Verschiedene: Wünschelruthe | |
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Die Alten scheinen schlafende, auf einer Löwenhaut ausgestreckte Kinder sehr geliebt zu haben, indem man mehrere solche Vorstellungen findet, die jedoch mit den beiden Cupido’s, die zu Mantua waren, nicht verwechselt werden dürfen, indem die Attribute beweisen, daß sie den Gott des Schlafes darstellen sollen. Der von uns oft angeführte, und von Hrn. Morelli herausgegebene Anonyme Reisende fand einen solchen schlafenden Knaben unter den Kunstschätzen des M. Pietro Bembo. „Der ausgestreckte, schlafende Cupido, sagt er, ist ein antikes, marmornes Kunstwerk von der Hand des Samos. Er hat eine Eidechse zur Seite, ist aber von dem der Marchesin von Mantua verschieden[1].“ Ein alter Bildhauer Namens Samos ist mir unbekannt, allein die Insel Samos war der Geburtsort mehrerer Künstler.
Ein andres sehr schönes und sanft schlummerndes geflügeltes Kind bewundert man unter den Alterthümern der S. Marcus Bibliothek zu Venedig[2]. Es ruht auf einer Löwenhaut; mit der rechten Hand stützt es die Schläfe, während es die Linke nach einem Blumenkranz ausgestreckt hat, in dessen Mitte zwei Mohnhäupter sich befinden. Zu seinen Füßen kriegt eine Eidechse, und neben ihr liegt ein Thier, das man für einen Siebenschläfer gehalten hat.
Mein achtungswürdiger Freund und College, Herr Ob. Med. R. Blumenbach, den ich um die Bedeutung dieses Thiers fragte, hatte die Gefälligkeit, mir folgende Antwort mitzutheilen: „Das Thier auf dem Marmor würde ich durchaus für nichts anderes als für einen treuen Hund ansehen, der den schlafenden Kleinen bewacht, den aber der italiänische Erklärer, trotz der offenen Augen, für einen ghiro dormendo ansieht. Aber auch von der Eidechse, die so verschiedentlich aus mancherlei Kunstwerken des Alterthums und namentlich bei Statuen angebracht ist, wüßte ich nicht wie sie Symbol des Schlafs seyn sollte.“
Ein anderes, ebenfalls sehr merkwürdiges Kunstwerk dieser Art, bewahrte die Sammlung des Hauses des Vincenzo Vittoria zu Rom. Es ist ein reizender, geflügelter Knabe, der schläft und auf dem Haupt eines Löwen ruht. Seine rechte Hand hat er unter seinen Kopf gelegt, und in der Linken hält er einige Mohnhäupter. Zu seinen Füßen erscheint die gewöhnliche Eidechse[3]. Nach Maffei’s Aussage befanden sich zu seiner Zeit zwei kleine vortrefflich gearbeitete Statuen des Schlafs, die mit der eben erwähnten eine auffallende Aehnlichkeit haben, in dem Palast des Connetable Colonna.
In der Antikengalerie zu Dresden bewundert man, einen kleinen geflügelten Genius, der auf einem Löwen oder vielmehr auf einer Löwenhaut schlummert[4]. Er ist unstreitig
- ↑ Der Name Samos ist entweder ein Schreibfehler, oder von dem anonymen Reisenden falsch gelesen worden. Doch führt vielleicht eben dieser falsche Namen zu einer Entdeckung. Es gab im Alterthum einen berühmten Künstler Sauros, ΣΑΥΡΟΣ, der seine Arbeiten mit der Figur einer Eidechse bezeichnete. Wie nun, wenn man annimmt, daß das Urbild aller jener schlafenden Knaben, die eine Eidechse zu den Füßen haben, von dem Bildhauer Sauros herrühre, und daß sein Namen auf jenem Monument sich erhalten hat. Die Züge in dem Namen ΣΑΥΡΟΣ sind denen in ΣΑΜΟΣ so ähnlich, daß leicht ΑΜ mit ΑΥΡ verwechselt werden konnte.
- ↑ Antiche statue della libreria di San Marco. Tom. II. tab. XXXIX.
- ↑ Maffei Statue antiche. Tab CLI. e pag. 144.
- ↑ S. Becker’s Augusteum T. III tab. CLII. Le Plat Tab. 126. 2. Lipsius n. 395. Ich muß bei dieser Gelegenheit erinnern, daß die Haut oft so schlecht ausgeführt ist, daß man nicht weiß, ob man das Thier oder sein Fell sieht. Vergl. meine Kl. Schriften Th. I.
Verschiedene:Wünschelruthe. Göttingen: Vandenhoek & Ruprecht, 1818, Seite 57. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:W%C3%BCnschelruthe_Ein_Zeitblatt_057.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)