Verschiedene: Wünschelruthe | |
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Jetzt wann ich draußen wandre,
So läßt mich’s nicht in Ruh’,
Es ruft mir Eins ums And’re
Wie Geisterstimmen zu,
Gar süße Wort’ ins Ohr,
Und eh’ ich mich’s versehe,
Husch! springt ein Lied hervor.
Wie sollt’ es, lieben Brüder!
Es zog der May ja wieder
In uns’re Herzen ein.
Und ist der erst gekommen,
Dann werden Träume wach,
Dann folgen Lieder nach.
Nun! sind gleich Lieder Träume -
Nur immer zugereimt!
Nun! sind gleich Träume Schäume -
In Liedern nimmt und Reimen,
Wie Blumen sich im Strauß,
Das Träumen und das Schäumen
Und Alles schöner aus.
Ich komme zum Kapellmeister Krumpipen, aber nicht des Puthahns, sondern des Distelfinks wegen. Dieser edle Singvogel ist leider auch unter Krumpipens Fortepiano eingegittert, aber nicht um fett zu werden, sondern um auszudürren. Sie glauben nicht, wie mich der bescheidene Jüngling rührt, er ist voll schöner höherer Begeisterung, und wenn ihm der Muth erwüchse, sich mit seiner Harfe dem Herrn und der Natur gegen überzustellen und zu psalliren wie ein David, er würde es bestimmt vom Distelfink zur Nachtigall bringen. Aber da sitzt der unglückliche bei dem Futteral der Baßgeige, in welcher am Ende gar kein Instrument, sondern Schinken und Metwurst steckt, bei dem erhabenen Krumpipen. Es ist etwas kindliches menschliches, unschuldigstes in der blinden Verehrung;[WS 1] jeder Begeisterte schafft sich einen Götzen seines Ideals, aber es ist sehr betrübt, wenn eine kriechende Sklaverei, eine gänzliche Lähmung des Selbstgefühls daraus entsteht. O daß es doch weniger gefährlich wäre den Gott in sich selbst zu erkennen und zu verehren, aber daraus entstehen leicht solche Magenschwärmer und Speckfantasten, wie Krumpipen, welche herrlich zu musiziren glauben, wenn sie ein verschwommenes, eitelsüßes, Schmorgesicht, wie ein verliebter gen Himmel schnuffelnder Stier machen, während sie ganz lamentable leere alte Passagen auf dem Fortepiano heraus quetschen und dabei mit den Fingern drücken und zucken, als seien die Klaven bald butterweich, bald glühend heiß, es hängt ihnen[WS 2] gewöhnlich dabei eine Thräne im Aug, ein Schweistropfen auf der Stirn, und ein Tröpfchen an der Nase und das nennen sie in hoher
Anmerkungen (Wikisource)
Verschiedene:Wünschelruthe. Göttingen: Vandenhoek & Ruprecht, 1818, Seite 109. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:W%C3%BCnschelruthe_Ein_Zeitblatt_109.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)