Die Unterhaltung war anfangs etwas einsilbig und geriet mehrfach ins Stocken. Erst nach dem Essen, als sie beim Sekt angelangt waren, begann der Gastgeber allmählich aus seiner Korrektheit aufzutauen. Schließlich setzte er sich neben Ellen und sprach von Liebe, erst im allgemeinen — dann wollte er durchaus wissen, ob sie Henryk Walkoff liebte.
„Ach, keine Spur.“
„Aber warum bist du dann neulich abend so zärtlich mit ihm gewesen?“
„Das ist man bei uns immer, wenn wir alle einen Schwips haben. — Die andern waren doch auch zärtlich zusammen.“
„Ja, und dem Maxl hast du auch einen Kuß gegeben beim Schmollistrinken und Baldern. Gibt es denn bei euch gar keine Grenzen?“
„Doch, dir hab' ich ja keinen gegeben, Fritzl.“
„Ach, du bist schlecht, Ellen — bitte, sei einmal ernsthaft — wen liebst du denn eigentlich — deinen Verlobten?“
„Will ich dir Problem lösen, Fritz,“ warf Zarek dazwischen, „mir liebt sie. Haben wir uns schon manchmal geküßt — sapristi! Denkst du noch, Ellen?“
„Ist das wahr?“
Sie nickte und der Onkel brach in ein unbändiges Gelächter aus:
„Schau den Fritz, wie er ist unglücklich!“
Aber der schüttelte den Kopf und starrte eine Zeitlang in sein Glas: „Ihr seid doch sonderbare Leute. — Wollen wir jetzt ins Café?“
Im Café kam ein Blumenmädchen an den Tisch und Fritz kaufte Rosen für Ellen. Eine behielt er in der Hand und drehte sie nachdenklich hin und her, dann rückte er seinen Stuhl etwas vor:
„Siehst du, Ellen, die ist noch nicht ganz aufgeblüht — gerade das liebe ich so — halberblühte Rosen, und so kommst du mir auch immer vor.“
„Ach, Fritz, dann kommst du doch etwas zu spät.“
Er beugte sich noch etwas weiter vor:
Fanny Gräfin zu Reventlow: Ellen Olestjerne. München: Albert Langen, 1925, Seite 641. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Reventlow_Werke_0641.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)