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Seite:Wünschelruthe Ein Zeitblatt 042.jpg

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Verschiedene: Wünschelruthe


Heilgen Geist Holze; und während die Leute zusammenstehn und es besprechen und einige den Weg heraufgehen, dem Holze zu, giebt sie es bei dem Gerichte an, und erzählt unter Schluchzen, als vorgestern ihr Mann nicht gekommen, gestern nicht, und auch heute Morgen nicht, habe sie sich aufgemacht, um hier im Dorf zu fragen welchen Weg er genommen, und als sie durchs Holz gekommen, sei auf einem Fleck viel Blut gelegen, und eine Spur davon habe ins nahe Gebüsch gewiesen, da sei sie neugierig gefolgt, meinend ein todwundes Wild sei da vielleicht hineingekrochen, da sei es ein Mensch gewesen, und ihr Mann, und todt!

Man bringt ihn auf einer Tragbahre ins Dorf. Er hatte siebzehn sichtbare Schläge mit einem Knüppel erhalten, aber keiner von sechsen, auf den Hirnschädel gefallenen, hatte diesen zersprengt, ohngeachtet sie so vollwichtig gewesen, daß die Haut jedesmal abgequetscht war. Nur einer ins Genick und ein Paar in die Rippen waren ihm tödtlich geworden. Die Haut in beiden Händen war abgeschält; (er hatte, wie sich später erwieß, mehrmals krampfhaft den zackichten Prügel ergriffen, der Mörder ihm aber denselben mit aller Gewalt durch die Hände gerissen daß die Haut daran geblieben).

Der Förster Schmidts war mit unter denen gewesen, die hinauf gegangen, und fand kaum 100 Schritt vor der Leiche auf dem Wege nach Ovenhausen rechts am Graben den blutigen Knüppel der seine Gedanken auf Hermann leitete; dann kam beim Gericht die Erinnerung an den Prozeß, und bald die Aussage jener die gehört, daß Hermann unten an der Treppe gesagt: ek will di kalt maken.

Da gab das Gericht Befehl ihn zu arretiren, und weil man hörte, er sei seit ein paar Tagen nicht mehr beim Voigt in Ovenhausen, sondern bei seinem Vater in Bellersen, so setzte sich der Drost Freiherr H..n selbst mit einem Reitknechte zu Pferde, und ritt von der einen Seite ins Dorf, während von der andern Seite die Gerichtsdiener auf das Haus des alten Winkelhannes zukamen. Der aber erzählte, als man niemanden fand, sein Sohn sei schon seit voriger Nacht fort, er wisse nicht wohin. Das war aber unwahr, denn Hermann erzählte später selbst: er habe die Gerichtsdiener aufs Haus zukommen sehen, da sei er durchs Fenster in den Garten gesprungen und habe sich in die Vicebohnen versteckt, und habe das Suchen alles gehört, wie es dann still geworden, dann ein Paar am Gartenzaun sich begegnet, und der eine gesagt: da häwwet se en! worauf der andere: ach wat willt se’n häwwen, de is längest öwer alle Berge! wo sull he denn wal hen lopen sin? Ach war weit eck, na Ueßen, na Prüßen, na Duderstat hen!

Der Jude lag indeß auf der Todtenbahre und seine Wunden öffneten sich nicht mehr, um bei Vorführung des Mörders zu bluten. Da kamen die Verwandten und Glaubensgenossen, ihn zum ehrlichen Begräbniß abzuholen, und während der Rabbiner ihn in den Sarg legen und auf den Wagen laden läßt, stehen der Bruder und ein paar andre Juden beim Drosten H..n und bitten ihn nach einiger Einleitung, „se hatten ’ne grause Bitte an er Gnoden.“ Nun und worin besteht die? wendete der Drost ein. „Er Gnoden müssen’s uns aber nich vor übel nehmen, da is der Baum wo unser Bruder bei erschlagen, da wöllten mer se bitten, ob se uns erlauben wollten in den Baum unsre Zeichen ’nein zu schneiden, mir wollens gerne bezohlen, fordern er Gnoden nur was se da vor haben wollen“. – „O das thut in Gottesnahmen soviel ihr nur wollt!“ – „Nu mer wollen allen Schaden ersetzen, verkaufen se uns den Baum“ – „Ach was, schreibt daran was ihr Lust habt, das thut dem Baum weiter nichts. Aber was wollt ihr denn drein schneiden, dürft ihr das nicht sagen?“ frägt der Drost zurück. „Ach wenn er Gnoden es nich vor übel nehmen wollten, da ist unser Rabbiner der soll da unsere Hebräischen Zeichen nein schneiden, daß der Mörder, den unser Gott finden werd, keines rechten Daudes sterben soll“.

(Die Fortsetzung folgt).




Liebesbild.





Vieles wohl hab ich erlebt und vieles wohl hab ich erlitten,
     Mühsam nach vielem gestrebt, wenig nur aber erreicht;
Nichts schien dem Geiste zu weit und Alles wohl dacht’ ich erreichbar
     Mir in der lieblichen Welt, die ich als Kind mir erbaut.
Fröhlich begann ich das Ringen mit Schicksal und Welt und den Menschen,
Aber sie trieben mich bald beim in das eigene Haus.
     Hier nun ordnet’ ich Alles mit Mühe und Fleiß in der Stille,
Baute dem einigen Gott Tempel und Altar darin,
     Und so trieb ich mein Wesen, in heiliger Stille und Andacht,
Kehrte mich nicht an die Welt, lebte nur ruhig für mich.
     Rings in dem Stübchen bemahlt ich die Wände mit lieblichen Bildern,
Die aus der Kindheit mir noch lebten im kindlichen Sinn;
     Dachte, ich könnte allein so glücklich wohl leben und sterben,
Meinte, ich brauche nun Nichts weiter zum ruhigen Glück.
     Aber da sah ich im Traum ein Wesen voll lieblicher Anmuth,
Das ich als Kind einst gesehn draußen, in brausender Welt;
     Freundlich winkte sie mir, und zeigte hold lächelnd gen Oben -
Als ich zu Füßen ihr fiel, schwebte sie - weiß nicht wohin.
     Aber es war meine Ruh mit ihr entschwunden, und ewig
Blieb mir das liebliche Bild fest in den Busen gebannt -

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Wünschelruthe. Vandenhoek & Ruprecht, Göttingen 1818, Seite 42. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:W%C3%BCnschelruthe_Ein_Zeitblatt_042.jpg&oldid=- (Version vom 23.3.2019)