Nie will ich dieses nächtliche Gewand
Mehr von mir legen! Ewig will ich trauern,
Doch heute will ich standhaft seyn – Versprecht
Auch ihr mir, euren Schmerz zu mäßigen –
Und wenn die andern alle der Verzweiflung
Sich trostlos überlassen, lasset uns
Mit männlich edler Fassung ihr vorangehn
Und ihr ein Stab sein auf dem Todesweg!
Kennedy.
Melvil! Ihr seid im Irrthum, wenn ihr glaubt,
Die Königin bedürfe unsers Beistands,
Um standhaft in den Tod zu gehn! Sie selber ists,
Die uns das Beispiel edler Fassung giebt.
Seid ohne Furcht! Maria Stuart wird
Als eine Königin und Heldin sterben.
Melvil.
Nahm sie die Todespost mit Fassung auf?
Man sagt, daß sie nicht vorbereitet war.
Kennedy.
Das war sie nicht. Ganz andre Schrecken warens,
Die meine Lady ängstigten. Nicht vor dem Tod,
Vor dem Befreier zitterte Maria.
– Freiheit war uns verheißen. Diese Nacht
Versprach uns Mortimer von hier wegzuführen,
Und zwischen Furcht und Hoffnung, zweifelhaft,
Friedrich Schiller: Maria Stuart. Tübingen: Cottasche Buchhandlung, 1801, Seite 198. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Schiller_Maria_Stuart_198.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)