Das eitle Herz ward zu dem Mann gezogen,
Der treulos mich verlassen und betrogen!
Melvil.
Bereuest du die Schuld, und hat dein Herz
Vom eiteln Abgott sich zu Gott gewendet?
Maria.
Es war der schwerste Kampf, den ich bestand,
Zerrissen ist das letzte ird’sche Band.
Melvil.
Welch andrer Schuld verklagt dich dein Gewissen?
Maria.
Ach, eine frühe Blutschuld, längst gebeichtet,
Sie kehrt zurück mit neuer Schreckenskraft,
Im Augenblick der letzten Rechenschaft,
Und wälzt sich schwarz mir vor des Himmels Pforten.
Den König, meinen Gatten, ließ ich morden,
Und dem Verführer schenkt’ ich Herz und Hand!
Streng büßt’ ichs ab mit allen Kirchenstrafen,
Doch in der Seele will der Wurm nicht schlafen.
Melvil.
Verklagt das Herz dich keiner andern Sünde,
Die du noch nicht gebeichtet und gebüßt?
Maria.
Jetzt weißt du alles, was mein Herz belastet.
Friedrich Schiller: Maria Stuart. Tübingen: Cottasche Buchhandlung, 1801, Seite 216. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Schiller_Maria_Stuart_216.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)