Verschiedene: Wünschelruthe | |
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Schreiben Sie mir im Ernst, ich sollte eins der beyden Stücke des Calderon, deren Uebersetzung ich Ihnen hiebey ohne Dank zurücksende, zur Einweihung unsres neuen Theaters aufführen? Herr Poet, Sie rasen und Serenissimus ließe mich auch ins Tollhaus bringen - und das mit Recht. Gestern Abend bat ich unsre Psyche, mir etwas daraus vorzulesen, das giebt mir gleich einen bestimmteren Eindruck und ich kann nebenher dabey essen. Der dicke pockennarbige beschnittene Amant hatte trefliche Austern angeschafft und einen guten Eilfer für uns Elfen, aber dafür mußte er auch dabey sitzen und mit hören, was unsre Psyche ein wenig zerstreute. Denn einmal knarrt er immer mit seinen glänzenden Stiefeln, zweitens streift er immer über sein neues englisches Hosenzeug, wovon er gewiß andern so schlecht zugemessen hat, daß es ihm nichts kostet, dann zieht er alle Augenblicke die Uhr mit den unzähligen Pettschaften heraus und endlich klappert er unausstehlich mit den Geldstücken in der Westentasche und zählt sie heimlich durch, ob ihm auch keines gestohlen ist. Und wenn er noch alles an sich fand, wie er es verlassen hatte, so lächelte er so wohlgefällig, daß Psyche es lange für Beyfall hielt und mit großer Anstrengung fortlas. Aber unser schönes Kind wäre fast an den Versen gestickt, besonders bey der unendlichen spanischen Dialektik, die ganz ernsthaft Blume und Besen vergleichen könnte und alle Silben und Worte rückwärts und vorwärts combinirt. Was sie da für Tonreihen aus allen ihren guten Rollen aufgeboten hat ist schwer nachzumachen, bald hörte ich Gurli, bald die Jungfrau, und doch konnte sie keine Art Empfindung hineinlegen, keine dramatische Gestalt herausbringen. Das war eine Hexelschneiderei, der Amant zog das Maul bis an die Ohren, und wollte sich todt lachen, ich wollte mein Buch in Ehren erhalten und machte ihn auf die Schönheit der Anlage aufmerksam, dabey trank ich in der Verlegenheit eine Flasche bis auf den Grund aus. Lag es an Psyche, an uns, oder am Stück, daß wir nicht recht weit kamen? Freilich der Amant blinzelte so verliebt aus den Affenaugen, daß Psyche mir geradeaus erklärte, wenn sie morgen die Jungfrau spielen solle, so dürfe sie nicht mehr die Verse lesen, sie bekomme davon einen rauhen Hals. Sie werden dabey an den Bauer denken, der beym Pflügen nicht wollte auf Hochdeutsch nach dem Weg gefragt seyn, weil das seine Pferde scheu mache, aber so eigensinnig ist die Praxis, was ihr Poeten für höchsten Wohlklang ausgebt, zerschneidet oft dem Deklamator die Kehle. Mit dem halben Stücke im Kopf, ging ich von Psyche fort zum Kapellmeister, den ich schon vor dem Hause auf seinem Flügel phantasieren und dazu mit dem Munde trompeten hörte. Er nahm mein Anerbiethen mit ihm den Calderon zu lesen sehr hoch auf und versicherte, noch ehe er ihn gelesen, daß er ihn ganz in Musik setzen wolle, dabey kam er aber wieder ins Phantasieren, schlug seine Blicke gen Himmel auf und nuselte zum Erbarmen auf dem Fortepiano. Ihr Poeten wäret recht glücklich wenn ihr euer leeres Gefasel so leicht wie die Musiker mit ein Bischen Wohllaut gut machen könntet, aber euch sieht ein vernünftiger Mann gleich ins Herz, ob da Apollo hineinstrahlte oder ein Sparlämpchen aus geborgtem Oehl. Bey diesem Geklimper fing der Puthahn, den er unter seinem Fortepiano zum Mästen eingegittert hält, zu träumen an und kullerte bis sein Meister und Mäster versicherte, für den Frevel müsse er morgen
Verschiedene:Wünschelruthe. Göttingen: Vandenhoek & Ruprecht, 1818, Seite 89. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:W%C3%BCnschelruthe_Ein_Zeitblatt_089.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)