Verschiedene: Wünschelruthe | |
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In der Mitte des Teutoburger Waldes unter dem Gebirgsrücken, von welchem herab Herrmann einst auf den beginnenden Zug der Römischen Legionen anstürmte, wohnt unbewust dieses classischen Bodens, aber nicht unbewust der ihn umgebenden ernsten Natur ein Mann, der eben so sehr zu den Merkwürdigkeiten der Gegend gehört wie der sprudelnde Bollerborn. Erprobte Berufstreue macht ihn achtungswerth, und höchst interessant machen ihn seine unglaublich warme Phantasie und das unbeschreiblich lebendige Darstellungs-Vermögen alles dessen, was auf dieselbe Eindruck machte.
Als Förster hat er dem Vaterlande manche Eiche und Buche beschützt, manche Lerche gepflanzt.
Als Jäger ist er seit drey Viertel Jahrhundert ein Schrecken der Wälder.
Wüßte dieser Mann die Feder eben so zu brauchen wie sein Schießgewehr, so würde er ohne Zweifel in Gedichten die Sterne in der Ferne so gerne als jetzt die Hasen Füchse Dächse Lüchse alle tapfer mit der Büchse geschossen haben. Er hat sich über seinen Lieblingsgegenstand, das Waidwerk, eine eigene Sprache erfunden worin der Dichter unverkennbar ist.
Das Geläute der laut jagenden Jagdhunde nennt er z. B. die Harfen, auch wohl, wenn es hoch kömmt, usen Her Gott sine Harfen.
Seine Flinte heißt die Viole, entweder wie das Veilchen als Bild der Lieblichkeit, oder weil ihm der Pulverdampf wie Veilchenduft riecht. Der Fehlschuß, bey dem der Knall die Hauptsache bleibt, wird in der Erzählung durch ein sehr lautes Kla-ba-h-tsch, der Treffschuß hingegen mit einem leisen Pink ausgedrückt.
Bey Erwähnung sehr merkwürdiger Fehlschüsse wird auch oft rückwärts gegriffen und ein Rockschoos in die Höhe gehoben, so wie dem glücklichen Pink stets eine äußerst treffende mimische Darstellung der Art und Weise folgt wie das Wild von dem eben die Rede ist zu verenden pflegt: das Ende des gut geschossenen Hirsches z. B. wird erst durch einen Sprung (das Zeichen) dann durch eine stürzende Bewegung und endlich durch heftiges Ausschlagen mit den Füßen ausgedrückt.
Beim Verenden des Auerhahns werden die beiden Arme Flügeln gleich schnell erhoben und wieder gesenkt, dann der Kopf mit geschlossenen Augen langsam auf eine Schulter niedergebeugt. Mit dieser mimischen Darstellung des Verendens wird dann auch in der Regel jede Geschichte, die mit dem Treffschuß endigt, geschlossen und ohne weiteres Wort folgen oft auf das Pink nur solche Bewegungen.
So interessant diese Mimik in der Anschauung ist, so läßt sie sich doch nur dürftig in Buchstaben beschreiben, man kann sich nichts lebendigeres und naturnachahmenderes denken, als wenn er den, an eine Kette Hühner nachziehend anschleichenden, und dann feststehenden Hühnerhund darstellt! – Bei Gelegenheit einer Jagd am Teutoburger Walde wurde ***en, der Jagdbesitzer der Gegend, aufgefordert, ein paar Geschichtchen des alten Waidmannes für die Wünschelruthe zu liefern: hier sind solche möglichst treu nacherzählt, freilich bemerklich darthuend, daß dergleichen Erzählungen, wobei eigentlich mehr zu sehen, als zu hören ist, schon durch das Nacherzählen, vielmehr denn auf dem Papiere verlieren müssen.
Vor einigen Wintern brannte sein Haus von Grunde aus ab. ***en besuchte ihr einige Zeit darauf bei einer Durchreise im März. Natürlich ist der erste Unterredungs-Gegenstand mit dem unterdessen in ein anderes Haus gezogenen Förster und seiner Familie der statt gehabte Brand, und das darüber empfundene Leidwesen. Frau und Kinder lassen sich weitläuftig über das Unglück aus, der Alte selbst aber nimmt sehr wenig Antheil am Gespräche, empfindet sogar bei allen doch sehr gerechten Klagen und Schilderungen sichtbare Langeweile, endlich fällt er mit den Worten in die Rede: no wat soll dat, wan ’t Godes Wille is: tis der west! aber nu lat sä us von wat Klauken kühren: de Uerhahnen – o –
Verschiedene:Wünschelruthe. Göttingen: Vandenhoek & Ruprecht, 1818, Seite 209. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:W%C3%BCnschelruthe_Ein_Zeitblatt_209.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)