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Seite:Wünschelruthe Ein Zeitblatt 162.jpg

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Verschiedene: Wünschelruthe


O mein lieb Kindelein, etc.

Streckt seine Aermchen aus, der Schlaf will ihn umfangen,
     Sein Auge schließet, - rührt nicht mehr - schläft ein -

35
Wär nicht die Apfelfarb so schön auf seinen Wangen,

     Schien er nicht in des Todes Arm zu seyn?

Halt ein mein liebes Kind - ich schaudre durch die Glieder -
     Ermuntre dich - scheuch einen schlimmen Wahn!
Sohn - einen Augenblick - o sieh das Licht doch wieder,

40
     Schaff Ruh mir wieder, setze deine dran!


Ein süß Versehn, er schlief - gnug - meine Pulse gehen
     Grüßt, leichte Träume, seinen Schlummer fein. -
Wann werd ich ihn, um den mein Herze seufzt, sich sehen
     An meiner Seiten seins Erwachens freun?

45
O mein lieb Kindelein, etc.


Wann wird dich sehen, der das Daseyn dir gegeben,

50
     Mein jugendlich Gemal, der schönste Mann?

Ja schon zu sehn vermeyn’ ich es mit Wonnebeben,
     Wie du die Hände reichst zu ihm hinan.

Wie wird dein Schmeicheln ihn, dein allererstes, laben!
     Wird meinen Küssen streitig machen dich.

55
Doch denk nicht seine Lieb allein für dich zu haben,

     Behält wohl eben auch so viel für mich.

Wie wird er sich in dir sein Bild zu schauen weiden,
     Sein großes Feueraug und doch so mild,
Die edle Stirn, und die selbst Liebe könnte neiden,

60
     Die anmuthreichen Züge wie ein Bild.


Dieß seine Mienen, Züg’, all was mir kann gefallen,
     Des Auges Feur und seiner Wangen Ros’;
Und warum staunen? konnt er anders als in allem
     Er selbst jemals entblühen meinem Schoos?

65
O mein lieb Kindelein, etc.


Kann eifersüchtig je ich seyn auf sein Verlangen,

70
     Thätst du auch mehr als theilen es mit mir?

Mach einer Gattin Glück, Freund, gleich wir er; doch bangen
     Und schmachten laß sie nicht so lang nach dir.

Ich sprech und hörst mich nicht - Was sag ich? unbesonnen!
     Er hörte mehr nicht, wär’ er ganz erwacht.

75
Arm theures Kindlein, von der Spul, drum sie gesponnen,

     Sind deine Gedanken noch nicht losgemacht.

Wir waren allesammt wie du zu dieser Weile,
     Zu bald bricht traurige Vernunft den Traum;
In diesem Frieden ach, wo möglich ist, verweile;

80
     Selbst schönen Tagen wird er denken kaum.


O mein lieb Kindelein, etc.

F. G. Welcker.

O cher enfantelet etc.

Estend ses brasselets; s’espand sur lui le somme;
     Se clost son oeil; plus ne bouge — il s’endort -

35
N’estoit ce tayn floury des couleurs de la pomme

     Ne le diriez dans les bras de la mort? —

Arreste cher enfant! — j’en frémy toute engtiere! —
     Reveille toy! chasse ung fatal propoz! —
Mon fils! — pour ung moment … ah ! — revoy la lumière!

40
     Au prilx du tien, rends-moy tout mon repoz! —


Doulce erreur! il dormoit — c’est assez, je respire;
     Songes légiers, flattez son doulx sommeil!
Ah! quand voyray cettuy, pour qui mon coeur souspire,
     Aux miens costez, jouir ds son réveil?

45
O cher enfantelet etc.


Quand te voyra cestuy dont as receu la vie,

50
     Mon jeune espoulx, le plus beau des humains?

Oui, desjà cuyde voir ta mere aux cieulx ravie
     Que tend vers luy tes innoceutes mains.

Comme ira se duysant à ta prime caresse!
     Aux miens bayzers comm’ t’ira disputant!

55
Ainz ne compte, à toy seul, d’espuyser sa tendresse,

     A sa Clotilde en garde bien autant.

Qu’aura playzir, en toy de cerner son ymaige,
     Ses grands yeulx vairs, vifs, et pourtant si doulx!
Ce front noble, et ce tour gracieulx d’ung vizaige

60
     Dont l’amour mesme eut fors esté jaloux.


Voyla ses traicts … son ayr! voyla tout ce que j’ayme!
     Feu de son oeil, et roses de son tayn …
D’ou vient m’en esbahyr? aultre qu’en tout luy mesme
     Pust il jamais esclore de mon seyn?

65
O cher enfantelet etc.


Pour moy, des siens transports onc ne seray jalouse

70
     Quand feroy moins qu’avec toy les partir:

Faiz amy, comme luy, l’heur d’ugne tendre espouse,
     Ainz, tant que luy, ne la fasses languir!

Te parle et ne m’entends, … eh! que dis je? — insensée! —
     Plus n’oyroit il, quand fust moult esveillé,

75
Povrè chier enfançon! des filz de la pensée

     L’eachevelet n’est encor debroillé.

Tretouz avons été comme ez toy dans ceste heure; -
     Triste rayzon que trop tost n’adviendra!
En la paix dont jouys, s’ est possible ah! demeure!

80
     A tes beaux jours mesme il n’en souviendra.


O cher enfantelet etc.

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Verschiedene:Wünschelruthe. Göttingen: Vandenhoek & Ruprecht, 1818, Seite 162. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:W%C3%BCnschelruthe_Ein_Zeitblatt_162.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)