„Nein, aber in den nächsten Tagen — sowie ich dort draußen bin.“
„Es muß geschehen — Ellen, manchmal begreife ich dich nicht recht. Er muß doch erfahren, daß du ihm nicht mehr gehörst.“
„Ach — das weiß er schon lange — er hat die ganze Zeit nur hier und da ein paar flüchtige Worte von mir — und es ist so schwer.“
„Was ist schwer?“
„So über einen Menschen hinwegzugehen. Ihm plötzlich sagen: Alles ist aus. Das quält mich dann wieder, und ich möchte jetzt an nichts Quälendes denken.“
Reinhard richtete sich auf, und sie sah jetzt, daß er ernstlich unzufrieden war: „Nein, Ellen, darin mußt du noch anders werden, endlich einmal lernen, klar gegen dich selbst zu sein. Du hast diese sonderbare Neigung, alles Unangenehme von dir fortzuschicken, bis es von selbst über dich kommt, und dann würdest du am liebsten noch fortlaufen, um es los zu sein.“
„Das kommt von meinem ganzen bisherigen Leben. Denk dir einmal: wenn man durch Jahre immer in der Erwartung lebt: was wird morgen geschehen? Ich fahre heute noch zusammen, wenn die Post kommt oder die Haustür klingelt.“
„Armes Kind — ich weiß es ja auch. Und es soll meine Hauptsorge sein, daß dein Leben jetzt wirklich einmal ausblüht. Aber über dies Letzte mußt du jetzt noch weg — die letzten Hindernisse nehmen, Ellen —.“ Dann sprach er davon, daß sie doch heiraten wollten, über kurz oder lang, denn wann es sein konnte, ließ sich nach seiner unsicheren Praxis noch nicht sagen.
Ellen wurde etwas unruhig dabei, ihr war, als schöbe sich wieder eine graue Wolke über ihren hellen Himmel hin.
„Ach, Reinhard, warum müssen wir denn gleich wieder an Verloben und Heiraten denken? Ich habe einen förmlichen Schrecken vor dem bloßen Wort. Und dann muß ich auch jetzt erst einmal ganz ins
Fanny Gräfin zu Reventlow: Ellen Olestjerne. München: Albert Langen, 1925, Seite 615. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Reventlow_Werke_0615.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)