dröhnten oder der Wind an den Fenstern rüttelte. Da lag sie in quälender Schlaflosigkeit und dachte an Reinhard — sie ertrug es kaum mehr, seine Briefe zu lesen, die sie heim mahnten zu ihm — nun kam er bald und wußte nicht, daß sie sein Glück in Scherben zerschlagen hatte. — Und noch ein anderes, worüber sie sich bei Tage gewaltsam hinwegzutäuschen, es immer wieder zurückzudrängen suchte, das trat in der Nacht wie ein drohendes Gespenst vor sie hin: — das Bewußtsein, daß eine hinterlistige schleichende Krankheit langsam und unerbittlich ihre Kräfte zernagte. — Aber sie wehrte sich immer von neuem dagegen, wollte nichts davon wissen, nur leben, leben.
Und dann kam wieder ein Brief von ihm — von Johnny — meist nur wenige Zeilen, ein kurzer, lockender Ruf. Der Anblick seiner Schrift allein trieb ihr das Blut zu heißen Wogen, und es litt sie nicht mehr in der sommergrünen Stille da droben. Beim dämmernden Morgen lief sie den Berg hinunter bis zu der kleinen Station. Dann stand sie plötzlich vor ihm in seinem Atelier und nächtelang lauschten sie nur der Stimme ihrer Sinne, die unaufhaltsam zusammenfluteten, das Leben jauchzte in ihr, bis es wieder in den einsamen Nächten da draußen aufschluchzte.
Im Juli kam Reinhard, und sie machten zusammen eine weite Fußwanderung nach Tirol hinein. Die Sommersonne leuchtete, und jeder Tag war eine lange strahlende Zeit. Ellen schien keine Ermüdung zu kennen, und so lachend heiter hatte er sie selbst in der alten Zeit nie gesehen, sie schien jeden Sonnenstrahl in sich aufzunehmen. Nur von Zukunftsplänen sprach sie nicht mehr, vom Malen, von ihrer Gesundheit, ging alledem förmlich aus dem Wege.
Es war nur ein Gedanke in ihr: diese wenigen Wochen noch mitsammen glücklich sein, — dann mußte alles zerbrechen. Und alles Glück, alles Frohe und Schöne, alle tiefste und letzte Freude, was andere während eines ganzen Lebens bedächtig zu sich nehmen, Zug auf Zug, das sollte er jetzt auf einmal leeren und mit ihr. Sie hielt ihm den Becher an die Lippen
Fanny Gräfin zu Reventlow: Ellen Olestjerne. München: Albert Langen, 1925, Seite 671. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Reventlow_Werke_0671.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)