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Seite:Zürcher Diskußjonen (16–17) 008.jpg

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sei nur noch das Urtheil Ernst Elster’s, welcher in seiner Heineausgabe in der Einleitung zum dritten Bande der Reisebilder ausführt: „Heine hatte sich hier von allem Anstandsgefühl entblößt gezeigt, er hatte vom Haß verblendet, sich eines Mittels bedient, den Gegner zu vernichten, das schlechthin als gemein bezeichnet werden muß. Wir müssen es bedauern, daß Heine seine Absicht, den Grafen in späteren Auflagen „herauszuschmeißen“ nicht ausgeführt hat, und so in den „Reisebildern“ neben den zartesten Blüten des Gefühls, der unerfreulichste Schmutz stehen geblieben ist.“

Nur Johannes Prölß ist in seinem fleißigen, gründlichen „Das junge Deutschland, ein Buch deutscher Geistesgeschichte“, Stuttgart 1892, S. 143-148, nicht im Entferntesten geneigt, Heine anzuschuldigen. Er sieht ebenfalls, wie Heine, in jenem Angriffe Platen’s im „Romantischen Oedipus“ nicht nur einen Gegenhieb gegen Immermann’s Xenjen, sondern einen sistematischen Anlauf der bayerischen „Pfaffen und Junker“, Heine aus der Gunst Cotta’s, des Verlegers Platen’s, Minister von Schenk’s, der Heine eine Filosofie-Profeßur an der Münchner Universität versprochen hatte, und der vornehmen Damen-Aristokratie München’s, die Heine’s Lirik schäzte, zu verdrängen. Dies ist auch vollständig gelungen. Allerdings erst, nachdem Heine die „Hinterhaltigkeit des gräflichen Gegners im Intriguiren, Dichten und Lieben an den Pranger gestellt hatte“, wie Prölß sich ausdrükt. In der Tat erfahren wir jezt aus J. Friedrich’s Biografie Döllinger’s (München 1899. Bd. I.), daß dieser leztere, der an der Spize der strengkatolischen, wenn auch nicht gerade jesuitenfreundlichen Partei in München stand, ein Intimus Platen’s war, den er schon von Bamberg her kante, und daß er es war, der die heftig-agreßiven Artikel in die „Eos“, dem Parteiblatt der Katoliken (München 1828, Nr. 132, 1829 Nr. 1 u. 137.) gegen Heine schrieb [Siehe auch: Gustav Karpeles, Heine und Döllinger, in: „Zeitgeist“, Berliner Tageblatt 1899 Nr. 1 und: L. Götz, Ignaz v. Döllinger, Beilage zur Allgemeinen Zeitung 1898. Nr. 261]. – Cotta nahm aber auch Heine’s Vorgehen gegen einen seiner Autoren sehr übel. Aus Prölß erfahren wir nämlich auch zum erstenmal, daß Heine’s Versuch, aus dem Verlag Campe’s in den klaßischen Cotta’s zu gelangen, nunmehr, Ende 1829, abgelehnt wurde. Es war ein Glük. Denn 6 Jahre später, 1835, erließ der deutsche Bundestag sein bekantes Edikt gegen die Schriften des „jungen Deutschland“, die Buchhandlungen wurden überwacht, die Löwenthal’sche Buchhandlung in Mannheim, die Gutzkow’s „Wally“ edirt hatte, gänzlich aufgelöst, und Gutzkow zu drei Monat Gefängnis verurteilt. Währenddem saß Heine ruhig und geborgen im Campe’schen Verlag in Hamburg. Denn der republikanische Senat dieser freien Stadt, der täglich das Salzwaßer des nahen freien Meeres in seine Nüstern sog, kümmerte sich blutwenig um die Verwarnungen und Edikte einer idjotischen Kreatur, wie dieses östreichischen Grafen von Münch, der als Bundestagsgesanter den ganzen Brei mit dem „jungen Deutschland“ angerührt hatte, zu dem sich dann auch die protestantischen Bundesstaaten zögernd niedersezten, um ihn wirklich zum Gaudjum von ganz Europa auszulöffeln. „Sie tun mir leid – sagte damals der französische Minister Comte de Serre zu einem deutschen Diplomaten – Sie führen Krieg gegen Dichter und Studenten!“ –

Es entsteht die Frage: Läßt sich der wißenschaftliche Nachweis führen, daß Platen in seinem Empfinden von homosexualer Natur, also Urning, war? Vor Heine hatte schon der Berliner Dichter und Kritiker Ludwig Robert (1778–1832) Platen wegen des unmänlichen Charakters seiner Gedichte scharf angegriffen: „Der Anblick der ekelhaften Mißgeburt – schreibt er in einer im Uebrigen wolwollenden Kritik – kann nicht widerlicher sein, als in diesen schönen Versen das glühende Körperlob der Jünglinge, dieses für sie kraftlose Schmachten, diese Eifersüchtelei, dieses jammervolle Verschmähtsein, diese unmänliche Weibheit im Gefühle der Freundschaft“ (Jahrbücher für wißenschaftliche Kritik, hrsg. von Hegel, Berlin 1829. S. 601). Man sieht hier nebenbei das absoluteste Misverstehen für das fisjologisch und psichologisch gegebene Empfindungsleben, wie das Urning’sche. – Moll, der Lord Byron von dem zuweilen ausgesprochenen Verdachte der konträren Sexualempfindung freispricht, hält Platen derselben entschieden verdächtig: „Er scheint bei seinen Lebzeiten ziemlich allgemein dieses Renommée gehabt zu haben. Die Gedichte, die er an Männer gerichtet hat, in denen er den Freund feierte, mußten hierzu wesentlich beitragen; freilich wird von anderer Seite

Empfohlene Zitierweise:
Oskar Panizza u. a.: Zürcher Diskußjonen. Zürich, Paris: , 1897–1900, Seite 8. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Z%C3%BCrcher_Disku%C3%9Fjonen_(16%E2%80%9317)_008.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)