Maria.
Ich bin die Schwache, sie die Mächt’ge – Wohl!
Sie brauche die Gewalt, sie töde mich,
Sie bringe ihrer Sicherheit das Opfer.
Doch sie gestehe dann, daß sie die Macht
Allein, nicht die Gerechtigkeit geübt.
Nicht vom Gesetze borge sie das Schwerdt,
Sich der verhaßten Feindin zu entladen,
Und kleide nicht in heiliges Gewand
Der rohen Stärke blutiges Erkühnen.
Solch Gaukelspiel betrüge nicht die Welt!
Ermorden lassen kann sie mich, nicht richten!
Sie geb’ es auf, mit des Verbrechens Früchten
Den heil’gen Schein der Tugend zu vereinen,
Und was sie ist, das wage sie zu scheinen!
(Sie geht ab.)
Burleigh. Paulet.
Burleigh.
Sie trotzt uns – wird uns trotzen, Ritter Paulet,
Bis an die Stufen des Schaffots – Dieß stolze Herz
Ist nicht zu brechen – Überraschte sie
Der Urthelspruch? Saht ihr sie eine Thräne
Vergießen? Ihre Farbe nur verändern?
Friedrich Schiller: Maria Stuart. Cottasche Buchhandlung, Tübingen 1801, Seite 55. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Schiller_Maria_Stuart_055.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)