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Seite:Wünschelruthe Ein Zeitblatt 150.jpg

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Verschiedene: Wünschelruthe

ein Frauenkloster, woher der gewaltige Thurm noch rühren mag, den die Verwüster nicht zerbrechen konnten. Auch mag’s wohl ein besuchter Wallfahrtsort gewesen seyn, wenigstens hört man noch von Zeit zu Zeit Pilger nach Kloster Eichenzell fragen, doch wenn sie vernehmen daß an seiner Stelle jezt ein verödetes Jagdhaus steht, ziehn sie meist trüb und kopfschüttelnd weiter. Es mag nun bereits über zwanzig Jahre her seyn, als der lezte dort bestellte Förster – ein harter unbarmherziger Mann – daselbst recht unerwartet verstorben, und über die Art seines Todes gar schauerliche Gerüchte gingen, die ich unmöglich nachsagen kann. So viel ist aber wohl gewiß, daß er ein schreckliches Ende genommen, daß sein Leichnam furchtbar entstellt bei Nacht und Nebel eingescharrt ward, ja seine Gattin noch desselben Tages Haus und Gehöft und Gegend ganz verlassen. Er war der lezte Bewohner dieses Hauses, und so viel Jäger aus der Näh’ und Ferne kamen, so hat doch keiner mehr drinn ausgehalten, und alle schieden meist im ersten Monat, entweder körperlich oder geistig krank, und verschrieen das arme Häuschen so gewaltig, daß es seit einiger Zeit verlassen steht, umsonst von der Herrschaft feilgeboten wird, und nur am Tag von Mähern oder Hirten als Sonn- und Wetterdach aufgesucht, doch Nachts wie ein Kirchhof gemieden wird, – obschon sichs, alles Spukes unbeschadet, noch immer in baulichem Wesen erhalten. Was es dort giebt, und welch ein Geist drinn umgeht? weiß ich nicht; doch sollen nach der gemeinen Sage zwei feurige Schlangen nächtlich Wache stehn und jeden Ungeweihten verscheuchen; und werdens, wie man sagt, so lange treiben, bis ein recht treues geprüftes Paar das nur sich selbst und der Liebe lebt, einst über die schaurige Schwelle tritt, wo denn ein recht himmlisches Glück auf die Beiden herabkommen und so den Zauberbann lösen werde!“

Marie hielt hier leis erröthend inne, doch Edmund faßte zärtlich ihre Hand, besorglich fragend: „und hättest du wohl, Geliebte, Muth genug, mit mir jenes furchtbare Haus zu beziehn? da wir uns ohnehin einmal ansiedeln müssen wenn uns dein Vormund nicht mehr aufnehmen kann!“ Sie besann sich keinen Augenblick: „Wie du auch wunderlich fragen kannst! Zög’ ich dir doch bis ans Weltende nach, warum nicht auch in die harmlose Hütte! Glaube mir Freund: wer nur den Wurm nicht selbst in sich trägt, kann dort gewiß recht ungestört wohnen!“

Der schöne fromme Muth Mariens hatte auch Edmund wunderbar bewegt, wiewohl er sich keineswegs ganz furchtlos fühlte. Er zog sie überwältigt an sein Herz, nannte sie mit den süßesten Namen, und Beide hielten sich schon für das erwählte Paar, im selbst entzauberten Paradiese; da hörten sie plötzlich ein seltsames Geräusch, und fuhren vor einer Matrone zusammen, die in lange Tücher gehüllt, einer heidnischen Drude gleich, sich vorwärts auf den Krückenstab lehnte: „was schwazt Ihr da für ungereimte Dinge“ hub sie mit pfeiffender Stimme an „wozu Ihr Beide noch viel zu kindisch seyd; von Dingen, die selbst Unsereins nicht ohne Entsetzen auf die Zunge brächte! – was gilts: ehe der Herbstwind durch die Stoppeln rauscht, seyd Jhr entweder andern, klügern Sinns, oder bereits dem Versucher erlegen!“ Marie war einer Ohnmacht nah, Edmund umfing sie mit starkem Arm, indem er der Alten ungestüm zurief: „Zurück alte Hexe, zurück, zurück! willst du meine Braut denn zum Tod erschrecken?“ – „Braut!“ grinzte die Alte, hämisch spottend, indem sie sich singend im Gebüsch verlohr.

„Es zog ein Knappe wohl über Feld,
Da ward seiner Treue manch Netz gestellt;
Er kehrte wieder, doch nicht allein: –
Mag, falscher Ritter, dein Lieb nicht seyn.“

Und Edmund fuhr, hoch entrüstet, auf und wollte der Sängerin den Mund verstopfen, doch weit und breit vernahm er nichts mehr, als nur den Nachhall seiner eignen Stimme.

(Die Fortsetzung folgt).




Volkslieder.




10.
(Aus: Bicina Gallic. Germ. Lat. 1545).)

     Der Mai tritt ’rein mit Freuden,
Hin fährt der Winter kalt,
Die Blümlein auf der Heiden
Blühen gar mannigfalt.

5
     Ein edles Röslin zarte

Von rothen Farben schön
Blüht in mein’s Herzens Garte,
Für all’ Blümlein ich’s krön.

     Es ist mein Wolgemute

10
Das schön Röslin roth,

Erfrischt mir Sinn und Mute,
Errett’ aus aller Noth.

     Es ist mein Ehrenpreiße,
Dazu mein Augentrost,

15
Gemacht mit allem Fleiße,

Vom Tod hat’s mich erloßt.

     Vor Leid war ich gestorben,
Entgangen was mein Kraft,

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene:Wünschelruthe. Göttingen: Vandenhoek & Ruprecht, 1818, Seite 150. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:W%C3%BCnschelruthe_Ein_Zeitblatt_150.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)