Maria.
Du vergissest, Hanna –
Ich aber habe ein getreu Gedächtniß –
Der Jahrstag dieser unglückseligen That
Ist heute abermals zurückgekehrt,
Er ist’s, den ich mit Buß und Fasten feyre.
Kennedy.
Schickt endlich diesen bösen Geist zur Ruh’.
Ihr habt die That mit Jahrelanger Reu’,
Mit schweren Leidensproben abgebüßt.
Dir Kirche, die den Löseschlüssel hat
Für jede Schuld, der Himmel hat vergeben.
Maria.
Frischblutend steigt die längst vergebne Schuld
Aus ihrem leichtbedeckten Grab empor!
Des Gatten Rachefoderndes Gespenst
Schickt keines Messedieners Glocke, kein
Hochwürdiges in Priesters Hand zur Gruft.
Kennedy.
Nicht ihr habt ihn gemordet! Andre thaten’s!
Maria.
Ich wußte drum. Ich ließ die That geschehn,
Und lockt’ ihn schmeichelnd in das Todesnetz.
Friedrich Schiller: Maria Stuart. Cottasche Buchhandlung, Tübingen 1801, Seite 21. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Schiller_Maria_Stuart_021.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)