Zum Inhalt springen

Seite:Reventlow Werke 0643.png

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Fritz, immer noch mit einem leichtsinnigen Lächeln, auf sie zutrat, sah er, daß sie weinte.

„Aber Ellen, was hast du?“

Sie wußte es selbst nicht, sie fühlte sich nur todunglücklich. Man sollte nicht so mit ihr umgehen — ja, sie wäre schon leichtsinnig — aber was fiele dem dummen Onkel ein, solche Geschichten zu machen. Konnte sie sich nicht verlieben, in wen sie wollte? Aber deshalb brauchten sie sich nicht einzubilden, daß sie nun jedem von ihnen gleich in die Arme sänke.

Ratlos stand der Fritz neben ihr und wollte sie trösten, aber ihr fielen immer mehr traurige Sachen ein, alle glaubten, daß man mit ihr nur lachen und Tollheiten treiben könnte, aber sie brauchte auch Menschen, die gut gegen sie wären; wußten sie denn überhaupt, was alles für Kämpfe und Schmerzen hinter ihr lagen? Der Fritz ging ganz in Mitgefühl auf; daß Ellen auch traurig und empfindsam sein konnte, war so überraschend für ihn, daß er alles andre vergaß. Er streichelte ihre Haare und legte den Arm um sie wie ein guter Bruder, schließlich weinten sie beide zusammen helle Tränen über alles, was es im Leben Schweres und Trauriges gab, — bis zum späten Nachmittag blieben sie droben. Dann gingen sie in die Stadt zum Essen — und bei Zarek zerbrach man sich den Kopf darüber, warum die beiden sich den ganzen Tag nicht sehen ließen.

Aber von nun an hatte Ellen am Fritz einen treuen Freund gefunden, auf den sie sich verlassen konnte, und der nie mehr von Liebe sprach.


„Das taugt alles nichts,“ sagte Walkoff — Ellen war bei ihm im Atelier und hatte einen Haufen Zeichnungen mitgebracht — „du zeichnest wie verrückt drauf los, aber es liegt nichts darin — gar nichts. Deine Arbeiten sind ganz wie du selbst: du taumelst herum, fällst auseinander — ein Stück hierhin, eins dorthin.“

Sie sah ihn trostlos an. Ja, wenn sie reden könnte. Warum sie so war, warum sie so geworden — alles, was sie drückte — aber davon wollte er nichts wissen — drängte alles in sie zurück.

Empfohlene Zitierweise:
Fanny Gräfin zu Reventlow: Ellen Olestjerne. München: Albert Langen, 1925, Seite 643. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Reventlow_Werke_0643.png&oldid=- (Version vom 27.9.2016)