Verschiedene: Wünschelruthe | |
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von H. S.
Auch Anna bedeckte ihr liebstes entflohenes Leben, so daß das Geschoß, tief in die Seele gedrungen, den Leib unversehrt ließ, wie oft Krieger verwundet werden, ohne daß es, wo die Kugel durchging, an den Kleidern zu sehen. Der Tod ist das segensreiche Wetter nach dem der Mensch aufgeht. Schlank und größer war Anna in ihren Thränen geworden, die Lilienglocke der Liebe war empor gewachsen, und das Herz der Jungfrau schlug an ihr die reine Stunde an; und ihre Thränen gossen sich zu einem Bilde, das sich in den dunkeln Flor schlang, der ihre Seele verhüllte. Manchmal saß sie nun vor ihrem Spinnrad, und wenn noch die Sonne mit den blonden Haarflechten sich um ihre Stirne legte, ließ sie, wie bei müden Abenden, den Faden oft fallen, und sah starr, als sänne sie nach, vor sich hin. Das Rädchen, von dem Füßchen getreten, als stampfe sie vor Ungeduld, drehte sich, bis es von selbst stehen blieb. Betrachtete sie so ihr Vater, dann wollte sie die Thräne im Auge verheimlichen, und ergriff den Faden schnell wieder, ihn damit anzufeuchten. Trübe aber sagte der Alte „Wenn du da mein Todtenhemd spännest, und meiner Tage Ende harrte darauf, bis es fertig würde, dann könnte ich manchen Tag noch leben, um meinen Schmerz an dir zu stillen. Doch du, mein einziger Gedanke, der mir nie aus dem Sinn kommt, du väterlicher Segen, den mein weißes Haar, wie Schnee die Saat, deckt, du spülst diesen Schnee hinweg mit den Thränen über die Mutter, daß er bald in die Erde gedrungen seyn wird.“ Sie hatte aber nicht bloß ihre Mutter betrauert; ihre sechszehn Jahre erschienen ihr wie Englein in eben so viel verschiedenen lieblichen Gestalten, als worin sie aufblühend ihre Geburtstage gefeiert hatte, und die jüngsten erhuben ihre Flügel und jammerten nach der Mutter, wenn die größeren nach dem Geliebten sehnsüchtig ihre Flügel ausbreiteten, und beide Anna mit Liebe und Leid anwehten.[WS 1]
Wenn Mütter sterben, wird die älteste oder einzige Tochter gewöhnlich Hausmutter, und es ist schon eine große Waldstille in einer solchen Hausfrau, wenn das Haus auch nicht im Walde steht. Anna führte nun ihrem Vater[WS 2] die Wirthschaft allein, während dieser sich hinter den Busch legte, um den Trübsinn der Tage zu verjagen. Da war denn dem Mädchen oft die Zeit über herzbange, wenn sie, mit ihrem Leid allein, spät in die Nacht wachen mußte; doch manchmal kam ihr zu Liebe der Forstlaufer Jacob, setzte sich zu ihr hin, und sprach, was ihre einsame Abgeschiedenheit vergönnte. – Beide Jäger waren eines Tages auf der Jagd, und sie sah durch die klare Herbstluft zu den Wolken, als plötzlich ihre Tauben auseinander flattern, während ein Sperber in der Höhe einen Bogen zieht, und gerade pfeilschnell unter sie schießt. Da nimmt das Mädchen des Vaters Büchse von der Wand, schießt und trifft den Falken mitten heraus, daß unversehrt die Tauben sich auf dem Schlage sammeln. In eben dem Augenblicke, als der Falke herabstürzt, geht der Förster mit dem Forstlaufer über den Hof, und weiß vor Freude nicht wie ihm geschehen, wie er sein Mädchen schießen sieht. Es war, als gingen alle Pulverkörner, die er in seinem Leben säte, nun auf einmal hell vor ihm auf, wie Feldfeuer im Herbst, wenn die Jagd ausgeht. Aber den Forstlaufer trieb es, das Wort zu ergreifen, um es gegen den Alten zu richten, wie er es schon gleich einer Büchse aus sein eignes Herz gehalten, so daß er blutroth wurde, als habe er es getroffen; und er legte den Lauf seiner Worte mit offener Mündung des Mundes auf den Förster an, der betroffen schwieg, während ihm jener, der Forstlaufer, so anlag: „Herr Förster, ihr nennt mich einen braven Jäger, und ich, euer Forstlaufer, mehr um eurem Mädchen nachlaufen zu können, habe Haus und Hof, wie ihr wißt; wollt
Anmerkungen (Wikisource)
Verschiedene:Wünschelruthe. Göttingen: Vandenhoek & Ruprecht, 1818, Seite 5. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:W%C3%BCnschelruthe_Ein_Zeitblatt_005.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)