Ist einer ganz Verlornen werth – Doch ihr seid keine
Verlorene – ich kenn’ euch ja, ich bin’s,
Die eure Kindheit auferzogen. Weich
Ist euer Herz gebildet, offen ist’s
Der Schaam – der Leichtsinn nur ist euer Laster.
Ich wiederhohl’ es, es giebt böse Geister,
Die in des Menschen unverwahrter Brust
Sich augenblicklich ihren Wohnplatz nehmen,
Die schnell in uns das Schreckliche begehn
Und zu der Höll’ entfliehend das Entsetzen
In dem befleckten Busen hinterlassen.
Seit dieser That, die euer Leben schwärzt,
Habt ihr nichts lasterhaftes mehr begangen,
Ich bin ein Zeuge eurer Besserung.
Drum fasset Muth! Macht Friede mit euch selbst!
Was ihr auch zu bereuen habt, in England
Seid ihr nicht schuldig, nicht Elisabeth,
Nicht Englands Parlament ist euer Richter.
Macht ist’s, die euch hier unterdrückt, vor diesen
Anmaßlichen Gerichtshof dürft ihr euch
Hinstellen mit dem ganzen Muth der Unschuld.
Maria.
Wer kommt?
(Mortimer zeigt sich an der Thüre)
Kennedy.
Es ist der Neffe. Geht hinein.
Friedrich Schiller: Maria Stuart. Cottasche Buchhandlung, Tübingen 1801, Seite 25. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Schiller_Maria_Stuart_025.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)