Zarek ging voran, sein Stock stieß dröhnend gegen das Pflaster, und er sang laut in die Nacht hinaus, während die andern das Trottoir entlang Galopp tanzten.
Bald darauf kam Zarek eines Abends, um Ellen abzuholen. Er war auffallend ordentlich angezogen und machte ein geheimnisvolles Gesicht.
„Hat der Fritz uns eingeladen in Ratskeller, mach' dich ein bißchen schön, Kind, — Ratskeller ist nobel.“
Sie musterten Ellens ganze Garderobe durch und stellten mit vieler Mühe ein Kostüm zusammen, in dem sie zur Not auftreten konnte.
„Schenk' ich dir ein Kleid, wenn ich mein Bild verkauft hab',“ sagte Zarek, während er prüfend um sie herumging. „Sapristi! — kannst du nicht in alten Tanzschuhen gehn — wird der Fritz dir immer auf Füße schauen.“
„Der Fritz soll schauen, so viel er will,“ und Ellen wurde ganz ungeduldig, „meine Stiefel sind entzwei, und ich kann sie mir diesen Monat nicht mehr machen lassen.“
Endlich waren sie fertig, und Zarek polterte an ihrer Seite die vier Treppen hinunter. — Im Ratskeller wartete schon der Fritz, vornehm angetan und mit einer Blume im Knopfloch.
„Na, Zarek, das sieht dir ähnlich, so spät zu kommen.“
„Ach, der Onkel mußte mich ja erst anziehen,“ sagte Ellen, während sie sich setzten. Fritz warf aus seinen tiefliegenden Augen einen mißtrauischen Blick auf den Onkel.
„Hab' ich noch nie solche Garderobe gesehen bei junger Dame. Sag' ich: zieh an blaue Bluse — ist halber Ärmel abgerissen. Hat sie nur weiße und reibt mit Kreide, daß man Flecken nicht sieht. Gürtel gibt's nicht, muß man Plaidriemen nehmen.“
Über des Fritz Gesicht glitt ein langsames Lächeln: „Mir bist du in jedem Anzug schön genug, Ellen.“ Dann stellte er ein auserlesenes Souper zusammen und ließ Wein kommen.
Fanny Gräfin zu Reventlow: Ellen Olestjerne. München: Albert Langen, 1925, Seite 640. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Reventlow_Werke_0640.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)