die Geschwindigkeit der Planeten unseres Sonnensystems, selbst wenn sie sich im Perihelio befinden, ist vergleichungsweise noch nicht sehr bedeutend. Die Erde bewegt sich mit einer Geschwindigkeit von beiläufig 4.7 Meilen, bei der Venus beträgt sie 6.7 und beim Merkur 8.3 Meilen in der Sekunde. Kein Wunder also, dass wir an [20] ihnen bisher noch keine Farbenänderung und noch weniger ein zeitweiliges völliges Verschwinden beobachtet haben. Wäre die Geschwindigkeit unserer Erde wenigstens zehnmal so gross als sie wirklich ist, so müssten uns alle Fixsterne in den östlichen Gegenden der Ecliptik ohne Ausnahme mit blauer oder grünlicher Färbung, auf der entgegengesetzten westlichen Seite dagegen orange oder roth erscheinen. Durch eine so auffallende, auf alle Fixsterne in gleicher Weise sich erstreckende Regelmässigkeit eines solchen Phänomens aufmerksam gemacht, würde man, wie einstens bei jenem der Aberration, die Ursache davon in der Bewegung der Erde suchen und finden. So aber, wo diese Erscheinungen nur vereinzelnt auftreten, da sie auch nur in den vorzugsweise schnellen Bewegungen einzelner Fixsterne ihren Grund haben, muss es schon viel schwieriger seyn, dieselben bis ins kleinste Detail zu erklären, und höchst wahrscheinlich gehören absichtlich zu diesem Zwecke veranstaltete Beobachtungsreihen dazu. — Die Monde bewegen sich bekanntlich bald langsamer, bald schneller wie ihre Planeten, und es mag dahin gestellt bleiben, ob nicht einige an ihnen wahrgenommene Eigenthümlichkeiten hieher zu zählen seyn dürften? — Viel bedeutender dagegen ist schon die an den Kometen beobachtete Geschwindigkeit ihrer Bewegung. Der Halley'sche Komet hat im Perihelio nahe 18 Meilen Geschwindigkeit in der Sekunde, und jener vom Jahre 1680 bewegte sich in der Sonnennähe mit einer Geschwindigkeit von 74 Meilen in der Sekunde und somit nahe 17mal so geschwind wie unsere Erde. Es ist ga nicht daran zu zweifeln, dass es selbst schon unter den bisher beobachteten aber nicht berechneten Kometen früherer Zeit einen oder den andern gegeben haben mag, dessen Geschwindigkeit mehre hundert Meilen in der Sekunde erreichte. Bei diesen nun ist eine schwache Färbung in Folge ihrer schnellen Bewegung nicht unwahrscheinlich, und soll auch wirklich bei einigen derselben beobachtet worden seyn. Dass es hierbei auf die Richtung ihrer Bewegung und auf die Lage ihrer Bahnen gegen unsere Erde ankömmt, versteht sich fast von selbst, und es wäre interessant, die damalige Stellung unserer Erde gegen die Bahnen jener Kometen wo möglich zu ermitteln. Dadurch aber, dass wir unserer Erde die Fähigkeit absprechen, für sich allein merkbare Farb- und Intensitätsänderungen an den verschiedenen Himmelskörpern in Folge ihrer fortschreitenden Bewegung zu bewirken, wollen wir keineswegs zugleich behaupten, dass dieselbe nicht auf das frühere oder spätere Eintreffen jener Erscheinungen und auf den Grad derselben einen sehr merkbaren Einfluss ausüben werde, ja sogar [21] notwendigerweise ausüben müsse. Höchst wahrscheinlich haben einige an den periodisch veränderlichen Sternen beobachtete Anomalien, von denen weiter unten noch die Rede seyn wird, hierin ihren erklärenden Grund. — In Betreff der Fixsterne ermangelt es eines jeden Grundes anzunehmen, dass unsere Sonne sie alle insgesammt an Masse und Grösse übertreffe. Es kann vielmehr für eine stehende Ansicht in der Astronomie gelten, dass es höchst wahrscheinlich Fixsterne geben dürfte, welche unsere Sonne im Durchmesser, um vielleicht mehrere Hundertmal, an Masse sie um eben so viele Millionenmal übertreffen mögen. Nun hängt aber die Geschwindigkeit, mit welcher sich Satelliten um ihre Centralkörper bewegen, unter gleichen Umständen direct von der Masse derselben ab, und man hätte daher unter so bewandten Umständen keinen Grund, sich sehr darüber zu wundern, wenn uns die Beobachtung wirklich an einigen dieser Himmelskörper Bewegungen zeigte, deren Geschwindigkeit selbst die des Lichtes übertreffen. In der That hat man an den sogenannten Doppelsternen und höchst wahrscheinlich auch an den veränderlichen und neuen Sternen derlei schnell bewegte Gestirne kennen gelernt. Ich begnüge mich dasjenige anzuführen, was ein geachteter Astronom (siehe Littrew's W. d. H. S. 470) rüchsichtlich des Doppelsterns γ in der Jungfrau berichtet. „Merkwürdig,“ sagt er, „ist die grosse Geschwindigkeit dieses Satelliten zur Zeit seines Periheliums, wo er in einem Tage einen Weg von 3490 Millionen Meilen und somit in einer Sekunde nahe an 40.000 Meilen zurücklegt, und somit fast genau ebenso schnell sich bewegt, wie das Licht selbst.“ Mag man daher immerhin in diesem speciellen Falle diesen mehr auf einer ungefähren Schätzung als auf genauen Beobachtungen beruhenden Angaben keinen grossen Grad von Genauigkeit zuschreiben: so geht doch jedenfalls aus selben so viel hervor, dass die Annahme einer Geschwindigkeit von 33 bis 19000 Meilen in der Sekunde, mit welcher ein oder der andere der Fixsterne sich bewegen mag, weder für unwahrscheinlich, noch für im mindesten übertrieben zu halten ist.


§ 10.

Es ist gewiss im höchsten Grade auffallend, dass wir gerade nur an jenen Himmelskörpern so bedeutende Veränderungen in Farbe und Intensität des Lichtes wahrnehmen, bei denen wir entweder zufolge unmittelbarer Beobachtung eine ganz ausserordentlich grosse Geschwindigkeit ihrer Bewegung vorauszusetzen berechtigt sind, oder [22] aber, bei welchen wir diese vermöge aller Analogie voraussetzen können, während bei allen übrigen Gestirnen des Himmels, die wir vergleichungsweise für ruhende oder wenigstens für viel minder schnell sich bewegende anzunehmen genöthigt sind, solche Erscheinungen ohne Ausnahme nicht vorkommen. Man fühlt sich daher sehr zu der Meinung hingezogen, dass sämmtliche Gestirne des Himmels an und für sich im weissen oder schwach gelblichen Lichte schimmern, und dass, wenn dieses bei einzelnen anders gefunden wird, ein Grund dafür bestehen müsse, welcher mit der grossen Geschwindigkeit ihrer Bewegung höchst wahrscheinlich in einem nicht bloss zufälligen, sondern nothwendigen Zusammenhange steht. Es war der Zweck der gegenwärtigen Abhandlung, nicht etwa bloss die allenfallsige Möglichkeit, sondern die Nothwendigkeit eines solchen Einflusses der ungemein schnellen Bewegung der Himmelskörper auf ihre Farbe und auf die Intensität ihres Lichtes darzuthun, und es gewährt dem Verfasser derselben eine erfreuliche Genugthuung, die vollkommenste Uebereinstimmung der Beobachtungen, insoweit sie ihm bekannt sind, mit den oben aufgestellten Grundsätzen oft selbst bis ins Detail wahrzunehmen. Es möge daher gestattet seyn, auf einige derselben hier aufmerksam zu machen. Es erklärt sich hieraus ganz einfach:

1. Warum von den beiden Doppelsternen der grössere und somit wahrscheinlich beziehungsweise unbewegliche Central- oder Hauptstern fast ausnahmslos weiss, der beigegebene dagegen meistentheils farbig erscheint!
2. Warum in jenen Fällen, wo beide ziemlich gleich gross erscheinen, beide gefärbt sich zeigen!
3. Wesshalb in diesem letzteren Falle der eine fast immer mit einem Lichte glänzt, welches dem obern Theile des Farbenspectrums zugehört (also grün, blau, violett), der zugehörige dagegen mit einer Farbe aus dem untern Theile desselben (also roth, orange oder gelb). Denn bei gleichgrossen Doppelsternen kann füglich angenommen werden, insbesondere, wenn sie sich um ihren gemeinschaftlichen Schwerpunkt bewegen, dass der eine in der Annäherung begriffen ist, während sich der andere von uns entfernt.
4. Es erklärt sich hieraus äusserst einfach, warum die Farben der einzelnen Doppelsterne mit der Zeit sich so bedeutend ändern. So z. B. bezeichnet Herschel d. ält. den schönsten Doppelstern des Nordens, nämlich γ Leonis, den einen schön weiss und den dazu gehörigen weissröthlich, während Struve den Hauptstern

[23] goldfarbig und den Nebenstern rothgrün findet. Noch auffallender ist dieses bei dem Doppelstern γ Delphini. Bei den so auffallenden und deutlichen Farben, goldgelb und blaugrün (sagt Mädler, p. Astronomie, S. 500) ist es sehr zu verwundern, dass sie Herschel ausdrücklich beide weiss nennt — Wir aber müssen zufolge unsers Erklärungsprincipes noch hinzufügen, dass eine Zeit kommen wird, wo diese Doppelsterne sogar dieses ihr farbiges Licht wechselseitig austauschen werden. Die Doppelsterne durchlaufen also während jeder ihrer Revolutionsperioden die Farbenscala des Sonnenspectrums, zum wenigsten einen Theil derselben.

5. Es erklärt sich hieraus ferner das merkwürdige Verhalten der periodisch veränderlichen Sterne, und warum namentlich die Farbe dieser Sterne gerade die rothe ist. Denn entweder sind sie an und für sich für uns unsichtbare Sterne (vielleicht wegen zu geringer Intensität oder zu langer Schwingungsdauer), die nur durch ihre gegen uns gerichtete schnelle Bewegung die erste Stufe der Wahrnehmbarkeit erreichen, d. h. uns mit rothem Lichte erscheinen. Vielleicht aber sind sie in der That von röthlichem Lichte und verschwinden uns in Folge der von uns weggerichteten Bewegung.

6. Auch noch der Umstand der kurzen Zeit ihres Sichtbarseyns im Vergleiche zu ihrer Periodicität findet durch den Hinblick auf Fig. 5 und 6 eine genügende Erklärung, ja folgt gewissermassen mit Nothwendigkeit aus derselben. Dem ungefähr während voller drei Viertel seines Umlaufs und oft viel mehr noch, je nach der Lage und Form der Ellipse gegen den Beobachter, muss ein solcher nur durch sein Annähern, also immer nur während der Zeit seines Periheliums uns sichtbar gewordener Stern uns unsichtbar bleiben. Diess tritt besonders auffallend hervor, wenn man als Bahn eine Ellipse von bedeutender Excentricität und von einer Lage gegen den Beobachter voraussetzt, wie die in Fig. 6 dargestellte ist.

7. Die früher erwähnte Erscheinung, dass die veränderlichen Sterne meistentheils eine viel kürzere Zeit zur Zunahme als zur Abnahme des Lichtes bedürfen, findet gleichfalls in Fig. 7 eine genügende Erklärung. Bis kurz vor dem Eintritt ins Perihelium hat der Stern bei schon sehr bedeutender absoluter Geschwindigkeit noch eine so ungünstige Richtung seiner Bewegung, dass sich derselbe dem Beobachter in O gar nicht oder nur sehr wenig [24] annähert, bis er in m angelangt, plötzlich in die günstigste Richtung, bei nahe noch grösster absoluter Geschwindigkeit, deren er fähig ist, eintritt. Noch günstiger für das Eintreffen dieses Ereignisses ist eine beziehungsweise Lage, wie jene in Fig. 8 vorgestellte, und man begreift demnach leicht, wie Sterne innerhalb weniger Stunden plötzlich sichtbar werden und dieses durch einige Zeit verbleiben, dann aber allmählig abnehmen und nach einigen Jahren völlig wieder verschwinden konnten.

8. Ebenso erklärt sich auch daraus, warum die sogenannten neuen und verschwundenen Sterne alle Farben des Regenbogens durchlaufend mit kupferrothem Lichte endlich verschwinden. Höchst wahrscheinlich dürfte keine geringe Anzahl derjenigen Sterne, die wir gewöhnlich für unbeweglich und unveränderlich halten, einem ähnlichen Farben- und Lichtwechsel unterworfen seyn, wie ja dieses in Bezug auf Sirius ausser Zweifel gestellt scheint.

9. Endlich dürften sich höchst wahrscheinlich die bei verschiedenen periodisch veränderlichen Sternen wahrgenommenen Anomalien aus der Bewegung unserer Erde erklären lassen. So z. B. zeigt der Stern Mira am Halse des Wallfisches bald eine Periode des Lichtwechsels von 328 1/2 Tagen, bald wieder eine von 335 1/2 Tagen, also einen Unterschied von 7 Tagen. Da nun die Umlaufszeit unserer Erde 365 1/4 Tage währt, so befindet sich die Erde zur Zeit, wo jener Stern zu seinem grössten Glanze gelangt, in jedem Jahre in einem andern Zeichen und die Richtung ihrer Bewegung gegen oder von jenem Sterne ist somit in verschiedenen Jahren eine verschiedene. Aber da die Bewegung der Erde auf das Eintreten in die Phase ihres grössten Glanzes ganz unzweifelhaft einen Einfluss ausüben muss, so wird dieselbe das einemal um etwas früher, das anderemal um eben so viel später erfolgen. Eine Geschwindigkeitsdifferenz von 9.4 Meilen würde daher das Verschwinden oder die Erlangung des grössten Glanzes um volle 7 Tage verzögern oder beschleunigen. Ist diess richtig, so müsste sich beim Stern Mira eine Periodicität dieser scheinbaren Anomalie von beiläufig 12 Jahren nachweisen lassen, und fände es sich wirklich so, so wäre dieses eine überraschende Bestätigung der vorliegenden Theorie. In den mir gegenwärtig zu Gebote stehenden Werken habe ich hierüber, und dass diese Anomalie in eine Periode eingeschlossen sey, nichts erwähnt gefunden.

[25]
§ 11.

Bevor Olauf Roemer uns die Geschwindigkeit des Lichtes kennen lehrte und selbst noch viele Jahre nach ihm hielt man an der Meinung fest, dass keine Bewegung am Himmel und auf Erden mit jener des Lichtes in irgend einen Vergleich kommen könne und bei einer Gesichtswahrnehmung einen auch noch so geringen Einfluss auf dieselbe auszuüben vermögen werde. Die scharfsinnige Erklärung des Aberrations-Phänomens, diesem Wahne entgegentretend, verdankte es ganz der unwiderstehlichen Kraft der Wahrheit ihrer Lehre, wenn sie gleichwohl in nicht gar langer Zeit sich allgemeine Anerkennung erwarb. Ist aber eine Geschwindigkeit von 4.7 Meilen hinreichend, die Richtung des Lichtstrahls um 20´´ abzulenken, warum sollte nicht eine nachweisbar ungleich grössere eine Aenderung in Farbe und Intensität des Lichtes bewirken? Nichts kann einen Forscher hindern, sich und andern eine solche Frage vorzulegen und in deren Beantwortung sich zu versuchen. Ob uns die dermalen vorliegenden Beobachtungen schon in den Stand setzen werden, diese Frage zu einer definitiven Beantwortung zu bringen und dieser Theorie den Stempel einer apodiktischen Gewissheit aufzudrücken, will ich der Entscheidung der eigentlichen Sachkenner anheimstellen. So viel indessen scheint gewiss, dass, das hier durchgeführte Raissonement als richtig vorausgesetzt, hiermit einer Theorie eine Grundlage gegeben ist, von welcher die berühmte Bradley'sche Aberrations-Lehre, da sich diese nur allein auf die Richtung, jene aber auch noch überdies auf die Farbe und Intensität des Lichtstrahls bezieht, nur als ein integrirender Theil derselben anzusehen ist, und es ist fast für gewiss anzunehmen dass dieselbe in nicht ferner Zukunft den Astronomen ein willkommenes Mittel darbieten dürfte, die Bewegungen und Entfernungen selbst solcher Gestirne zu bestimmen, welche wegen ihrer unermesslichen Entfernungen von uns und der damit zusammenhängenden Kleinheit der paralaktischen Winkel bis zu gegenwärtigem Augenblicke kaum die Hoffnung zu solchen Messungen und Bestimmungen darboten. –

[26]


Anmerkungen der Vorlage

  1. Das Aberrations-Phänomen als solches darf wohl heut zu Tage, wo es bis auf die feinsten Details durchgeprüft erscheint, für fast eben so constatirt angesehen werden, wie irgend eine andere Erscheinung in der Lehre vom Lichte. Unter Voraussetzung longitudinaler Aetherschwingungen bietet die Erklärung desselben nicht die geringste Schwierigkeit dar, ja folgt mit Nothwendigkeit aus der Zusammensetzung der Aetherwellen mit der eigenen fortschreitenden Bewegung der Erde. Nicht aber lässt sich ein Gleiches bei Annahme transversaler Schwingungen behaupten. Fresnel, der Mitbegründer der neueren Undulationslehre, hat dieses bekanntlich selbst anerkannt. Aber nicht nur nicht zu erklären vermag man dieses Phänomen nach dieser Voraussetzung; sondern es scheint sogar mit der neueren Undulationslehre in einem offenbaren und directen Widerspruche zu stehen. Sollte hierin für die eigentlichen Vertreter dieser Lehre nicht eine sehr bestimmte Aufforderung liegen, die Zulänglichkeit ihres Prinzipes vor Allem an der Erklärung dieser Erscheinung zu erproben? — Bis dahin aber, wo dieses geschehen seyn wird, dürfte wohl auch unserm gegenwärtigen Erklärungsversuche die gleiche billige Beachtung und Prüfung kaum versagt werden können.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. x = x" und n = n": Anzahl Sekunden = Zeit
  2. korrigiert, im Druck x = ((Q ∓ α)/a) / n
  3. geografische Meile = 7420 m