Sich bloß zu stellen – So vergönne mir,
Dem alten Manne, den am Grabesrand
Kein irdisch Hoffen mehr verführen kann,
Daß ich die Aufgegebene beschütze.
Man soll nicht sagen, daß in deinem Staatsrath
Die Leidenschaft, die Selbstsucht eine Stimme
Gehabt, nur die Barmherzigkeit geschwiegen.
Verbündet hat sich alles wider sie,
Du selber hast ihr Antlitz nie gesehn,
Nichts spricht in deinem Herzen für die Fremde.
– Nicht ihrer Schuld red’ ich das Wort. Man sagt,
Sie habe den Gemahl ermorden lassen,
Wahr ist’s, daß sie den Mörder ehlichte.
Ein schwer Verbrechen! – Aber es geschah
In einer finster unglücksvollen Zeit,
Im Angstgedränge bürgerlichen Kriegs,
Wo sie, die Schwache, sich umrungen sah
Von heftigdringenden Vasallen, sich
Dem Muthvollstärksten in die Arme warf –
Wer weiß durch welcher Künste Macht besiegt?
Denn ein gebrechlich Wesen ist das Weib.
Elisabeth.
Das Weib ist nicht schwach. Es giebt starke Seelen
In dem Geschlecht – Ich will in meinem Beiseyn
Nichts von der Schwäche des Geschlechtes hören.
Friedrich Schiller: Maria Stuart. Tübingen: Cottasche Buchhandlung, 1801, Seite 76. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Schiller_Maria_Stuart_076.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)