Kopf — wie ein Gnom sah er aus — der sich scheu nach allen Seiten umblickte, dann rasch den Beeten zuschlüpfte und ein paar Blumen abriß. Dann war er wieder im Gebüsch verschwunden.
Reinhard und Ellen sahen sich an.
„Bist du erschrocken?“
„Was war das?“ sagte sie. „Das war kein wirklicher Mensch, und was wollte er? — Er hat uns so angesehen.“
Reinhard lachte, um sie zu beruhigen, aber er hatte ebenso wie sie einen unerklärlichen Schauder gefühlt.
„Kannst du wieder nicht schlafen, Ellen?“
„Nein — wenn du nicht müde bist, komm noch etwas her und sprich mit mir.“
Er kam und setzte sich auf ihr Bett:
„Wenn sich doch etwas gegen diese Schlaflosigkeit tun ließe — was ist nur mit dir, Ellen?“
„Ja, es ist schon manchmal arg —, aber ich möchte doch nicht wieder mit den Schlafmitteln anfangen wie letzten Winter. — Und man denkt so viel dumme Sachen, wenn man immer so daliegt.“
„Woran dachtest du denn jetzt?“
„Ach, daß ich doch vielleicht krank bin, daran denke ich oft. — Und dann geht mir gerade heute eine Geschichte im Kopf herum, die mir die Dalwendt erzählte, als wir zusammen auf dem Land waren — wir haben viel darüber gesprochen und ich möchte eigentlich wissen, wie du darüber denken würdest.“
„Was für eine Geschichte? — Dann erzähl' sie mir doch.“
Ellen lag im Dunkeln, er konnte ihr Gesicht nicht sehen, und sie erzählte ihm ihre eigene Geschichte. Ihr ganzes Fühlen war in einer übermenschlichen Spannung — bei jedem Wort fürchtete sie laut aufzuschreien, aber ihre Stimme klang ganz ruhig und monoton. Reinhard hörte nachdenklich zu: „Liebte er sie denn nicht? — Ich meine der, von dem sie das Kind hatte?“
„Gott — er war wohl ein Mensch, der überhaupt nicht lieben konnte, viel zu zerspalten und zu zerfahren. Und sie sah einen großen Künstler in ihm,
Fanny Gräfin zu Reventlow: Ellen Olestjerne. München: Albert Langen, 1925, Seite 675. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Reventlow_Werke_0675.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)