sich auflehnen gegen den Schmerz, ihn abschütteln und nur an den neuen Morgen denken, der vor ihr lag. Und er ließ nicht nach, bis sie wieder froh wurde. Von sich selbst sprach er nicht, aber Ellen wußte seine Liebe wohl, es war nur noch ein leises Zögern in ihr und etwas wie Angst vor jeder innerlichen Erschütterung.
An einem Sonntagnachmittag waren sie beide mit Lisa hinausgefahren, um die Rennen anzusehen. Das Menschengewühl unter der brennenden Sonne, der Wein und das aufregende Spiel da drunten auf der weiten Sandfläche, wo die dunklen, schimmernden Tiere dahinrasten, brachte sie in seltsame Stimmung — in eine Art von stürmischer Erwartung, als ob jeden Augenblick etwas hereinbrechen, über alles hinfegen könnte.
Auf dem Programmzettel fanden sie heraus, daß eins von den Rennpferden Ellen hieß. Darüber lachten sie mit Lisa und wetteten untereinander; aber als die Freundin wieder ganz im Zuschauen versunken war und sich weit vorbog, um besser zu folgen, gingen ernste Blicke zwischen den beiden andern hin und her. Reinhard stand hinter Ellens Platz, sie sprachen leise zueinander, fast nur indem sie die Lippen bewegten, und mit den Augen. Er fühlte all das Schwanken in ihr, seit lange schon: „Zu mir kommen, Ellen, zu mir, — wir gehören zusammen.“
Dann mußten sie wieder laut sprechen — nun kam das Pferd, das Ellens Namen trug, ins Rennen — und Lisa drehte sich um:
„Was flüstert ihr denn?“
„Wir machten eine Privatwette ab, ob ‚Ellen' siegen wird.“
Lisa versank wieder in aufmerksames Zuschauen, und über die beiden kam plötzlich ein gewitterschwüler Übermut.
„Es soll gelten,“ sagte Ellen leise.
„Sie wissen doch, daß ich abergläubisch bin, wenn Ellen siegt — —“
„Dann geben Sie mir die Hand, und wir wollen sehen, was unser Schicksal für Sprünge macht.“
Fanny Gräfin zu Reventlow: Ellen Olestjerne. München: Albert Langen, 1925, Seite 613. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Reventlow_Werke_0613.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)