Leicester.
So schien es, edler Sir – Und nun, nach zehn
Verlornen Jahren unverdroßnen Werbens,
Verhaßten Zwangs – O Sir, mein Herz geht auf!
Ich muß des langen Unmuths mich entladen –
Man preißt mich glücklich – wüßte man, was es
Für Ketten sind, um die man mich beneidet –
Nachdem ich zehen bittre Jahre lang
Dem Götzen ihrer Eitelkeit geopfert,
Mich jedem Wechsel ihrer Sultanslaunen
Mit Sklavendemuth unterwarf, das Spielzeug
Des kleinen grillenhaften Eigensinns,
Geliebkost jetzt von ihrer Zärtlichkeit,
Und jetzt mit sprödem Stolz zurückgestoßen,
Von ihrer Gunst und Strenge gleich gepeinigt,
Wie ein Gefangener vom Argusblick
Der Eifersucht gehütet, ins Verhör
Genommen wie ein Knabe, wie ein Diener
Gescholten – O die Sprache hat kein Wort
Für diese Hölle!
Mortimer.
Ich beklag’ euch, Graf.
Leicester.
Täuscht mich am Ziel der Preiß! Ein andrer kommt,
Die Frucht des theuren Werbens mir zu rauben.
Friedrich Schiller: Maria Stuart. Tübingen: Cottasche Buchhandlung, 1801, Seite 100. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Schiller_Maria_Stuart_100.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)