Maria.
Das ist zu viel!
Elisabeth (höhnisch lachend).
Jetzt zeigt ihr euer wahres
Gesicht, bis jetzt war’s nur die Larve.
Maria. (von Zorn glühend, doch mit einer edeln Würde)
Ich habe menschlich, jugendlich gefehlt,
Die Macht verführte mich, ich hab’ es nicht
Verheimlicht und verborgen, falschen Schein
Hab’ ich verschmäht, mit königlichem Freimuth.
Das ärgste weiß die Welt von mir und ich
Kann sagen, ich bin besser als mein Ruf.
Weh euch, wenn sie von euren Thaten einst
Den Ehrenmantel zieht, womit ihr gleißend
Die wilde Glut verstohlner Lüste deckt.
Nicht Ehrbarkeit habt ihr von eurer Mutter
Geerbt, man weiß, um welcher Tugend willen
Anna von Boulen das Schaffot bestiegen.
Schrewsbury (tritt zwischen beide Königinnen).
O Gott des Himmels! Muß es dahin kommen!
Ist das die Mäßigung, die Unterwerfung,
Lady Maria?
Maria.
Mäßigung! Ich habe
Ertragen, was ein Mensch ertragen kann.
Friedrich Schiller: Maria Stuart. Tübingen: Cottasche Buchhandlung, 1801, Seite 135. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Schiller_Maria_Stuart_135.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)