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Seite:Wünschelruthe Ein Zeitblatt 050.jpg

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Verschiedne: Wünschelruthe


wo man ihn noch gegenwärtig sieht. Diese ganze Sache wurde dem Cardinal übel genommen.“ An einem andern Orte fährt Vasari fort: „Messer Jacopo Galli, ein römischer Edelmann, und geistreicher Kenner, der die Verdienste des Michel Angelo zu schätzen wußte, ließ von ihm einen Cupido, nach der Natur, und hieraus einen Bacchus verfertigen[1].“

Daß dem Vasari noch viel zum musterhaften Biographen fehlt, daß er oft dunkel wird und in Unbestimmtheit sich verliert, kann die oben angeführte Stelle beweisen, deren Sinn deutlicher folgendermaßen ausgedrückt werden muß. Michel Angelo verfertigte einen schlafenden Cupido in Lebensgröße[2], zeigte ihn dem Lorenzo di Pier Franzesco von Medicis, der ihn lobte, und ihm rieth, ihn zu vergraben um eine höhere Summe dafür zu erhalten. Michel Angelo gab ihm durch einen Ueberzug ein antikes Ansehen, oder brach ihm, wie Andre wollen[3], einen Arm ab, übertrug die Sache dem Milanese, der ihn zu Rom dem Cardinal di San Giorgio verkaufte. Der Cardinal entdeckte den Betrug, und Michel Angelo nahm die Statue zurück, welche der Herzog von Valenzia, und von diesem die Marchesin von Mantua erhielt. Von dem andern Cupido, den Galli bekam, weiß man nicht, ob er schlafend dargestellt war. Vielleicht ist er derselbe, den Vasari in seiner verworrenen Sprache, als eine Arbeit nennt, die Michel Angelo für den Milanese verfertigt hatte.

Noch im verstoßenen Jahrhundert gab es mehrere Männer, welche den trunkenen Baccchus in der königlichen Galerie zu Florenz[4] für jene verstümmelte Statue des Michel Angelo hielten. Und wirklich ist die Hand, mit welcher er eine Schale hält, am Daum ergänzt. Auch Bastiano Bianchini, der lange Zeit die Aussicht über die Mediceische Kunstsammlung hatte, war dieser Meinung, die sich auf die herrschende Sage gründet, daß die Hand, welche mit einer bronzenen Schraube bevestigt worden ist, eine Restauration des Michel Angelo sey.

Wie grundlos aber alles, was man bis jetzt über die Statue sowohl, wie über den wahren Cupido des Michel Angelo gemuthmaßt hat, wird aus dem folgenden erhellen.

(Die Fortsetzung folgt.)




Geschichte eines Algierer-Sklaven.


(Fortsetzung).

Erst nach mehreren Monaten, als er unter seinen Verwandten wieder gebrochen Deutsch gelernt und mehrmals und oft wieder gekommen, hat er sich dem Drosten ganz verständlich machen können, der ihm nach und nach seine Geschichte abgefragt.

Da hat ihn einsmals auch der Drost gefragt : „nu seg mal Hermen, du brukst ja jetz doch nix mer to förchten, wi is dat kumen med den Jauden dat du den vor de Blesse schlahen hest?“ „Ach dat well eck er Gnaden seggen, ek wull’ en nich daut schlahen, sunnern men düet dörchprügeln, wi ek en averst sau an den Kragen fatte da ritt he sik loß, un gav mi einen med sinen dören Stock, dei mi höllisch wei deihe, da schlog ek en in der Bosheit med minen Knüppel glik övern Kopp dat he flugs tosammen stört asse ’n Taskenmest. Da dacht ek: nu is et doch verbi, nu sust ’n anck ganz daut schlahen.“

Wie er ihn nun todt vor sich liegen gesehen, da wäre die Angst über ihn gekommen, und wäre nicht wieder zu seinem Herrn nach Ovenhausen gegangen sondern nach Hause, und da sein Vater darüber verwundert, habe er ihm gesagt er hätte Streit mit seinem Brodherrn bekommen und sei aus dem Dienst gegangen. Da sei denn aber auf einmal die Nachricht von dem Morde gekommen, und sein Vater um jenen Prozeß wissend habe ihn scharf angesehen: „Hermen Hermen med di is et nich richtig, du hest wat up de Seele, give Gott dat et nich Unglück un Schanne is.“ Nun hätte er am Mittag in der Hausthür gestanden, als er die Gerichtsdiener von der einen Seite und den gnädigen Herrn von der andern im Dorf herauf kommen gesehen. Da hätte er wohl gemerkt daß es aus ihn abgesehen, und sei in die Stube gesprungen und hätte seinem Vater gesagt; er solle ihn nicht verrathen; und da der Gerichtsdiener schon vor dem Hause, sei er zum Fenster hinaus in den Garten in die Vicebohnen gesprungen.

  1. Dieser Bacchus wird noch gegenwärtig zu Florenz bewundert. Michel Angelo verfertigte ihn in einem Alter von 24 Jahren, und weil er wirklich an der Hand ergänzt ist, so gab dieser Umstand Gelegenheit zu seiner Verwechselung mit dem Cupido, wie man aus dem Boissard, Bianchini und Mariette's Anmerkungen zu Condivi’s Biographie sehen kann.
  2. Nach dem Condivi war er als ein 6-7 jähriger Knabe dargestellt.
  3. „Ce fut en ce tems - là, qu’ ayant fait la figure d’un Cupidon, il la porta à Rome, et lui ayant cassé un bras, qu’il retint, il enterra le reste dans un lieu où il savoit qu’on devoit fouïller, et cette figure y ayant été trouvée, elle fut vendue pour antique au Cardinal de Saint - Grégoire, à qui Michel-Ange découvrit la chose, en lui montrant le bras qu’il en avoit réservé.“ S. de Piles Abrégé. (Ed. 1767, p. 149).
  4. Diese köstliche Statue ist von Dorigny, Preisler, Saiter in Kupfer gestochen worden. Beim Episcopius und im Museum Florentinum sieht man sie von 3 Seiten.
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Verschiedne: Wünschelruthe. Vandenhoek & Ruprecht, Göttingen 1818, Seite 50. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:W%C3%BCnschelruthe_Ein_Zeitblatt_050.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)