Maria (mit steigendem Affekt).
Denkt an den Wechsel alles Menschlichen!
Es leben Götter, die den Hochmuth rächen!
Verehret, fürchtet sie, die schrecklichen,
Die mich zu euren Füßen niederstürzen –
Um dieser fremden Zeugen willen, ehrt
In mir euch selbst, entweihet, schändet nicht
Das Blut der Tudor, das in meinen Adern,
Wie in den euren fließt – O Gott im Himmel!
Steht nicht da, schroff und unzugänglich, wie
Die Felsenklippe, die der Strandende
Vergeblich ringend zu erfassen strebt.
Mein Alles hängt, mein Leben, mein Geschick,
An meiner Worte, meiner Thränen Kraft,
Lößt mir das Herz, daß ich das eure rühre!
Wenn ihr mich anschaut mit dem Eisesblick,
Schließt sich das Herz mir schaudernd zu, der Strom
Der Thränen stockt, und kaltes Grausen fesselt
Die Flehensworte mir im Busen an.
Elisabeth (kalt und streng).
Was habt ihr mir zu sagen, Lady Stuart?
Ihr habt mich sprechen wollen. Ich vergesse
Die Königin, die schwer beleidigte,
Die fromme Pflicht der Schwester zu erfüllen,
Und meines Anblicks Trost gewähr ich euch.
Friedrich Schiller: Maria Stuart. Tübingen: Cottasche Buchhandlung, 1801, Seite 128. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Schiller_Maria_Stuart_128.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)