nicht zu denken war, wohl aber das reine, kräftige Volksthümliche unverändert in seiner wahren Gestalt uns erhalten worden seyn würde; ja! nicht blos dieses, sondern auch unsre Dichtkunst würde dadurch kein nutzloses, unkörniges Geschenk erhalten haben, indem ja der epische Grund volksthümlicher Dichtung dem durch die ganze Natur in mannigfachen Abstufungen sich verbreitenden Grün, welches sättigt und sänftigt, ohne jedoch zu ermüden, gleicht.
Die Oberlausitz hat wegen ihrer Lage schon dasjenige mit gebirgigen Ländern gemein, daß sie – wie z. B. Schottland und andere Hochländer – so wie ihre Kleidung, alte Sitten und Ueberlieferungen, länger und besser, als die Niederungen aufbewahrt. Die Abwechselungen, welche diese Provinz unter ihren Herrschern erfuhr, – ich will keinesweges der im Dunkel und Ungewißheit mit Fabeln durchwebten Geschichte der alten, grauen Vorzeit gedenken, sondern blos auf die Sorbenwenden, jenes Urvolk, aufmerksam machen, deren Einfällen der Thüringer Radulf i. J. 633 Grenzen setzte – indem sie bekanntlich bald unter meißner, polnische, böhmische, brandenburger, österreichische und endlich sächsische Hoheit kam, welcher Wechsel
Heinrich Gottlob Gräve: Volkssagen und volksthümliche Denkmale der Lausitz. Reichel, Bautzen 1839, Seite VII. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Volkssagen_und_volksthuemliche_Denkmale_der_Lausitz_007.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)