15. April
„Jetzt gilt es vor allem Arbeit suchen, mit der ich etwas verdienen kann — es hat sich auch allerhand gefunden — Schreibereien, eine Arbeit, die mir im Grunde nicht liegt und mich nicht freut. Aber was soll man machen?
Die Reise hat für diesen Monat alles verschlungen — ich habe nur noch eine Matratze zum Schlafen — alles andere ist ins Leihhaus gewandert.“
25. — —
„Niemand weiß, wo ich bin. Ganz heimlich bin ich fortgefahren, ohne Abschied. — Nur Bel-ami war den letzten Abend noch da, wir saßen bis spät in die Nacht in dem leeren Atelier auf zwei Koffern. — Ob er etwas davon fühlte, wie bange und traurig mir war?
Und am nächsten Morgen fort, ganz allein. — Nur die alte Hausmeisterin weinte — ja, nun hätte sie niemand mehr.
Ich sehnte mich so danach, ganz allein zu sein, aber nun weiß ich die Einsamkeit nicht zu ertragen — von einem Ort bin ich zum andern gefahren, überall kam es mir unerträglich vor, auch nur einen Tag zu bleiben — immer neue, fremde Gesichter, die mir von feindlicher Neugier erfüllt schienen, mich bis in die Träume hinein verfolgten. Ich will ruhig sein und nur an mein Kind denken. Aber das Heimweh reißt an mir, Heimweh nach jedem Stückchen Heimat, das ich jemals besessen habe — selbst nach meinem öden Atelier in München. Nur nach einem Fleck auf der Welt sehne ich mich, wo ich mich still und müde hinlegen könnte und nur ein Mensch um mich wäre, der mir ein gutes Wort sagt. Mir ist, als hätte ich die letzte Stätte verloren, keinen Boden mehr unter den Füßen — ganz allein auf öder Landstraße, mit dem ungeborenen Leben unter meinem Herzen. Und wir beide allen Stürmen überlassen — wohin werden wir treiben — wohin geht unsere Straße?
In einem kleinen abgelegenen Wirtshaus unten am See habe ich mich nun endlich niedergelassen und gleich
Fanny Gräfin zu Reventlow: Ellen Olestjerne. München: Albert Langen, 1925, Seite 698. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Reventlow_Werke_0698.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)